Gefährder-Gesetz: Sorge um Freiheitsrechte von "Normalbürgern"

Seite 2: "Drohende Gefahr" als zusätzliche Gefahrbegriffskategorie

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Mit der "drohenden Gefahr" wird eine zusätzliche Gefahrbegriffskategorie eingeführt, um vor allem Vorbereitungshandlungen besser erfassen zu können, heißt es im Gesetzesentwurf. Dafür würden Standardbefugnisse ergänzt, "beginnend mit der Identitätsfeststellung". Dies betrifft dann, wie der Datenschutzbeauftragte kritisiert, eben alle, nicht nur "Gefährder", wegen möglicher Terroranschlagplanungen verdächtiger Personen.

Die Ansichten über die "Schwere" eines Eingriffs in die persönliche Freiheit durch eine Identitätsfeststellung mögen unterschiedlich sein. Es gibt weitaus Schlimmeres, wie man in Frankreich sehen kann, wobei man dort wie in den USA auch häufig in Berichten liest, dass Identitätsfeststellungen das Potential haben, zur Schikane zu werden.

Identitätsfeststellung, erkennungsdienstliche Behandlung und Durchsuchung von Personen

Bei der Durchsuchung von Personen, geregelt nach § 29 des Polizeigesetzes ist der Eingriff in die persönliche Freiheit schon deutlicher wie auch die Möglichkeit, daraus eine Schikane, jedenfalls eine unangenehme Prozedur zu machen, die dem Einzelnen sehr klar vorführt, welche Macht die Polizei haben kann.

Der Gesetzgeber ist sich, wie der Gesetzesentwurf ausführt (PDF, S.14), bewusst, dass die Identitätsfeststellung nicht irgendein, sondern ein "äußerst wirksames Instrument zur Gefahrenabwehr" sein kann. Weswegen man nun die Einschreitschwelle, wie dies Petri kritisiert, herabgesetzt hat. Es reicht dann künftig, wenn die Gefahr droht, dass "Störer" eine Ordnungswidrigkeit begehen könnten:

Um gefährliches Handeln, das in die Begehung gewichtiger Ordnungswidrigkeiten oder von Straftaten münden kann, bereits In einem frühzeitigen Stadium zu unterbinden, kann es daher schon im Vorfeld einer klassischen konkreten Gefahr erforderlich sein, die Identität von Störern festzustellen. Aus diesem Grund wird der Polizei ermöglicht, auch in Situationen drohender Gefahr, bezogen auf die Begehung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder Straftaten, Maßnahmen der Identitätsfeststellung durchzuführen.

Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen

Ausgedehnt wird auch die Möglichkeit zur erkennungsdienstlichen Behandlung, die immerhin erfordert, dass die oder der Betroffene mit aufs Revier muss. Auch hier spielt der Begriff der "drohende Gefahr" eine Schlüsselrolle. Sie kann laut Gesetz unabhängig davon veranlasst werden, "ob eine Straftat bereits begangen, gerade ausgeführt, vor bereitet oder gerade geplant wurde".

Ähnliche Erweiterungen gibt es für Platzverweise und Kontaktverbote und für die Befugnis zur Durchsuchung von Personen - die drohende Gefahr muss sich nicht unbedingt auf Straftaten beziehen, sondern künftig auf die Begehung von "Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit".

"Moderate Arrondierung"

Das sind selbstredend noch keine gruslig-spektakulären Befugniserweiterungen wie zum Beispiel in Frankreich die neuen Richtlinien zum erleichterten Schusswaffengebrauch von Sicherheitskräften, aber hier wird ein Weg begangen, der kritische Aufmerksamkeit nötig hat. Wer den Gesetzesentwurf genauer durchliest, merkt auch, dass sich die Verfasser darüber bewusst sind, dass die Grenzen bisheriger Polizeiarbeit übertreten werden und eine neue Dimension erschlossen wird.

Sinnigerweise sprechen die Verfasser des Gesetzesentwurfes von einer "moderaten Arrondierung" der polizeilichen Maßnahmen unter dem Begriff einer drohenden Gefahr. Sie machen darauf aufmerksam, dass die Befugniserweiterung sich "nicht von vornherein auf die Abwehr terroristischer Gefahren beschränkt".