Geheimdienstberichte über Inherent Resolve verschönt?

Der Generalinspekteur untersucht Vorwürfe, während die US-Luftangriffe den IS nicht groß geschwächt haben, aber die humanitäre Krise gewachsen ist

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit mehr als einem Jahr führen die USA mit einer Koalition einen Luftkrieg gegen Stellungen des Islamischen Staats in Syrien und im Irak, nachdem US-Präsident Obama 2009 ein Ende des Kriegs erklärt und die Truppen abgezogen hatte. Jetzt befinden sich wieder 3,400 US-Soldaten im Irak, die irakische Truppen offenbar mit wenig Erfolg ausbilden und beraten.

Irak hängt fast völlig von Ölexporten ab und stürzt nun mit den durch die China-Krise weiter fallenden Preisen in eine Finanzkrise, während die Zentralregierung und die Kurden über die Einnahmen aus kurdischen Ölgeschäften weiter streiten. Die Kurdische Regionalregierung will sich mit Ölverkäufen weitgehend unabhängig machen, Bagdad fordert, dass die Einkünfte über die Zentralregierung laufen müssen. Regierungschef Abadi fordert angesichts der sinkenden Öleinnahmen dazu auf, die Privatwirtschaft zu stärken und die Arbeitslosenrate zu senken. Dazu sollen 5 Billionen Dinar investiert werden. Währenddessen gibt es weiterhin Demonstrationen gegen die Regierung in Bagdad und in anderen Orten.

Seit der Rückeroberung von Tikrit, das noch immer weitgehend leer ist, hat sich trotz der militärischen Interventionen der US-geführten Koalition wenig verändert. Falludscha oder Ramadi werden noch vom IS kontrolliert, auch die Stadt Beiji ist weiter umkämpft, die Ölraffinerie im Norden wird vom IS gehalten. Am Verkauf des Öls soll der IS hier allein monatlich eine Million US-Dollar erzielen. Erfolge gibt es vor allem dort, wo kurdische Peschmerga- und PKK-Kämpfer auf dem Boden den IS zurückdrängen konnten. Dabei spielen die Luftangriffe sicher eine Rolle, aber nach einem Jahr der Luftkampagne bleiben die Erfolge bescheiden (Es werden noch mehr Flüchtlinge vor dem Winter kommen).

Bild: USAF

Gerade hat erst wieder ein US-General Erfolge im Kampf gegen den IS gemeldet. Die irakischen Sicherheitskräfte würden täglich Fortschritte bei Ramadi erzielen, sagte General Kevin Killea, Stabschef von Inherent Resolve. Das Problem sei vor allem die Entschärfung von Bomben, die Hauptwaffe des IS. Die Stadt Beiji sei schwer umkämpft, die ISF und die schiitischen Milizen, verschönt "popular mobilization forces" genannt, würden 80 Prozent der Stadt und die Raffinerien im Süden kontrollieren. Die Luftangriffe hätten die IS-Angriffe gebremst: "Der IS schickt Verstärkungen in das Kampfgebiet, wo die Luftangriffe der Koalition sehr erfolgreich waren, diese anzugreifen und zu eliminieren."

Die New York Times berichtet, dass der Generalinspekteur des Pentagon gerade Vorwürfe von "mindestens einem zivilen Mitarbeiter der Defense Intelligence Agency" untersucht, der behauptet, Beweise für Verfälschungen von Geheimdienstberichten durch das Hauptkommando (CentCom) zu besitzen. Dort würden Lageberichte, die den politischen Entscheidungsträgern und dem Präsidenten von zahlreichen Geheidiensten wie der CIA oder der DIA vorgelegt werden, verändert und verschönt, was die angeblichen militärischen Erfolge betrifft.

Die NYT kommentiert, dass verfälschte Lageberichte der Geheimdienste "neue Fragen über die Richtung des Kriegs gegen den IS der Regierung" entstehen lassen. Erklären ließe sich so, warum Äußerungen über Fortschritte so unterschiedlich ausfallen. Eine Untersuchung des Generalinspekteurs in Bezug auf Geheimdienstberichte sei sehr ungewöhnlich und verweise darauf, dass Konflikte über das normale Maß hinausgehen.

Nach Mitarbeitern der Geheimdienste, die Zugang zu den Dokumenten haben, sollen aktuelle Lageberichte u.a. der DIA ein düsteres Bild zeichnen. Seit letztem Jahr hätte es wenige Fortschritte gegeben. Die IS-Führungsebene sei kaum geschwächt worden, dafür habe sich der IS auf Nordafrika und Zentralasien erweitert. Ob in den Lageberichten etwa ein verstärkter Einsatz von Bodentruppen gefordert wird, wie manche republikanische Kritiker des Luftkriegs sagen, ist nicht bekannt. Der DIA-Direktor Vincent Stewart hatte in einer Kongressanhörung dieses Jahr jedenfalls gewarnt, dass die Entsendung von Bodentruppen den Konflikt in einen Krieg zwischen dem Westen und IS verwandeln würden, was der "beste Propagandasieg" für den IS wäre.

Vor wenigen Tagen ist erst ein Bericht der Generalinspektion über Inherent Resolve vorgelegt worden. Danach sind bis 30. Juni fast 8.000 Ziele zerstört worden. Gekostet haben die Luftangriffe bislang 3 Milliarden US-Dollar. 10.000 von 24.000 irakische Sicherheitskräfte seien bislang ausgebildet worden, in Syrien 60 "gemäßigte" Kämpfer. Die humanitäre Krise wachse, es komme immer wieder zu katastrophalen Vorfällen für Zivilisten. Der Kampf gegen den IS sei komplex, der Feind habe sich den Strategien angepasst, es gibt Probleme zwischen Anti-IS-Kräften, bei der Ausbildung. Erwähnt werden taktische Differenzen bei der Koordination von Luftschlägen und Bodentruppen sowie regionale Unterschiede.

Und man könnte Kritik aus dieser Beurteilung heraushören: "Auch wenn humanitäre Hilfe als strategische Ausrichtung in den Strategien der USA und der internationalen Koalition zur Besiegung des IS bezeichnet wird, sind diese Aktivitäten nicht mit den Militäroperationen unter Operation Inherent Resolve verbunden. Um Hilfe zu liefern, arbeitet die US-Regierung mit NGOs, UN-Behörden und internationalen Organisationen zusammen."