Gefährliche Klassen und der "Screen New Deal"
Überlegungen zur politischen Ökonomie der Coronakrise
Wie sich in letzter Zeit herausstellte, hat das Coronavirus Sars-CoV-2 eine unerwartete Nebenwirkung. Es bringt Dinge ins Bewusstsein, die eigentlich schon immer bekannt, aber von der Öffentlichkeit und der Mehrheitsgesellschaft erfolgreich verdrängt worden waren. Die Zustände in der deutschen Fleischindustrie, die faktische Entrechtung der osteuropäischen Arbeiter, ihre Unterbringung in beengten, heruntergewirtschafteten Unterkünften - all das ist seit vielen Jahren kein Geheimnis, aber bisher nahm kaum jemand davon Notiz. Nun schaut die Öffentlichkeit hin, weil die menschenunwürdigen Zustände durch die Corona-Pandemie auch eine gesundheitliche Bedrohung für den Rest der Gesellschaft darstellen.
In anderen Ländern geschieht Ähnliches. Die Öffentlichkeit nimmt Notiz von sozialen Verwerfungen, die seit Jahrzehnten das Leben der Armutsbevölkerung prägen, von denen sich jedoch die bürgerliche Gesellschaft erfolgreich geistig und materiell abschotten konnte - von den Wohn- und Lebensbedingungen in den Armenvierteln von Sao Paolo bis zu den fragilen Existenzen von Millionen indischer Wanderarbeiter.
Dabei erschien Covid-19 in den Anfängen der Pandemie eher als Seuche der Wohlhabenden. Vielfach wurde das Virus als Mitbringsel teurer Urlaubsreisen eingeschleppt. Nach Brasilien zum Beispiel reiste es komfortabel mit dem Flugzeug, in den Körpern von betuchten Brasilianern, die sich einen Urlaubstrip zum Karneval in Venedig leisten konnten.
Aus diesen privilegierten Zonen hat sich das Virus jedoch zielstrebig seinen Weg in die von ihm bevorzugten menschlichen Ökosysteme gebahnt - in die Elendsviertel, in denen ganze Familien in einem kleinen Verschlag wohnen, in Massenunterkünfte, Flüchtlingslager, in Schlachthöfe, Paket- und Logistikzentren.
Wie der Historiker Frank M. Snowden bemerkte, geht die Rede von den "gefährlichen Klassen" nicht nur auf die politische "Gefährlichkeit" des Proletariats im 19. Jahrhundert zurück, das sich der staatlichen Ordnung widersetzte oder betrunken randalierte. Die Metapher galt auch den Gefahren, die von den Angehörigen dieser Klassen als potentielle Überträger gefährlicher Krankheiten ausgingen. Ihre beengten Wohnverhältnisse, fehlende Kanalisation und sauberes Wasser machten sie zur leichten Beute von Cholera- und Tuberkulose-Erregern.
Die Corona-Pandemie hat nun weltumspannend diesen Aspekt der "gefährlichen Klassen" wiederbelebt, und mit ihm die Angst vor den Angehörigen dieser Klassen und die Tradition der repressiven Kontrolle. In Indien wurden Hunderttausende Wanderarbeiter mit rabiaten Methoden von den Straßen geräumt und in "Quarantäne-Lager" gesperrt. In der Enge dieser Lager waren sie einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als vorher. Sie wurden aus den öffentlichen Räumen verbannt, um die indische Mittel- und Oberschicht vor den gefährlichen Körpern derjenigen zu schützen, die normalerweise in Fabriken, auf Baustellen oder in privaten Haushalten für einen kärglichen Lohn arbeiten und in billigen Unterkünften oder Armenvierteln wohnen. In derselben Logik wurden weltweit Teile von Slums abgeriegelt, wenn dort Covid-19-Fälle aufgetaucht waren.
In Katar wurden zehntausende Wanderarbeiter in einem Industriegebiet eingeschlossen, wo sie in beengten Schlafsälen ausharren mussten. In Südafrika holte die Polizei Obdachlose von der Straße und sperrte sie zu Tausenden in Sportplätzen ein. In Bangladesch, im Libanon und in Jordanien wurden Flüchtlinge in überfüllten Lagern eingeschlossen.
