Geheimwaffe gegen Rechtsruck: Soziale Sachpolitik nach Salzburger Art
Politisches Beben in Österreich: Kommunist in der Stichwahl um Bürgermeisteramt. Wie Linke in einer konservativen Stadt die Handlungsführung erlangten.
Die Frage, was gegen den Rechtsruck helfen könnte, zieht sich quer durch den deutschsprachigen Raum. Im Zusammenhang mit den Großdemonstrationen gegen die AfD in Deutschland wurde in den letzten Wochen viel diskutiert, ob Differenzen im demokratischen Spektrum nicht besser zurückgestellt werden sollten – und ob linke Kritik an den Parteien der Ampel-Koalition in dieser Situation angemessen ist.
Derweil bebt es in der österreichischen Politiklandschaft mal wieder – doch dieses Mal haben Linke dabei die Handlungsführung. In der erzkonservativen Stadt Salzburg kommen ein linker Sozialdemokrat und ein Kommunist in die Stichwahl um das Bürgermeisteramt.
Salzburgs politische Wende: Wird hier ein linker Traum wahr?
Der ehemalige Grüne Kay-Michael Dankl, der wegen Aufmüpfigkeit aus seiner alten Partei vertrieben wurde, erlangte am Sonntag mit der KPÖ plus ein Traumergebnis: Bei der Direktwahl zum Bürgermeisteramt erreichte er 28 Prozent. Bei der Gemeinderatswahl kam die KP auf mehr als 23 Prozent und stolze zehn Sitze.
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Ein bisschen hatte sich diese kleine Revolution abgezeichnet, allerdings fallen angekündigte Revolution bekanntlich gerne aus. Dass die konservative ÖVP so schlecht abschneiden würde und die an der Landesregierung beteiligte, in Teilen rechtsextrem zu nennende FPÖ bei den Kommunalwahlen nicht einmal das Spielfeld betritt, war nicht vorhersehbar gewesen.
Unendlich überraschend ist das Ergebnis nun auch wieder nicht. Die ÖVP büßte ihren "Kurz-Effekt" aus dem Jahr 2019 vollständig ein. Während Sebastian Kurz die Partei in seit langer Zeit unbekannte Höhen geführt hatte, ist sie heute auf Bundesebene mit ihrem Kanzler Karl Nehammer nur mehr auf dem dritten Platz.
Das Ergebnis von nur 20 Prozent für die ÖVP in Salzburg entspricht etwa dem der Wahl im Jahr 2014. Die Abwärtstendenz ist durchaus auch in den Landgemeinden nachweisbar. Die ÖVP verlor fast überall etwas – und manchen Bürgermeistersitz musste sie schmerzlich an die SPÖ abtreten.
Lagerstabilität war gestern: Konservative werden flexibel
Überraschend ist hierbei eher, dass sich die für die österreichische Provinz typische Lagerstabilität nicht zeigt. Im Allgemeinen wechseln konservative Wähler nur zwischen dem rechten und rechts-rechten Angebot von ÖVP und FPÖ hin und her.
Dem steht ein deutlich schwächeres linkes Lager gegenüber, das auf die SPÖ, die Grünen und auf die gesellschaftspolitisch als links wahrgenommenen, liberalen NEOS verteilt, deren Wirtschaftspolitik insbesondere in Salzburg aber noch unsozialer ist, als jene der ÖVP (Stichwort: Kosteneinsparung bei Frauenhäusern durch die ehemalige NEOS-Frauenlandesrätin).
Bei der aktuellen Wahl kristallisierte sich aber in Salzburg ein mächtiges linkes Übergewicht heraus. "Rot-Rot-Grün" kommt zusammen auf mehr als 61 Prozent, während die drei Parteien bei der Wahl 2019 gemeinsam nur 40 Prozent erreichten. Die ÖVP verliert 16 Prozent ihrer Stimmen, die FPÖ gewinnt aber nur zwei Prozent hinzu.
Hier müssen Wählerinnen die Lager gewechselt haben. Zudem gibt es eine höhere Wahlbeteiligung. Es steht zu vermuten, dass die KPÖ Plus ihren erstaunlichen Zuwachs von 20 Prozent durch ehemalige Nichtwähler erreichen konnte.
Die Krise des Neoliberalismus und die Angst vor Kommunisten
Einfach ist es traditionell nicht für Linke in der Provinz. Man fürchtet sich irgendwie ein bisschen, insbesondere vor den Kommunisten, ohne je sagen zu können warum. Glaubt jemand ernsthaft, dass die KP Umerziehungslager errichten will?
Der Kalte Krieg ist einfach noch in vielen Köpfen. Der österreichische Rundfunk fängt am Nachmittag in Salzburg Stimmen auf der Straße ein. Ein älterer Herr, der meint, die Kommunisten wolle er nicht, kann auch auf Nachfrage nicht sagen, warum. Das gehört sich einfach nicht.
Fast gleich alt und gleich unreflektiert sind die neoliberalen Erklärungsmuster. Ein irgendwie vornehm wirkender Herr malt einen anderen Teufel an die Wand, wobei er den Wahlausgang schon vorausahnt: Die Roten werden ein ausgeglichenes Stadtbudget übernehmen und haben dann viel Geld zum Ausgeben, meint er.
Auch in gebildeten Schichten sitzen die neoliberalen Klischees tief. Sei es das ausgeglichene Budget, die "schwäbische Hausfrau" oder die "schwarze Null". Immer wird hierbei ein Gemeinwesen mit einem Krämerladen verwechselt.
