G20-Gipfel in Brisbane
Ukrainekrise informelles Hauptthema
Eigentlich sollen die 1999 ins Leben gerufenen regelmäßigen Gipfeltreffen der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) vor allem der Behandlung von Finanz- und Wirtschaftsfragen dienen. Dieses Wochenende, an dem das Treffen im australischen Brisbane stattfindet, konzentrieren sich die Beobachter aus den USA und den europäischen Ländern aber eher auf die Ukrainekrise, von der sie erwarten, dass sie das wichtigste informelle Themas sein wird.
Dazu trug auch der australische Regierungschef Tony Abbott bei, der vor einem Monat unter Zuhilfenahme einer Metapher aus dem Australian Football verlautbarte, er wolle den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin "shirtfronten" - also in einer Weise mit Vorwürfen zum Abschuss der Malaysia-Airlines-Maschine MH17 konfrontieren, dass dieser nicht ausweichen kann.
Nach Meinung Abbotts trägt Russland eine Mitverantwortung am Tod der 298 Passagiere des über der Ostukraine abgeschossenen Flugzeugs (unter denen sich 38 australische Staatsbürger befanden), weil das Land die Donezk-Rebellen unterstützt, denen der Australier "Mord" unterstellt. Damit geht er deutlich weiter als ein Untersuchungsbericht, der nicht nur Fragen zum Tathergang, sondern auch zu den Tätern und zu deren Absichten offen lässt.
Als Russland vor einigen Tagen zwei Kriegsschiffe in internationale Gewässer nordöstlich von Brisbane entsandte, sahen einige Medien dies als Reaktion auf Abbots Äußerungen.
Die russischen Behörden verneinten dies und verwiesen darauf, dass auch bei früheren Auslandsreisen russischer Spitzenpolitiker Kriegsschiffe in internationale Gewässer in der Nähe der Veranstaltungsorte entsandt wurden. Ein Hintergrund dafür könnte die Gefahr salafistischer Terroranschläge sein, auf sich auch die australischen Behörden vorbereitet haben: Sie stellten 6.000 Polizisten zur Bewachung des G20-Gipfels ab, postierten Scharfschützen auf Hausdächern und installierten zahlreiche neue Überwachungskameras.
Auch US-Präsident Barack Obama machte auf dem Gipfeltreffen bislang vor allem mit Äußerungen zur Ukrainekrise auf sich aufmerksam: Er sprach in einer Rede im Zusammenhang mit dem MH17-Absturz von "russischer Aggression" in der Ukraine und von einer "Gefahr für die Welt". Der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow kommentierte das mit der Bemerkung, die Behauptungen von einer Aggression Russlands widerspiegelten "die eigenen Vorstellungen der amerikanischen Kollegen von den Geschehnissen in der Welt, die sie auf die internationale Völkergemeinschaft übertragen und recht oft mit den gleichen Worten wiederholen".
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich nach Informationen aus der deutschen Delegation abseits des offiziellen Gipfelprogramms zu bilateralen Gespräch mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin treffen. Dabei könnte es unter anderem um mögliche neue Wirtschaftssanktionen gehen, die der britische Premierminister David Cameron und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy in Aussicht stellten. Über diese Sanktionen soll nach einem Treffen europäischer Politiker mit US-Präsident Obama am Sonntag entschieden werden.
Zum offiziellen Hauptziel des Brisbane-Gipfels - der Ankurbelung der Weltwirtschaft - dürften solche Maßnahmen eher nicht beitragen. Ein anderes erklärtes Hauptziel des Treffens - der Kampf gegen Steueroasen - wird durch einen EU-Politiker ebenfalls nicht unbedingt glaubwürdig vertreten: EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, der seine Heimat als Ministerpräsident zu einem der wichtigsten Steuervermeidungsparadiese der Welt machte, antwortete in Brisbane auf Journalistenfragen zu neuen Enthüllungen über das Ausmaß dieses Skandals, an der Steuervermeidung von Konzernen sei nicht er schuld, sondern die unterschiedliche Steuergesetzgebung auf der Welt.
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