In Berlin-Neukölln wurden mehrere Wohnblocks im Rahmen einer Zwangs-Quarantäne abgeriegelt und mit einem von der Polizei bewachten Gitterzaun versehen, nachdem dort einige Covid-19-Infektionen aufgetaucht waren. Eigentlich muss in Deutschland nur in Quarantäne, wer infiziert ist oder engen Kontakt zu einem laborbestätigten Infizierten hatte. Die Abriegelung ganzer Wohnblocks wurde in Neukölln damit begründet, die Bewohner seien "sozial schwach" und "wenig integriert", was - bei genauerem Hinsehen - noch nicht einmal stimmte. Ähnlich wurde in Wohngebieten von Tönnies-Arbeitern in NRW verfahren. In allen Fällen wurde in Kauf genommen, dass die Eingesperrten noch stärker der gefährlichen Enge und den unhygienischen Bedingungen ihrer Unterkünfte ausgesetzt waren.
So bringt die Corona-Pandemie nicht nur verdrängte soziale Probleme ins Bewusstsein, sie macht auch die Trennungslinien der globalen Apartheit deutlich sichtbar. Weltweit wurden und werden Bürgerrechte eingeschränkt, um "Leben zu retten". Doch manche Leben zählen weniger. Sie werden in Lager gesperrt, in abgeriegelte Slums, Wohnblocks oder Schlafquartiere, um die anderen vor ihnen zu schützen, während sie selbst durch diese Maßnahmen noch größeren Gefahren ausgesetzt sind.
Dabei wird auch weitgehend ignoriert, dass der "Schutz des Lebens" auf Kosten der Bürgerrechte in der globalen Armutsklasse nicht funktioniert. Gerade die Menschen in den Elendsvierteln brauchen ihre Bürgerrechte, ihre Freiheit, sich auf den Straßen und öffentlichen Plätzen zu bewegen, ihre sozialen Kontakte zu pflegen und ihren Tätigkeiten nachzugehen, um von Tag zu Tag zu überleben. Nimmt man ihnen diese Bürgerrechte, dann müsste man ihnen im Gegenzug neue soziale Rechte gewähren, die ihre Gesundheit schützen und ihr Überleben sichern können.
Während uns die Nachrichten täglich mit den neuesten Zahlen der weltweit positiv auf Corona Getesteten und der Todesfälle ("durch und mit Corona") berieseln, erfahren wir praktisch nichts darüber, wie viele Menschen weltweit aufgrund der Unterversorgung durch Lockdowns und Quarantäne krank wurden. Wir erfahren nicht, was in den Familien der Wanderarbeiter geschah, als die Familienväter oder -mütter kein Geld mehr schicken konnten.
Globale Apartheid betrifft nicht nur die Lebensverhältnisse und die bürgerlichen Rechte, sondern auch die Wahrnehmung der existentiellen sozialen Probleme in anderen Teilen der Welt. Das könnte in der Corona-Pandemie verhängnisvolle Folgen haben. Das Virus kann die Slums dieser Welt als Brutstätten nutzen, in denen die Epidemie immer wieder aufflammt und ihre Reise um den Globus erneut antritt.
Auswirkungen auf die Globalisierung
Das Coronavirus findet seinen idealen Nährboden in diesen sozialen Verwerfungen des globalisierten Kapitalismus. Umgekehrt hat die Pandemie nun jedoch auch Folgen für die Globalisierung selbst. Viele global aufgestellte Unternehmen haben in den vergangenen Monaten realisiert, dass komplexe globale Wertschöpfungsketten, die sie in den vergangenen Jahrzehnten angelegt haben, um niedrige Löhne und schlechte Lebensbedingungen andernorts auszunutzen, ihre eigenen Risiken bergen. So musste die europäische Automobilindustrie ihre Produktion in der Pandemie schon frühzeitig herunterfahren, weil Vorprodukte aus China nicht mehr geliefert wurden.