Die Frage ist nicht, ob es Umverteilung gibt, sondern welche
Eine Stadt wie Salzburg, das gleichnamige Bundesland oder die Republik Österreich sind zwangsläufig Institutionen, die Umverteilung betreiben. Bei Wahlen soll darüber entscheiden werden, wie diese Umverteilung läuft – ob von unten nach oben oder von oben nach unten.
Linke Politik hat das Problem, dass die Umverteilung von unten nach oben von weiten Teilen der Medienlandschaft propagiert wird. Sie bekommt Wortranken umgehängt, in denen die Vokabeln "vernünftig", "verantwortungsvoll" oder "zukunftssicher" nicht fehlen dürfen.
Aber irgendwie funktioniert das gerade in Österreich nicht mehr so richtig. Die Immobilienkrise zieht ihre Kreise. Die Pleite von René Benko und seinem Signa-Konzern vermasselt die bekannte neoliberale Erzählung zunehmend.
Rechte und Neoliberale ohne Antwort auf Mietenproblem
Die Stadt Salzburg ist zudem ein sehr teures Pflaster: Die Mieten steigen von Jahr zu Jahr. Und das, obwohl konservative Politiker "vernünftig" gewirtschaftet haben und genau jene milliardenschweren Baukonzerne üppig alimentiert haben, die jetzt sukzessive in Österreich pleitegehen.
Insbesondere bei Public-Privat-Partnership Modellen zeigt sich ein immer gleiches Muster: Private Investoren bekommen Steuergeschenke und billiges Land – das ist Umverteilung nach oben. Begeistert lassen "verantwortungsvolle" Politiker sich mit den Baulöwen ablichten.
Wenn es später um die Mühen der Ebene geht, also den jahrzehntelangen Betrieb von öffentlichen Gebäuden, dann erkennen die Konzerne schnell, dass da nur Geld hineingesteckt werden muss und kaum mehr etwas herausspringt. Nicht selten sind sie dann verschwunden.
Überhaupt sind Gebäude letztlich Waren, die es möglichst gewinnbringend abzustoßen gilt, um dann Gelder für neue Projekte einzusammeln. So verkümmert allmählich ein Gemeinwesen. In Salzburg wird dies augenscheinlich. Für die einen wird alles teurer, dysfunktionaler und hässlicher, während andere immer größeren Reichtum anhäufen.
Beratungsarbeit für Betroffene statt ideologischer Debatten
Wie "zukunftssicher" dieses Wirtschaftsmodell, das immer dem nächsten "Bauboom" hinterherjagt, angesichts der Klimakrise noch ist, dürften sich auch immer mehr Menschen in Salzburg fragen.
Die KPÖ plus hat klug auf das Thema Wohnen, Wohnungsbau und Mietkosten gesetzt – und sie macht den Wandel zu einer sozialeren Politik glaubwürdig. Das hat viel mit ihrer Bereitschaft zu tun, Beratungsarbeit zu leisten und tatsächlich für die Menschen da zu sein.
Kay-Michael Dankl saß fünf Jahre lang als einziger KP-Abgeordneter im Salzburger Stadtrat und empfing in seinem zehn Quadratmeter großen Büro besorgte Bürger. So etwas macht anscheinend dann doch Eindruck und wird populär.
Damit gelingt es KPÖ plus, den gordischen Knoten der Lokalpolitik zumindest etwas zu durchschlagen. Programmatische und ideologische Arbeit, die Linke bekanntlich so lieben, geht meist gegenüber dem Betreiben eines regionalen Räderwerks unter, das nicht sonderlich parteipolitisch ist.
Soziale Frage: Links und Rechts in der Kommunalpolitik
Am Ende entscheidet über Erfolg und Misserfolg, wer wem zu welchem Posten verhilft und wer wem Bauland versprechen kann. Mehr ist oftmals nicht dahinter. Genau dieses Modell gerät an sich in die Krise.
Dadurch entsteht ein Potenzial für politische Veränderungen auf kommunaler Ebene. Die KPÖ hat dies erkannt und für einen beachtlichen Erfolg genutzt. Neben Salzburg Stadt konnten auch in umliegenden Gemeinden Mandate errungen werden.
Zugleich konnte die SPÖ einige Gemeinden "drehen" und stellt dort nun die Bürgermeister oder geht in die Stichwahlen in zwei Wochen. Darüber, inwieweit die Notwendigkeit etwas zu ändern auch bei den Sozialdemokraten ins Bewusstsein vorgedrungen ist, darf – wie immer bei der SPÖ – natürlich gerätselt werden. Aber auch die großen Roten wollen in Salzburg etwas nach links.
Glaubwürdige Sachpolitik als Mittel gegen den Rechtsruck
Ein wirklicher Linksruck ist das noch nicht, zeigt aber, wie glaubwürdige Sachpolitik ein Mittel gegen Rechts sein kann. Die konservativen Versprechungen der Allianz aus ÖVP und Raiffeisen-Sparkasse sind immer weniger lebbar und das "patriotische" Getöse der FPÖ wirkt in der Kommunalpolitik schlicht weltfremd. Außerdem: Parteimitglieder, die bereit sind in die Niederungen der Sachpolitik hinabzusteigen, finden sich selten oder nie unter Rechtsextremen.
Ob das auch ein Mittel sein kann, den Aufstieg der Rechten bei der Nationalratswahl im Herbst zu stoppen, muss sich erst noch zeigen.