Probleme mit verdeckten Lobbyisten
Mit CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer stürzt schon der zweite Unionspolitiker in diesem Monat über Geldzahlungen des Energiekonzerns RWE. TI-Vorstand Bäumel gegenüber Telepolis: Politikergehälter im Internet veröffentlichen
Am 8. Dezember erst hatte die Affäre um Zahlungen des Energiekonzerns RWE dem Bundesvorsitzenden des christdemokratischen Arbeitnehmerflügels, Hermann-Josef Arentz, sein Amt gekostet. Exakt zwei Wochen später, am heutigen Mittwoch, trat CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer zurück. Auch er hatte mehrere zehntausend Euro "Nebeneinkünfte" von RWE kassiert - ohne dafür eine ersichtliche Gegenleistung erbracht zu haben. Zwar vermeiden die meisten politischen Vertreter bei Stellungnahmen zu den beiden Fällen penibel, den Korruptionsbegriff in den Mund zu nehmen. Trotzdem ist die Debatte um Einflussnahme auf Abgeordnete voll entbrannt.
Harte Kritik übte der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer. Der Stromkonzern RWE habe offenbar ein "finanzielles Beziehungsgeflecht" unterhalten, so die Schlussfolgerung des Verfechters alternativer Energien. Der Konzern reagierte auf die Angriffe bereits mit einer "internen Untersuchung". Dabei sei herausgekommen, entgegnete eine RWE-Sprecherin, dass keine weiteren Spitzenpolitiker Zahlungen erhielten. An der Kritik des SPD-Politikers ändert das nichts:
Es handelt sich bei solchen Nebeneinkünften um eine legale Form der Korruption.
SPD-Bundestagsabgeordneter Hermann Scheer
In die gleich Kerbe schlägt Scheers Parteigenosse Jörg Tauss. Die Bürger hätten einen Anspruch darauf zu wissen, welche Interessen ihre Abgeordneten neben dem Mandat noch vertreten. Deswegen sollten Politiker ihre Nebeneinkommen grundsätzlich offenlegen.
Die Idee ist nicht neu. Bereits 1975 hatte das Bundesverfassungsgericht Abgeordnete in dem sogenannten Diäten-Urteil ausdrücklich dazu aufgefordert, von Zahlungen von Wirtschaftsunternehmen Abstand zu nehmen. Solche finanzielle Zuwendungen, so hieß es damals, seien mit dem "unabhängigen Status" der Abgeordneten nicht vereinbar. Verbindlich wurde die vom Gericht vertretene Meinung jedoch nie, weil keine der nachfolgen Bundesregierungen ein entsprechendes Gesetz erlassen hat.
Eben das kritisieren jetzt Organisationen zur Bekämpfung von Korruption - allen voran Transparency International (TI). Am 9. Dezember, dem ersten internationalen Anti-Korruptionstag, hatten die Aktivisten die Bundesregierung zur Ratifizierung der Anti-Korruptionskonvention der Vereinten Nationen aufgefordert. Es sei ein falsches Signal, dass nur gut ein Dutzend Staaten dieses Übereinkommen ratifiziert hätten, so der Vorsitzende von TI Deutschland, Hansjörg Elshorst. UN-Konventionen werden erst bindend, wenn sie von 30 Staaten ratifiziert wurden. Die Blüte der "legalen Form der Korruption" in Deutschland mag neben dem fehlenden internationalen Instrumentarium aber auch darauf zurückzuführen sein, dass das hiesige Strafmaß weitaus geringer als in anderen Ländern ist.
Jochen Bäumel, der dem Vorstand von TI Deutschland angehört, sieht im Fall des CDU-Generalsekretärs Laurenz Meyer ein Paradebeispiel für das Fehlverhalten von Abgeordneten. Der Christdemokrat habe "die Wahrheit stückchenweise herausgerückt", sagte Bäumel auf Anfrage von Telepolis. Das Festhalten der Parteivorsitzenden Angela Merkel an ihrem Generalsekretär sei auf "offensichtliche Fehleinschätzungen" zurückzuführen. Sie sei schlichtweg davon ausgegangen, dass sich der Skandal nur allzu leicht umgehen ließe.
Aber die Maßstäbe für moralisches Handeln von Politikern sind in der Bevölkerung schärfer geworden.
Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied von TI Deutschland
Einige CDU-Landesverbände hätten angesichts der öffentlichen Meinung vor negativen Konsequenzen bei den dort anstehenden Wahlen rechnen müssen. Aus diesem Grund habe zuletzt auch der Druck auf Meyer und Merkel aus der eigenen Partei stark zugenommen.
Die Kritiker der verdeckten Zahlungen an Abgeordnete sehen sich durch die beiden Finanzskandale in der CDU bestätigt. So fordert nicht nur TI eine Offenlegung aller Einkünfte von politischen Amtsträgern. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach sich in der Frankfurter Rundschau inzwischen sogar grundsätzlich gegen Nebeneinkünfte von Politikern aus.
Ganz pauschal finde ich, dass Abgeordnete Nebeneinkünfte nicht benötigen.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
Thierse wird es wissen, denn allein dem Bundestagspräsidenten sind die Abgeordneten Rechenschaft schuldig. Die Öffentlichkeit erfährt bislang nichts von dem Zubrot ihrer Vertreter. TI-Vorstand Bäumel fordert daher die "Veröffentlichung der Einkommen etwa im Internet". Es könne schließlich nicht sein, "dass Abgeordnete verdeckte Lobbyisten sind". Ob eine solche Forderung nach dem "gläsernen Abgeordneten" aber Aussicht auf Erfolg hat, ist trotz der andauernden Debatte ungewiss. Unmittelbar nach dem Rücktritt Meyers sprachen sich Mitglieder mehrerer Fraktionen bereits gegen eine solche Konsequenz aus.