Geht der Wahlkampf 2.0 an der Zielgruppe vorbei?

Die Parteien setzen auf das Internet und auf soziale Netzwerke. Aber werden sie dort wahrgenommen?

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Vorbei die Zeiten, da Politiker sich damit begnügen konnten, ihre Duelle in den klassischen Medien auszutragen, fleißig Plakate zu kleben und die Wechselwähler auf den Straßen und Plätzen einzusammeln. Die Urnengänge des 21. Jahrhunderts werden (auch) im Internet entschieden. Das behauptet zumindest ein Großteil der veröffentlichten Meinung und der einschlägigen Experten. "Das Internet wird den Wahlkampf bestimmen wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik", meinte BITKOM-Präsident Dieter Kempf bei der Vorstellung der Studie "Demokratie 3.0 - Bedeutung des Internets für den Bundestagswahlkampf" im Mai 2013.

Sigmar Gabriel wollte sich damit nicht ohne weiteres abfinden und behauptete kurze Zeit später auf dem SPD-Konvent: "Das wichtigste technische Hilfsmittel im Wahlkampf ist nicht das Internet, es ist der Klingelknopf." Doch auch unter Sozialdemokraten hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man die Wählerinnen und Wähler nicht unbedingt an der Haustür behelligen muss, um ihnen wichtige Botschaften aufzudrängen.

Web 2.0: Auch das Angebot der Piraten ist kaum bekannt

Die Kandidaten vertrauen denen, die vermeintlich mehr von der Sache verstehen. "86 % der Bundestagsabgeordneten haben mindestens ein Social-Media-Profil", heißt es in der BITKOM-Studie. Die meisten präferieren Facebook, gefolgt von Twitter, YouTube und XING – wohl auch deshalb, weil dieselbe Studie - wie andere Erhebungen, Einschätzungen und Mutmaßungen - davon ausgeht, dass in der Gruppe der 18-29-Jährigen allenfalls noch das Fernsehen in der Lage ist, dem Internet als News-Medium Paroli zu bieten.

Das Master-Seminar "Politik-Marketing" an der Universität Hohenheim, das 814 sogenannte "High Potentials" aus Baden-Württemberg zu den Social Media-Auftritten und zur allgemeinen Wahrnehmung der Parteien befragte, konnte diese These bestätigen. Für die 17- bis 30-Jährigen, die allesamt über einen höheren Bildungsabschluss verfügten, waren Internet (85 Prozent) und Fernsehen (82 Prozent) die wichtigsten politischen Informationskanäle. Die einst obligatorische Zeitung landete abgeschlagen auf Platz 3 (51 Prozent).

Scheinbar optimale Voraussetzungen für die Parteien, die im Wahljahr 2013 mit zahlreichen Web 2.0-Angeboten aufwarten und über Stiftungen auch entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen fördern. Doch bei den Jungwählern – in diesem Fall auch noch bei gut ausgebildeten möglichen Entscheidungsträgern von morgen und übermorgen - sind gerade die Social Media-Auftritte kaum bekannt. Auf einer Skala von 1 ("kenne ich überhaupt nicht") bis 7 ("kenne ich sehr gut") kamen die Konkurrenten in der Hohenheimer Umfrage nicht über Durchschnittswerte zwischen 1,4 (Die Linke) und 2,33 (CDU) hinaus. Auch die Piratenpartei, die im Web 2.0 groß geworden ist, konnte hier keinen Heimvorteil erzielen. Der Bekanntheitsgrad ihrer Angebote erzielte lediglich einen Durchschnittswert von 1,52.

Droht also eine Wiederholung der ernüchternden Bilanz, die eine Studie der Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften nach der letzten Bundestagswahl zog?

Die intensiv diskutierten Web-2.0-Angebote spielten im bundesdeutschen Wahlkampf 2009 kaum eine Rolle. Nur wenige Prozent der Nutzer griffen auf sie zurück, und dann meistenteils nicht aktiv-partizipierend, sondern als passive Beobachter. Der Weg zu einer netzbasierten Beteiligungsdemokratie, wie sie im Zusammenhang mit dem amerikanischen Internetwahlkampf schon euphorisch beschworen wurde, ist daher noch weit.

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