Gegen Terrorismus und Klimawandel

Katastrophenschützer warnen: Klimawandel macht Extremereignisse wahrscheinlicher. Sie wollen sich gegen die Risiken wappnen wie gegen gewalttätigen Radikalismus

Armin Schuster will "eine Offensive für den Bevölkerungsschutz starten". Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe plant seine Behörde umzubauen und vergleichbar mit dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum des Bundes machen. "Ich kann uns nicht raten, die Corona-Krise als einmaligen Vorgang zu betrachten; das wäre fahrlässig", sagte Schuster in einem Zeitungsinterview: "Die Aufgabe unseres Amtes lautet, Deutschland für jedwede Krise widerstandsfähig zu machen."

Zum Beispiel die Erderhitzung. "Wir stecken längst mitten in den Folgeerscheinungen der Klimakrise", sagt Schuster. Dabei geht es auch ums Trinkwasser. Um für den Notfall vorbereitet zu sein, arbeitet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aktuell daran, Trinkwassernotbrunnen, Verbundleitungen und eine Notstromversorgung der Wasserwerke auf den neusten Stand zu bringen.

Laut Schuster sollen dafür bereits fast 60 Millionen Euro investiert worden sein. Aus Zeiten des Kalten Krieges gibt es noch 5.200 Brunnen für die Notversorgung mit Trinkwasser. Ursprünglich für den Zivilschutz im Verteidigungsfall angelegt, konnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz diese Brunnen reaktivieren.

Allerdings hat dieser Rettungsanker einen Haken: Nach dem sogenannten Wassersicherstellungsgesetz stehen im Ernstfall jedem Bürger 15 Liter Trinkwasser am Tag zu. Die 5.200 Not-Brunnen können aber nur etwa 25 Prozent der Bevölkerung versorgen.

Schlagartig bekannt wurde das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – kurz BBK – nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. 2012 hatte Deutschlands oberste Katastrophenbehörde in einer sogenannten Risiko-Analyse (ab Seite 55) nämlich einmal durchgespielt, was auf die Bundesrepublik zukommen würde, wenn in Asien ein hypothetisch neuer Virus namens Modi-SARS ausbricht und dann auf das Land zurollt: fehlende Masken, stark ansteigende Fallzahlen, Hamsterkäufe, ein Gesundheitswesen an der Belastungsgrenze, Lockdown.

"Es läuft so, wie es in unseren Worst-Case-Szenarien angelegt war", urteilte Ende März 2020 Christoph Unger, der damalige Präsident der Bundesbehörde. Die Experten hatten der Regierung 2012 auch Vorkehrungen empfohlen, beispielsweise einen Vorrat an Masken anzulegen. Aber das Amt hat nur empfehlende Kompetenzen, weshalb Atemschutzmasken und Schutzkittel für Ärzte plötzlich Mangelware waren. Erst Importe aus dem Ausland beendeten im Mai die Misere. Obwohl die "Risikoanalyse Pandemie" bekannt war, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): "Im Nachhinein ist man schlauer."

Insofern erscheint es hilfreich, sich einige der anderen "Risiko-Analysen" des Bundesamts anzusehen. 2018 untersuchten die Katastrophenexperten, was wohl in Deutschland passiert, wenn es eine schwere Dürre gibt. In der Einleitung heißt es:

Obgleich das hier untersuchte Szenario einen theoretischen und abstrahierten Ereignisverlauf beschreibt, haben die Erfahrungen des Jahres 2018 deutlich gemacht, wie relevant eine Analyse eines solchen Szenarios auch für Deutschland geworden ist." Der Klimawandel werde Dürre zu einer "häufiger vorkommende Herausforderung für Deutschland" machen.

In ihrem Szenario gehen die Katastrophenexperten davon aus, dass die Dürre sechs Jahre andauert. Grundlage ist die bislang extremste Trockenheit in Deutschland, für die meteorologische und hydrologische Beobachtungsdaten vorliegen: die Dürre zwischen den Jahren 1971 bis 1976. Auf diese Daten wurde ein "Klimaaufschlag" eingerechnet: ein Grad mehr Temperatur und 25 Prozent weniger Regen.

Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser sind die Folge, besonders dort, wo die Lage bereits heute angespannt ist. Die Hitzewelle stellt das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen, die Risikoanalyse prognostiziert bis zu 10.000 Hitzetote - gestorben an Lungen- und Herzversagen.

Im sechsten Jahr des Dürreszenarios wackelt die Stromversorgung, weil viele thermische Kraftwerke ihre Leistung drosseln müssen, bei gleichzeitig anziehender Stromnachfrage: Klimaanlagen verbrauchen mehr Strom, den Kraftwerken geht aber das Kühlwasser aus. Benzin wird regional knapp, weil fast die Hälfte aller Treibstoffe per Schiff angeliefert wird, die Schifffahrt wegen der geringen Pegelstände aber darnieder liegt. Es wird mehr Waldbrände geben und mehr Pleiten in der Landwirtschaft. Aber auch die Industrie ist betroffen, denn sie verbraucht ein Sechstel des Wassers in Deutschland - und das steht jetzt nicht mehr zur Verfügung.

Das dritte Dürrejahr in Folge

Drei Jahre nach der "Risikoanalyse Dürre" ging 2020 der dritte Dürresommer in Folge zu Ende. Im niedersächsischen Lauenau musste die Feuerwehr die Einwohner mit Wasser versorgen, in Ostsachsen vermeldeten 47 kleinere Orte Trinkwasser-Probleme. Flüsse wie die Schwarze Elster trockneten 2020 komplett aus, die Innerstetalsperre im Harz ist nur zu 33 Prozent gefüllt. Nicht nur Wälder sterben großflächig, sondern auch Stadtbäume; in Berlin fehlen zum Normalsoll 40 große Wassereimer auf jedem Quadratmeter.

Der Dürre-Monitor des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig zeigt im Juni 2021 auf der Deutschlandkarte vielerorts immer noch tiefrote Flächen, die höchste von fünf Trockenstufen. "Eine außergewöhnliche Dürre", sagt Andreas Marx, der für die Karte zuständig ist. Von der Lausitz über die Altmark, der Prignitz bis zum Fläming, im Steiger- oder Oden – "in einer Bodentiefe bis zu 1,80 Metern ist dort praktisch kein Wasser mehr vorhanden".

Der Deutsche Wetterdienst bilanzierte, dass 2020 in einigen Regionen mit 70 bis 100 Liter Regen je Quadratmeter weniger als die Hälfte der dort typischen Sommerniederschläge gemessen wurden.

Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt in Dessau glaubt, dass sich durch den Klimawandel die Konflikte um Wasser in den kommenden Jahren verschärfen: "Der Kuchen wird kleiner, aber es wollen immer mehr Leute davon essen." Neu sei, dass die Landwirte plötzlich mit am Tisch säßen. Bislang mussten die Bauern in Deutschland ihre Felder kaum bewässern, weil der Regen ausreichte. "Das ändert sich gerade und stellt unsere Systeme auf den Prüfstand", sagt Rechenberg.

Bisher habe die sogenannte Bewässerungslandwirtschaft in Deutschland erst einen Anteil von 2,7 Prozent. Der Leiter des Grundwasser-Fachgebiets beim Umweltbundesamt: "Die Beregnungsbedürftigkeit wird deutschlandweit tendenziell zunehmen, allerdings regional sehr unterschiedlich."

Zu wenig Wasser - natürlich haben sich die Katastrophenschützer auch mit dem Szenario "Wasser zu viel" auseinandergesetzt. 2014 untersuchte das Bundesamt, was wohl in Deutschland passiert, wenn eine besonders schwere Sturmflut zusammen mit einem Orkan in der Deutschen Bucht tobt.

Grundannahme ist, dass die Wasserstände an der Küste nicht höher als die Deiche sind, aber Wellen-Scheitelwerte auftreten, welche "die bisher beobachteten Hochwasserstände um etwa zwei Meter übertreffen." Es kommt zu Deichbrüchen, Überflutungen, 1.350 Quadratkilometer stehen in Norddeutschland unter Wasser.

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