Geheimsache Nebeneinkünfte
Die neue Verpflichtung zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten wird erst einmal auf den St. Nimmerleinstag verschoben
Nach erheblichen Skandalen um die Verstrickung verschiedener Abgeordneter mit dem RWE-Konzern, bei denen erhebliche Zahlungen ohne jedwede erkennbare Gegenleistung angenommen worden waren, wurde erheblicher Druck auf die Abgeordneten ausgeübt, nun ihre Nebentätigkeiten transparenter zu machen (Probleme mit verdeckten Lobbyisten).
Daraufhin hat sich noch der alte Bundestag zu einer Verschärfung der Verhaltensrichtlinien durchgerungen, die in einer neuen Geschäftsordnung des Bundestages niedergelegt worden sind. Danach müssen Abgeordnete, die mehr als 1.000 Euro monatlich oder mehr als 10.000 Euro jährlich zusätzlich verdienen, dies beim Bundestagspräsidenten anzeigen, der die Einkünfte wiederum veröffentlicht. Dies sollte eigentlich zu einer größeren Transparenz und einer neuen Vertrauensbasis zwischen den Abgeordneten und ihren Arbeitgebern, den Wählern führen.
Aber noch vor Inkrafttreten der neuen Regelung gab es Kritik aus den Reihen einiger Abgeordneter. Und schon bei seiner Antrittsrede im Bundestag hatte der neue Bundestagspräsident Lammert im Zusammenhang mit der neuen Praxis von „Übertreibungen“ gesprochen, bei denen „nachjustiert“ werden müsse. Genau dies hat er jetzt getan, indem er erst einmal abwarten will, was die Klagen von sechs Abgeordneten beim Bundesverfassungsgericht ergeben. Das kann nach Einschätzung von Experten Jahre dauern.
Lammert hat damit offenbar endlich einen Vorwand gefunden, mit dem er die Veröffentlichung der Abgeordnetenbezüge aus Nebentätigkeiten verhindern kann. Schon vor Wochen hat er sich nur nach erheblichen Protesten aus der Bevölkerung dazu durchringen können, die Ausführungsbestimmungen zu der neuen Geschäftsordnung des Bundestages zu veröffentlichen und an die Abgeordneten zu verschicken.
„Die klagenden Abgeordneten haben bei Gericht nicht einmal einen Eilantrag gestellt. Es scheint Herrn Lammert ausschließlich um eine Verzögerung der Veröffentlichungspflicht zu gehen“, schreibt Dagmar Schröder von Transparency International. In der gemeinsamen Presseerklärung von Campact, Transparency International und LobbyControl heißt es weiterhin:
Besonders pikant: Auf Nachfrage von LobbyControl hat die Bundestagsverwaltung bestätigt, dass alle Angaben zu den Nebentätigkeiten der Abgeordneten unter Verschluss bleiben sollen. Das betrifft auch die bisher gängige Veröffentlichung von Posten in Vorständen, Aufsichtsräten, Vereinen oder Stiftungen, die nicht von der anhängigen Klage betroffen ist. „Das Vorgehen von Herrn Lammert bedeutet einen Rückschritt in Sachen Transparenz, obwohl vom Bundestag eine Ausweitung beschlossen wurde – ein grotesker Vorgang“, kritisiert Ulrich Müller von LobbyControl.
Damit wird deutlich, dass es hier nicht um die Rechtssicherheit einiger Abgeordneter geht, sondern darum, in einer konzertierten Aktion einiger Abgeordneter, die gerade erst vom Bundestag verabschiedete Offenlegungspraxis möglichst bald wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Vollkommen unverständlich wird das Verhalten von Herrn Lammert und der sechs Abgeordneten, wenn man bedenkt, dass der Bundestag vor noch nicht allzu langer Zeit dafür gesorgt hat, dass die Konten aller Bürger vom Finanzamt durchleuchtet werden können, das Bankgeheimnis also stillschweigend abgeschafft worden ist. Außerdem wurde im vergangenen Jahr vom Bundestag gerade beschlossen, dass die Vorstände der großen Aktiengesellschaften alle ihre Bezüge offen legen müssen, um Korruption in der Wirtschaft vorzubeugen. Und jetzt wollen die Abgeordneten noch nicht einmal über die Höhe ihrer eigenen Nebeneinkünfte Rechenschaft ablegen? Das ist doch lächerlich.
So verwundert es eigentlich nicht, wenn schon im Jahr 2002 nach einer Umfrage der Arbeitsgruppe Perspektive Deutschland das Vertrauen der Deutschen in die Politiker fast auf dem Nullpunkt angekommen war:
Das Vertrauen in die politischen Institutionen hat einen dramatischen Tiefstand erreicht. Bundestag und Parteien haben kaum noch Rückhalt in der Bevölkerung: Nur drei Prozent der Bundesbürger vertrauen den politischen Parteien. 57 Prozent bewerten ihre Aufgabenerfüllung als schlecht und 80 Prozent sehen bei ihnen dringenden Verbesserungsbedarf. Ihre Forderungen: mehr Transparenz und Leistungskontrolle.
Gerade das aber wird durch den erneuten Vorstoß von Herrn Lammert und seinen fünf Kollegen und der einen Kollegin ad absurdum geführt. Statt für mehr Transparenz zu sorgen, kann nun erst einmal wieder im alten Stil weiter gekungelt und gemauschelt werden.
Die Online-Aktionsplattform Campact hat denn auch gleich zu einer Email-Aktion gegen den neuen Schachzug von Herrn Lammert aufgerufen. Und die Organisation Transparency International berichtet, dass in drei Tagen schon mehr als 2000 Menschen an der gemeinsamen Kampagne teilgenommen haben.
Der Staatsrechtler von Armin geht sogar davon aus, dass Herr Lammert mit seiner Verzögerungstaktik zum offenen Gesetzesbruch aufruft:
Die Entscheidung von Bundestagspräsident Lammert, vorerst keine Angaben zu Nebeneinkünften der Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichen, stellt die Ankündigung eines offenen Gesetzesbruchs dar. § 44a des Abgeordnetengesetzes sowie die Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete verlangen zwingend die Veröffentlichung der Angaben. Der Bundestagspräsident ist nicht befugt, die Anwendung des Gesetzes auszusetzen. Das könnte allenfalls das Bundesverfassungsgericht.
Fragt man sich doch, was haben Herr Lammert und seine fünf Kollegen sowie eine Kollegin eigentlich zu verbergen? Und für wen arbeiten diese Dame und die Herren eigentlich, für ihre Wähler?
Aber fragen Sie die Abgeordneten vielleicht am besten selbst. Neben Herrn Lammert (CDU) handelt es sich um die Abgeordneten Sybille Laurischk (FDP), Heinrich Kolb (FDP), Hans-Joachim Otto (FDP), Peter Danckert (SPD), Friedrich Merz (CDU) sowie Max Straubinger (CSU). Zu erreichen sind sie über die Webseite des Bundestages. Dort finden sich auch weitere Informationen, wie beispielsweise die von Lammert verfügten Ausführungsbestimmungen zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte und die verabschiedeten Verhaltensregeln für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
Vielleicht sollte man auch den jetzt wieder aufflammenden Streit um die Veröffentlichungspflicht der Nebenbezüge dazu nutzen, die Forderung nach Transparenz noch etwas weiter zu präzisieren. Denn es genügt ja eigentlich nicht, nur zu erfahren wieviel ein Abgeordneter dazu verdient, sondern man müsste auch wissen, woher das Geld eigentlich kommt.