Gebt den Impfstoff her!
Mit ihrer jüngsten Intervention prangert das Peng! Kollektiv den Impfkapitalismus an. Kommentar
"Mit dem BioNTech-Impfstoff steht in Rekordzeit ein wirksames Vakzin gegen die Covid-19-Pandemie zur Verfügung. Du hast dazu maßgeblich beigetragen! Möglich wurde diese Eil-Entwicklung aber auch dank der massiven finanziellen Unterstützung durch die Bundesregierung." Was sich wie eine interessengeleitete Eloge an die Impfpolitik der Bundesregierung liest, ist der Einstieg in ein Video der in linken Kreisen geschätzten Politkunstgruppe Peng! Kollektiv. Auf ihrer Webseite steht noch der hohe Anspruch an Radikalität, den auch das Ausrufezeichen hinter dem Kollektivnamen verdeutlicht.
"Ein explosives Gemisch aus Aktivismus, Kunst und Hacking gegen die Barbarei" wolle man sein. Doch wie viele linke soziale Bewegungen wurde auch das Peng! Kollektiv im Laufe der Zeit zum soliden Bündnispartner sozialer Bewegungen und trägt so dazu bei, deren in der Regel vernünftige emanzipatorische Reformforderungen zu popularisieren.
Mal waren es Telefon-Klingelstreiche bei räumungswilligen Vermietern, mal wurden Fluchthelfer geehrt, mal stellte das Kollektiv wie in Chemnitz im Rahmen der Ausstellung "Gegenwarten" Antifa-Devotionalien in einem offiziellen Museum aus und ließ sie dann versteigern.
Impfstoff für Alle statt Impfkapitalismus
Mit ihrer aktuellen Intervention prangert das Peng! Kollektiv den Umgang mit dem Impfstoff als kapitalistischer Ware an, der dazu führt, dass der globale Norden bevorzugt wird. In ihrem Aufruf an die BioNTech-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird mit Gründen beklagt, dass das von der Gesellschaft aus Steuergeldern mitfinanzierte Impfstoff-Wissen nun in den Händen von BioNTech, also eines kapitalistischen Konzerns, liegt. Die Folge ist wie immer im Kapitalismus: Der Impfstoff ist zur Ware geworden, die an die abgegeben wird, die ihn bezahlen können.
Wer wenig oder keine finanzielle Mittel hat, geht leer aus. Nichtregierungsorganisationen wie Medico International haben schon vor einigen Monaten die Kampagne Patente töten - Medizin für Alle initiiert.
Das Peng!Kollektiv fordert nun die BioNTech-Beschäftigte, die am Impfstoff mitgearbeitet haben, dazu auf, die Formeln zu leaken und so für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. In einem Brief "An alle Angestellten bei BioNTech" wird behauptet, dass Impfstoffe zwar "kompliziert herzustellen sind", die Produktion von mRNA-Vakzinen "allerdings vergleichsweise einfach" sei. Benötigt würden die Ausgangsstoffe und die genaue Herstellungsanleitung.
Mit dieser Anleitung könnten Pharma-Unternehmen weltweit in die Produktionskette des Impfstoffs einsteigen. Doch dieses Wissen haltet ihr bei BioNTech unter Verschluss. Deshalb fordern wir euch jetzt auf: gebt den(sic!) Impfstoff-Wissen frei und ermöglicht die weltweite Produktion!
Aus dem Brief des Peng! Kollektivs an die BionTech-Beschäftigten
Braucht die Welt den Impfstoff?
Nachdem mit guten Argumenten erklärt wird, warum der Impfkapitalismus einem Großteil der Menschen schadet, werden die Beschäftigte aufgefordert: "Jetzt leaken". Dann werden sie auf eine Seite geführt, auf der sie erfahren, wie sie anonym die gefragten Daten leaken können. Unabhängig davon, ob der Aufruf auf Resonanz bei der Zielgruppe stößt, ist er gut geeignet, den "Impfkapitalismus" in Frage zu stellen. Denn hier zeigt sich an einem sehr konkreten Beispiel, das momentan viele Menschen beschäftigt, dass der Kapitalismus eben nicht, wie manche seiner Apologeten immer wieder behaupten, in der Lage und geeignet ist, für ein gutes Leben der Mehrheit der Menschen auf der Welt zu sorgen.
Am Beispiel des Impfmaterials wird deutlich, dass es geradezu "mörderisch" ist, wenn er zur Ware wird. Was hier am Beispiel der Vakzine gesagt wird, trifft auf alle lebenswichtigen Güter zu: Medikamente, Nahrung, Wohnung dürfen nicht zur Ware werden. Diese Güter müssen allen zur Verfügung stehen, die sie brauchen. Hier liefert also die Intervention von Peng! gute Argumente.
Da kann man auch darüber hinwegsehen, dass sie natürlich auch viel Ideologie über das eigentlich gute Impfmanagement in den westlichen Staaten verbreitet. Wie die Debatten der letzten Tage zeigten, ist der Impfkapitalismus auch nicht dazu fähig, allen Menschen im globalen Norden, die geimpft werden wollen, den Stoff bereitzustellen.
Impfkritiker werden natürlich grundsätzliche Einwände haben. Denn die Peng-Intervention lässt keinen Zweifel, dass die Welt den Impfstoff braucht. Wenn auch die Präsentation vom Impfstoff als Wunderwaffe durchaus hinterfragt werden kann, ist es grundsätzlich richtig, Vakzine für alle, die sie brauchen und wollen zu fordern.