"Gebt mir mein Auge zurück!"
Der Fall Blackwater: Amerikanische Gerechtigkeit und irakisches Gerechtigkeitsgefühl
Für den Chef der Sicherheitsfirma, die zu diesem Zeitpunkt noch weltweit als Blackwater bekannt war und seit einiger Zeit unter dem weniger auffälligen Namen Xe-Services firmiert (und weiterhin in heiklen Kampfzonen operiert), war der Fall von Anfang an klar: Die Reaktion seiner Angestellten war "angemessen", so Erik D. Prince, CEO von Blackwater USA, am 2.Oktober 2007 vor einem Kongress-Ausschuss (siehe auch Wiedergänger der Prätorianer?).
Am 16.September 2007 hatten Blackwater-Angestellte auf einer belebten Kreuzung „mit Trommelfeuer in verschiedene Richtungen“ auf einen vermeintlichen Angriff reagiert. Die wilde Schießerei ("It was hell") traf unschuldige Verkehrsteilnehmer, die zu diesem Zeitpunkt zufällig an diesem Ort waren. Die Folge: 17 Tote und 24 Verletzte.
Der Fall machte weltweit Schlagzeilen; ob Sicherheitsdienst-Mitarbeitern sich vor Gericht veranworten müssen und wenn ja vor welchem, was die „Privaten“ künftig im Irak dürfen, sind nur ein paar Stichpunkte aus dem monatelangen Streit, der sich nach dem Blackwater-GAU zwischen der amerikanischen und der irakischen Regierung entwickelt hat. Bis hin zum SOFA-Abkommen, dem wurde das Problem der Sicherheitsfirmeneinsätze in verschiedenen Vereinbarungen und Regelungen durchdekliniert.
Der Skandal ist lebendig geblieben. Das zeigt sich jetzt, mehr als 2 Jahre nach der Schießerei. Ein US-Gericht hat aktuell fünf der beteiligten Blackwater-Angestellten freigesprochen. Für die Iraker ist das völlig unverständlich. Nicht nur für die Opfer, die sich unversöhnlich zeigen:
They're letting the criminals who killed and burned people inside their cars escape? How can I forget what they did to my body with bullets (...) I'll be ready to reconcile with the Americans when they bring me back my eye.
Auch Politiker zeigten sich verblüfft:
I don't understand why the judge took this decision. They killed innocent Iraqi people that were just in their cars without any weapons. I am very astonished. So many innocent Iraqis – young, students – were shot by someone who liked to shoot unarmed people.
Wejdan Mikhail, irakische Ministerin für Menschenrechte
Dass sich Richter Ricardo M. Urbina des Bundesgerichts in Washington die Mühe machte, den vor den Kopf stoßenden Freispruch auf 90 Seiten zu erklären, um das Urteil zu begründen, wird die öffentliche Meinung im Irak kaum kümmern. Dort wird man sich vor allem darin bestätigt sehen, „dass irakische Leben für die Amerikaner weniger wert sind“ und Blackwater von Anfang an einen Persilschein ausgestellt bekam.
Die irakische Regierung will Widerspruch einlegen und mit diplomatischen Druck sicherstellen, dass den Opfern „Gerechtigkeit“ widerfahre.
Dass es theoretisch Wege dahin gebe, soll im Urteil des Richters genau nachzulesen sein. Richter Urbina habe deutlich gemacht, wie ein erfolgreicher Widerspruch rechtlich aussehen müsste, heißt es in der New York Times. Sein Freispruch gründet demnach auf einem Verfassungsgrundsatz, wonach die Regierung nicht verlangen kann, dass ein Angeklagter gegen sich selbst aussagt. Die Vorwürfe gegen die Blackwater-Mitarbeiter, wie sie die Staatsanwaltschaft ausgearbeitet habe, würden aber maßgeblich auf jenen Berichten gründen, die die Mitarbeiter als Vertragspartner der Regierung unmittelbar nach dem Vorfall abgeben mussten.
Offensichtlich stand jedoch nicht nur der Verfassungsgrundsatz einer Verurteilung im Wege, sondern Pfusch der Anklage und damit auch der politische Wille. Es heißt, dass es eine Abmachung zwischen den Blackwater-Mitarbeitern und der Regierung gegeben habe, wonach die Aussagen nicht zu ihrem Schaden verwendet werden dürfen, wie „dies den Blackwater-Leuten bei der Vernehmung so versprochen worden sei“.
Zum anderen, so der Bericht der New York Times, wurde die Staatsanwaltschaft schon zwei Wochen nach der Schießerei darauf aufmerksam gemacht, dass man sich bei der Anklage nicht maßgeblich auf die Berichte der Blackwater-Mitarbeiter stützen dürfe:
Less than two weeks after the shootings in Nisour Square in Baghdad in September 2007, lawyers at the State Department, which employed the guards, expressed concern that prosecutors might be improperly using the compulsory reports in preparing a criminal case against them, according to the decision.
Stellt sich die Frage, was eigentlich aus dem irakischen Untersuchungsbericht geworden ist, der ziemlich bald schon zum Ergebnis kam, dass die Blackwater-Angestellten nicht, wie von ihnen behauptet, aus Notwehr ihre wilden Salven abgaben.