Gehören Online-Demos zu den Bürgerrechten?
Die Stiftung bridge will Zivilcourage in der digitalen Gesellschaft fördern und unterstützt neben "Libertad!" die Online-Kampagne von attac gegen Softwarepatente
Internetdemonstrationen sind eine relativ neue Protestform, die in der nächsten Zeit an Bedeutung gewinnen dürften. Gleichzeitig gibt es Versuche, diese neuen Protestformen zu kriminalisieren und zu verbieten. Eine neue Art von Zivilcourage will die Stiftung bridge mit ihren Preisen fördern. "Bridge" steht für "Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft".
Die Stiftung wurde 2003 unter dem Dach derBewegungsstiftung gegründet und hat Ende 2003 zum ersten Mal die jährlichen 15.000,- EUR an Fördergeldern vergeben. Anlässlich der Stiftungsgründung wurde, abweichend vom normalen Antragsverfahren, ein Ideenwettbewerb ausgerufen. Gewinner war der Foebud e.V. aus Bielefeld ("Wir wollen die Welt verbessern") mit der Idee, ein Data Privatizer genanntes Gadget zu entwickeln, mit dem man RFID-Chips und deren Lesegeräte aufspüren kann.
In der Förderrunde 2004 entschieden der Beirat der Stifter und der Stiftungsrat zugunsten einer Anschlussförderung zur Fortführung der RFID-Kampagne des Foebud e.V. Als zweites Projekt wurde die von der attac AG Wissensallmende und der Grünen Jugend initiierte Fairsharing Kampagne gefördert. Bei dieser Kampagne geht es darum, den DRM- Plänen und der Hatz auf Filesharer in der Form zu begegnen, dass man Alternativen dazu aufzeigt. In Anknüpfung an die Berlin Declaration von Volker Grassmuck fordert die Fairsharing Kampagne, die Einführung einer Pauschalabgabe, "Kulturflatrate" genannt, und im Gegenzug die Legalisierung von P2P-Systemen.
In diesem Jahr wurde die Initiative Libertad!, deren Aktivisten sich wegen einer Internetdemonstration gegen die Abschiebepolitik der Lufthansa nächste Woche vor Gericht verantworten müssen, von Bridge ausgezeichnet (Nötigung oder legitime Protestform?). Überdies fördert die Stiftung dieses Jahr zwei Projekte, die gegen Softwarepatente arbeiten und neue Formen von Online Demonstrationen erproben. Zum einen ist hier wieder die attac AG Wissensallmende zu nennen, die in ihrer europaweiten Kampagne gegen Softwarepatente zu einer neuen Form der Online-Demo aufruft. Wer gegen Softwarepatente protestieren will, kann bis 4. Juli ein Bild von sich auf die Website Stoppt Softwarepatente posten. Aus diesen Bildern wird wiederum ein großes Bild mit der Demonstrationsforderung "No e-Patents" zusammengesetzt und der Öffentlichkeit präsentiert. Je mehr Leute mitmachen, umso höher die Auflösung des Bildes. Der aus den Fotos zusammen gesetzte Slogan wird schließlich zwei Tage vor der Abstimmung im Europäischen Parlament in Straßburg als großer Banner entrollt werden.
Gefördert wird ebenfalls der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V., der zu Website-Schließungen aufrufen, um gegen Softwarepatente zu demonstrieren. Die Startseite der eigenen Website soll dabei durch eine Protestnote ersetzt werden, wie der FFII dies schon einmal erfolgreich organisiert hat. Doch der FFII belässt es nicht nur bei Online-Demonstrationen, sondern ruft die Menschen auch zu realen Versammlungen, z.B. in Berlin und Brüssel, auf. Gerade weil aber immer weniger auf nationaler Ebene entschieden wird, werden die Fahrtwege zu Demonstrationen weiter, z.B. nach Brüssel und somit die Beteiligung grundsätzlich auch geringer. Daher werden Online-Demonstrationen und das Recht darauf in Zukunft immer wichtiger.
Frank Hansen ist Gründungsstifter der Stiftung bridge und sitzt im Beirat der Bewegungsstiftung.
Was ist das Ziel der Stiftung Bridge?
Frank Hansen: Die Stiftung bridge möchte einen Beitrag zum Erhalt und Ausbau der Bürgerrechte in unserer digitalisierten Welt leisten. Dazu unterstützt die Stiftung soziale Bewegungen, die im Sinne des Stiftungsziels arbeiten, mit Geld und Know-How. Dass beim Thema Bürgerrechte in der schönen neuen digitalisierten Welt einiges im Argen liegt, dürfte spätestens seit 9/11 und den Gesetzesverschärfungen zur so genannten Terrorbekämpfung unbestritten sein.
Warum erachten Sie gerade den Online-Protest als besonders förderungswürdig?
Frank Hansen: Das Internet ist mehr als ein Marktplatz bzw. eine erweiterte Telefonleitung. Es ist ein sozialer Raum. Daher ist die angesprochene Neudefinition von Grundrechten längst überfällig. Dies zeigt sich an einem der diesjährigen Förderprojekte, nämlich Libertad!, die in dieser Woche wegen ihrer Online-Demonstration "deportation.class" gegen die Lufthansa im Jahre 2001 vor Gericht stehen Im Gerichtsverfahren wird es nun darum gehen, ob diese Art der Demonstration eine Form der Nötigung darstellt. Dabei steht aber die grundsätzliche Frage im Raum, wie man im Internet überhaupt demonstrieren kann, ohne zu blockieren. Muss man also online sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aufgeben, nur weil dies im Internet-Protokoll nicht vorgesehen ist und sich die Behörden nicht zuständig fühlen, wenn man eine Online-Demonstration anmelden möchte? Bis also das Online-Demonstrationsrecht grundsätzlich geklärt ist, müssen sich Gruppen bemühen, Wege zu finden, wie man unter Benutzung des Internet demonstrieren kann, ohne gleich angeklagt zu werden.