Gefangenenaustausch - CIA-Mann gegen Al-Qaida-Terroristin

Zwischen Pakistan und USA herrscht diplomatische Eiszeit. Grund dafür ist ein US-Geheimdienstmann, der in Pakistan wegen Mordes angeklagt werden soll

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Der Fall eines mutmaßlichen amerikanischen Geheimdienstlers, der in Pakistan zwei Straßenräuber erschossen hat, entwickelt sich zu einem diplomatischen Kräftemessen zwischen Washington und Islamabad. Der Amerikaner Raymond Davis tötete am 27.Januar zwei Pakistaner, die sich im Stadtverkehr auf Motorrädern genähert und versuchten hatten, ihn auszurauben. Pakistanische Sicherheitskräfte nahmen den Amerikaner daraufhin fest. Seitdem wartet Davis in einem Hochsicherheitsgefängnis der Millionenstadt Lahore auf seinen Prozess.

Die USA behaupteten zunächst, Raymond Davis verfüge über diplomatische Immunität und sei für das US-Konsulat in Lahore tätig. Zudem habe der US-Staatsbürger während des tödlichen Zwischenfalls in Lahore in Notwehr gehandelt. Die US-Regierung pocht auf die diplomatische Tätigkeit des Todesschützen Davis und verlangt eine sofortige Freilassung. Pakistans Behörden allerdings fürchten den Zorn der Bevölkerung im Fall einer Freilassung des Amerikaners und wollen Davis in einem Gerichtsprozess zur Verantwortung ziehen.

Inzwischen verdichten sich die Hinweise, wonach der festgenommene Amerikaner kein Diplomat oder Botschafts-Angestellter sondern in Wahrheit ein CIA-Mitarbeiter ist. Pakistanische Medien wollen ihn gar als Stationschef des US-Geheimdienstes in Pakistan identifiziert haben. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete unter Berufung auf amerikanische Behördenkreise, Raymond Davis sei als Mitarbeiter der CIA vor allem für den Personenschutz amerikanischer Botschaftsmitarbeiter tätig gewesen. Zudem soll Davis die beiden Männer gekannt haben, die er getötet hat.

Das diplomatische Klima zwischen den USA und Pakistan hat sich seit dem Vorfall Ende Januar drastisch verschärft. Medienberichten zufolge soll der pakistanische Geheimdienst ISI die für die Terrorbekämpfung äußerst wichtige Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen eingestellt haben. Das Beziehungen zwischen Islamabad und Washington, so melden Regierungskreise beider Länder, seien auf einem Tiefpunkt. Von Seiten der US-Regierung heißt es weiterhin offiziell, man bemühe sich weiterhin um die Freilassung des Staatsbürgers, mehrere Optionen stünden zur Wahl.

Wie der amerikanische Fernsehsender ABC News berichtete, soll die pakistanische Regierung den USA einen Tauschhandel vorgeschlagen haben. Raymond Davis, so das angebliche Angebot, komme frei, falls im Gegenzug die in den USA inhaftierte Pakistanerin Aafia Siddiqui nach Pakistan überstellt werde.

Aafia Siddiqui, eine Neurowissenschaftler, hatte 2008 nach ihrer Festnahme in Afghanistan, einen US-Soldaten erschossen und war im vergangenen Jahr zu 86 Jahren Haft verurteilt worden. Nach Erkenntnissen der US-Ermittler soll Siddiqui, die mit dem Neffen des 9/11-Chefplaners Khalid Sheikh Mohammed verheiratet war, mit dem Terrornetzwerk al-Qaida zusammengearbeitet haben. Medien tauften die 38jährige Pakistanerin deshalb "Lady Al-Qaida" (Lady Al-Qaeda).

ABC News berichtet, Pakistans Regierung verlange eine Auslieferung Siddiquis, mit dem Versprechen, die mutmaßliche al-Qaida-Terroristin werde in ihrer Heimat den Rest ihrer Haftstrafe verbüßen. Die Obama-Administration, so der US-Fernsehsender, würde das Angebot eines Gefangenenaustauschs derzeit nicht in Erwägung ziehen. Es handele sich, wie die pakistanische Zeitung Dawn berichtet berichtet, für die USA um zwei verschiedene Dinge. Stattdessen werde der diplomatische Druck auf Pakistan erhöht.

"Das Weiße Haus drohte, drei US-Konsulate zu schließen und den pakistanischen Botschafter in den USA auszuweisen, sollte Raymond Davis nicht freigelassen werden", so ABC News. Offiziell bestätigt wurden die diplomatischen Hintergrundgespräche nicht. Hussain Haqqani, Pakistans Botschafter in Washington, dementiert entsprechende Berichte über diplomatische Drohungen. US-Außenministerin Clinton lehnte gestern in einer Anhörung vor dem Ausschuss für Auswärtige Politik des Repräsentantenhauses ab, die Zahlung von Hilfsgeldern an Pakistan einzustellen, was den politischen Druck auf die US-Regierung deutlich macht.

Der Zeitung Washington Examiner sagte ein US-Regierungsvertreter, Pakistan gefährde die diplomatischen Beziehungen zu den USA erheblich. "Die pakistanische Regierung spielt ein gefährliches Spiel mit dem Leben eines unschuldigen Mannes", so die anonyme Quelle, "Sie werfen die diplomatische Immunität aus dem Fenster und halten die USA als Geisel."