Geheimdienstkrieg Afghanistan

Die USA wollen sagenumwobene Taliban-Kommadozentrale in Quetta mit Drohnen angreifen - Pakistan widersetzt sich und prophezeit bittere Konsequenzen

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Was ist echt an Bedrohungslagen und was gehört eher zum Raunen der Fiktion, zum großen Geheimdienstroman unser Zeit? Jeden Tag gibt es neue Gelegenheit, sich dies zu fragen. Beide, der Afghanistan-Krieg wie der Irak-Krieg, sind Geheimdienstkriege. Was über die Dringlichkeit von Operationen, über den Stand der Dinge, berichtet wird, beruft sich grundlegend auf Geheimdienste, von Anfang an. Das zeigt sich auch im aktuellen Streit zwischen den USA und Pakistan. Die USA wollen ihre Drohnen-Operationen ausweiten und üben erneut Druck auf Pakistan aus. Die US-Führung hat dabei die Stammesgebiete an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan im Auge. Insbesondere aber Quetta, die Hauptstadt Belutschistans, nahe der Grenze zu Pakistan und übrigens auch zu Iran.

Die USA wollen dort Drohnen für gezielte Tötungen einsetzen, weil man davon ausgeht, dass in Quetta die maßgebliche Führung der Taliban ihren Rückzugsort hat, die sogenannte „Quetta Schura“. Diese soll sich aus Resten des ehemaligen Taliban-Regimes in Afghanistan zusammensetzen, angeführt vom früheren Staatschef Mullah Omar, und über enge Verbindungen zu anderen militanten Gruppen, etwa dem Haqqani-Netzwerk, verfügen. Wer sich in Quetta tatsächlich in welcher Funktion aufhält, wer schon getötet oder gefangen genommen wurde, welche Informationen dabei preisgegeben wurden, und wie es generell um den Einfluss der Schura auf die in Afghanistan agierenden militanten Gruppen aussieht – was darüber an die Öffentlichkeit gerät, unterliegt der Informationspolitik der Geheimdienste. Laut US-Informationen, die von der Washington Post wiedergegeben werden, dient Quetta nicht nur als Versteck von Talibanführern, sondern auch als Nachschubzentrum für „Geld, Rekruten und Sprengstoff“.

Offizielle Stellungnahmen der pakistanischen Regierung widersetzen sich dem amerikanischen Drängen. Die Begründung, wie sie vom Sprecher des Außenministeriums, Abdul Basit, heute übermittelt wird: Pakistan würde keine Kompromisse machen, wenn es um die Souveränität über eigenes Territorium ginge. Man fürchte die Folgen einer Erweiterung der Drohneneinsätze. Die USA müssten sich anhand der derzeit laufenden Drohnenoperationen doch klar darüber sein. Und: Man werde, was Quetta angeht, dem auf keinen Fall zustimmen - „no way“. Die Quetta Schura sei ein „reines Hirngespinst“. Es immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen, bezeichnete Basit als „absurd“.

Die pakistanische Regierung zögert aus nachvollziehbaren Gründen. Die Ausweitung der Drohneneinsätze führt zur Ausweitung der Kampfzone von Extremisten, zu mehr Terroranschlägen. Quetta wird nicht als Grenzstadt empfunden, sondern als zum Kerngebiet Pakistans gehörig. Schon seit geraumer Zeit beklagt das Land, dass sich die Ziele von Terroranschlägen asusgeweitet hätten. Dazu kommt, dass in Quetta und Umgebung das Risiko von zivilen Opfern bei Drohnenanschlägen erheblich ist.

Man bestreite nicht, dass es in Quetta oder Umgebung vielleicht „einzelne Mitglieder der Taliban“ gebe, wird ein hochrangiger pakistanischer Militär zitiert, aber den Eindruck zu erwecken, dass es dort eine Institution gebe, die Geschäfte der afghanischen Taliban „mikromanaged“, sei weit hergeholt. Sicher nicht weit hergeholt ist die Annahme, dass der pakistanische Geheimdienst ISI mit seinen bekannt engen Beziehungen zu den Taliban auf dem Laufenden ist, was in Quetta passiert – und auf seine Art Mikromanagement betreibt. Man will sich nicht erneut zum verlängerten Arm von US-Interessen machen, wie in den 1980ern, als man US-Unterstützung in Dollars und Waffen an militante Gruppen weitergab, heißt es auf pakistanischer Seite.

Ihr habt Zeitvorgaben wie die Wahlen im November und Rückzugsdaten wie Juli 2011 – und schaut dabei auf kurzfristige Effekte. Aber eure kurzfristigen Erfolgsvorgaben dürfen nicht unser langfristiges Leid bedeuten.

ungenannter pakistanischer Vertreter