In den Gesundheitssystemen wurde schockiert zur Kenntnis genommen, wie groß bei einigen Medikamenten oder Schutzkleidung die Abhängigkeit von den Lieferungen einzelner Länder ist.
Die Erfahrung der Unsicherheit weit verzweigter globaler Wertschöpfungsketten verstärkt nun den Trend zur De-Globalisierung, der sich seit einigen Jahren abzeichnet. Mehr und mehr global agierende Unternehmen arbeiten daran, ihre Produktionsstätten in die Nähe ihrer Absatzmärkte zu holen. Dieser Trend zum "Nearshoring" führt die Weltwirtschaft perspektivisch in eine stärkere Regionalisierung.
Weil aber die Lohnkosten in Europa und in den USA höher sind als im fernen Osten, beschleunigt dieser Trend zugleich die Automatisierung der Produktion und damit die Bedeutung der Robotik. Mittlerweile können Unternehmen dabei flexibel einsetzbare automatisierte "Micro Factories" nutzen, die schnell umprogrammiert werden können, wenn sich die Märkte verändern.
Es gibt jedoch auch Wirtschaftsbereiche, die sich diesem Trend widersetzen, und in denen die Globalisierung weiter voranschreitet. Dazu gehört zum Beispiel der Finanzsektor, aber auch die Datenökonomie. Diese erhält durch den verstärkten Trend zu Automatisierung und Robotik einen zusätzlichen Schub.
Zudem scheinen die Erfahrungen in der Corona-Pandemie und die verbreitete Angst vor einer Infektion nun dazu zu führen, dass sich die Tore für eine umfassende Digitalisierung wichtiger gesellschaftlicher Bereiche wie Bildung und Gesundheit weit öffnen. Das wäre ein weiterer Durchbruch für die digitale Wirtschaft und mit ihr für datengetriebene Geschäftsmodelle. "Die Krise ist ein Weckruf", frohlockt beispielsweise Achim Berg, Präsident des deutschen Digitalverbandes Bitkom, "die Digitalisierung massiv voranzutreiben."
Wenn die Politik diesem "Weckruf" folgt, dann wird das weitreichende Auswirkungen haben, nicht nur auf die Art, wie wir leben, lernen und arbeiten, sondern - im globalen Maßstab - auch auf die Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital, sowie zwischen den Gesellschaften und den mächtigen transnationalen Konzernen.
Digitalisierung und die Ressource Mensch
Die Coronakrise beschleunigt den Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie und im Dienstleistungssektor durch Automatisierung und Robotisierung. Sie verstärkt die Expansion der globalen Datenökonomie, die dabei nun ihre eigene Nachfrage nach der Ressource Mensch entwickelt. Der Bedarf an dieser Ressource ist in der Datenökonomie jedoch völlig anders strukturiert als im klassischen Industriekapitalismus, dem es fundamental darum geht, sich einen Teil der von den Beschäftigten geleisteten Arbeit als Mehrwert, als Quelle von Profit, aneignen zu können.
Die Systeme der "Künstlichen Intelligenz" benötigen gigantische Mengen von Daten, um für die gewünschten Leistungen trainiert zu werden. Während ein Kleinkind schnell und unkompliziert lernt, etwa Katzen von Hunden zu unterscheiden, muss der Algorithmus dafür mit Millionen von Trainingsdaten gefüttert werden (weshalb das Wort "Intelligenz" hier eigentlich irreführend ist).
Der Datenkapitalismus braucht auf der einen Seite Menschen, die - für möglichst wenig Geld - diese Daten sammeln und aufbereiten. Und er braucht Menschen, die als Objekte für die Datengewinnung verfügbar sind. Er findet diese Menschen - als Arbeitskräfte und als Objekte - unter anderem in der globalen Armutsbevölkerung. Klickarbeiter erhalten ihre Aufträge, die sie in der Regel für Centbeträge erledigen, auf Crowdworking-Plattformen oder in den neu entstehenden "Klickfabriken" des globalen Südens. Hier wird die globale Armutsbevölkerung genutzt für das Sammeln von Rohmaterial, beispielsweise Fotos aus dem Straßenverkehr, und die Aufbereitung dieses Materials in Form von Daten für das Training "intelligenter" Maschinen.
In so einer Klickfabrik in Nairobi arbeiten ungefähr 1000 Menschen aus Kibera, einem der größten afrikanischen Slums, für neun Dollar am Tag. Im indischen Hyderabad wurden in einer Klickfabrik private Facebook-Posts aus aller Welt ausgewertet, um Daten für die KI zu generieren.
Wenn es um die Entwicklung von KI-Systemen in gesellschaftlichen Bereichen wie Bildung und Gesundheit geht, benötigen die Datenkonzerne den Menschen jedoch auch als Quelle. Sie brauchen ihn, um sein Gesicht, seine Mimik, seine Gefühlsausdrücke, seine Gesten, seine Körperfunktionen, seine Krankheitsverläufe, seine Ernährungsgewohnheiten, seine Bewegungsmuster, seine Vorlieben und Marotten in Daten zu verwandeln, mit denen die KI trainiert werden kann. Hier geht es nicht um Fleiß, Qualifikationen, diszipliniertes Arbeiten oder Schufterei. Um Menschen als Datenquelle nutzen zu können, müssen diese verfügbar und kontrollierbar sein. Auch dieses Verfügbarmachen findet im globalen Rahmen statt, vorzugsweise dort, wo die Rechtlosigkeit am größten ist.
Seit Jahren werden Menschen in Flüchtlingslagern ungefragt, und ohne dass sie sich wehren könnten, als Quelle für die Datenökonomie genutzt. In jordanischen Flüchtlingslagern werden Geflüchtete seit 2013 durch einen Iris-Scan registriert. Das UNHCR kooperiert dabei mit der britischen Firma IrisGuard. Ohne Iris-Scan bekommen die Geflüchteten weder Lebensmittel noch andere Hilfen. In den Supermärkten der Lager wird per Iris-Scan bezahlt. Die dabei entstehenden Daten über Konsum- und Ernährungsgewohnheiten von Millionen Menschen können vom UNHCR an Dritte weitergegeben werden. Mittlerweile werden 98 Prozent aller syrischen Flüchtlinge in Jordanien mit dieser biometrischen Technologie verwaltet.
Weltweit etablieren sich im digitalen Kapitalismus Geschäftsmodelle, die Profit erwirtschaften, indem sie alle möglichen Eigenschaften und Aspekte der Menschen und des gesellschaftlichen Lebens aufsaugen, in Daten verwandeln, diese zu Informationen verarbeiten, um damit Prognosen und Technologien zu entwickeln, die ihrerseits geeignet sind, Menschen zu manipulieren und zu kontrollieren.
In der Welt des Konsums hat sich dieses System bereits gut etabliert. Die Leute haben es freiwillig als sprechende Assistentin in ihren Wohnzimmern stehen oder sie tragen es als "smartes" Telefon in ihren Hosentaschen herum. Sie liefern ihre Daten kostenlos auf Facebook ab, oder in anderen "sozialen Medien".
"Smart Everything"
In der Coronakrise erlebten wir nun einen unfreiwilligen Digitalisierungsschub - erzwungenes Home-Office, Online-Unterricht, Videokonferenzen, Online-Kulturveranstaltungen, einen Boom des Online-Handels und vieles mehr. Die Digitalwirtschaft wittert Morgenluft.
Sie will diesen Krisenmodus zur neuen Normalität machen und noch weit darüber hinaus gehen. In einem Artikel auf der Plattform "The Intercept" schildert die Globalisierungskritikerin Naomi Klein, wie US-Tech-Giganten die Krise in New York, und den Schock der vielen Corona-Todesfälle, nutzen wollen, um in der Stadt einen, wie sie es nennt, "Screen New Deal" auf den Weg zu bringen - um New York, gefördert durch große Summen öffentlicher Gelder, in ein "lebendes Laboratorium für eine dauerhafte und hochprofitable berührungslose Zukunft zu verwandeln".
Naomi Klein hat 2007 in ihrem Buch "The Shock Doctrine" detailliert beschrieben, wie der IWF und andere Akteure des Neoliberalismus in den 80er und 90er Jahren die Schocks wirtschaftlicher Krisen ausnutzten, um ihre Strategien zur Umgestaltung der Gesellschaft durchzusetzen.
Heute nutzen die großen Digitalkonzerne den Schock der Coronakrise, um ihren Zukunftsvisionen den Weg zu bahnen. Der ehemalige Google-CEO Eric Schmidt leitet jetzt eine Kommission, in der die Post-Corona-Zukunft New Yorks entworfen werden soll. Für ihn stehen zunächst die Bereiche Telemedizin und Online-Unterricht im Vordergrund. Letztlich geht es aber darum, möglichst unser gesamtes Leben zu digitalisieren, mit Homeoffice, digitaler Schule und Hochschule, Smart Cities, Smart Home und "Smart Everything".
Um die Stadt mit einem "intelligenteren" Bildungssystem zu beglücken, hat Andrew Cuomo, New Yorks Gouverneur, zudem eine Patenschaft mit der Bill and Melinda Gates Foundation ins Leben gerufen. Klein zitiert einen Satz aus einer Präsentation von Eric Schmidt, in dem er das chinesische Modell positiv würdigt und argumentiert, dass "die Massenüberwachung eine Killeranwendung ist, aus der man viel lernen kann."
Das gibt uns einen Hinweis darauf, worum es den Digitalkonzernen in dieser Sache letztlich geht. Natürlich können sie allein schon durch die weitgehende Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens eine Menge Geld verdienen und Einfluss ausüben, etwa auf den Schulunterricht, auf die Entwicklung der Medizin und die Politik von Städten und Staaten. Im Hintergrund steht jedoch das globale Rennen um die Technologieführerschaft im KI-Bereich. Konkret geht es darum, im Wettbewerb mit China die Nase vorn zu haben.
Im Zentrum dieses strategischen Wettbewerbs steht die "Künstliche Intelligenz". Dafür brauchen die Tech-Konzerne den Zugang zu möglichst großen Mengen von Daten aus allen möglichen Bereichen des sozialen Lebens, der Gesundheit, der Privatsphäre. Sie stehen dabei in der schwierigen Konkurrenz mit einem totalitären Überwachungsstaat. Die Coronakrise bietet nun eine gute Gelegenheit, das gesellschaftliche Leben so umfassend zu digitalisieren, dass sie all die Daten sammeln können, die sie brauchen, um im globalen Rennen mit China als Sieger hervorzugehen.
Die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff hat vor Jahren den Begriff Überwachungskapitalismus geprägt. Sie bezeichnet damit ein System, das aus der massenhaften Sammlung von Daten Profit schlägt. Während im Kapitalismus des 20. Jahrhunderts der Gegensatz zwischen Industriekapital und Arbeiterschaft bestimmend war, stehe nun - so Zuboff - "das Überwachungskapital der Gesamtheit unserer Gesellschaft gegenüber".
Ein neuer gesellschaftlicher Antagonismus bildet sich, in dem auf der einen Seite die Entwicklungsinteressen der Digitalwirtschaft stehen, auf der anderen Seite die Interessen der Menschen an Autonomie und einem selbstbestimmten Leben.
Ob und wieweit die Gesellschaften der aktuellen Überrumpelungsstrategie durch die Tech-Konzerne vor dem Hintergrund der Coronakrise widerstehen können, ist ungewiss. Über die Umgestaltung wichtiger sozialer Bereiche wie Bildung und Gesundheit, über die fortschreitende Digitalisierung des Lebens und über die Frage, unter welchen Bedingungen und Eigentumsverhältnissen digitale Technologien für die Gestaltung der Zukunft eingesetzt werden, sollte von der ganzen Gesellschaft entschieden werden und nicht von Konzernen, die dabei ihren globalen Wettbewerbsvorteil suchen.
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