Gemeinsam auf der Suche
Bei einem Distributed-Computing-Projekt sollen mögliche Medikamente gegen die Lungenkrankeit SARS gefunden werden
Wie in den letzten Jahren meist geschehen, hat irgendein Scherzkeks auch im Fall der Lungenkrankheit SARS, die sich noch stärker als Panik oder als Mem denn als globale Epidemie ausbreitet, versucht, die Aufmerksamkeit auszubeuten, um einen Computervirus zu verbreiten. Der Coronex- oder Sars-Wurm scheint jedoch harmlos zu sein und bislang eher zu schlafen. Wer aber bei der Bekämpfung der SARS-Epidemie tatsächlich mithelfen will, könnte sich einem Projekt des verteilten Rechnens anschließen, um dabei zu helfen, in Arbeitspausen seinen Computer mögliche Wirkstoffe gegen den Virus finden zu lassen.
Der Virologe David Baltimore, der für seine Forschung über Retroviren 1975 den Nobelpreis erhalten hat, kritisiert die Sensationsberichte in den Medien über SARS:
"Genau so wie uns die Medien kürzlich eine neue und besonders intime Wahrnehmung des Krieges vermittelt haben, erhalten wir jetzt eine neue und besonders angsterfüllte Wahrnehmung einer medizinischen Krise mit SARS, in der eine medienvermittelte Vorsorgeepidemie nach persönlicher Sicherheit das Risiko des wirklichen Virus für die allgemeine Gesundheit weit übertrifft."
Baltimore sieht die Angst vor einer Milzbrandinfektion im Oktober 2001 als einen Vorläufer dieser Panik. Damals starben 5 Menschen, dagegen würden jährlich 400.000 an den Folgen des Tabakkonsums sterben. Zwar gäbe es in China oder in Kanada ein ernstes Problem, nicht jedoch in den USA. Bei aller Ansteckbarkeit und Ausbreitung sei SARS eigentlich vergleichsweise harmlos. Bislang 375 Tote und ein paar tausend Infizierte weltweit seit Ende des letzten Jahres seien noch keine Katastrophe. Allein in den USA, so Baltimore, würden in einem durchschnittlichen Winter 36.000 Menschen an Grippe sterben.
Gleichwohl ist SARS nach dem Irak-Krieg zum Topthema der Medien auch in Ländern geworden, die zumindest bislang kaum davon berührt sind. In Peking hingegen, der wohl am härtesten betroffenen Stadt, ist bereits eine Massenpanik ausgebrochen. "Die Panik und der Angstfaktor in der allgemeinen Öffentlichkeit", so der neu eingesetzte Bürgermeister der Stadt Wang Qishan, "sind zu einem großen Problem geworden." Wahrscheinlich ist jedenfalls die andauernde Medienberichterstattung und die um sich greifende Angst vor der geheimnisvollen Krankheit auch mit ein Grund, warum man die Suche nach einem Medikament in die Angebotsliste des distributed computing Projekts gesetzt hat. Das verschafft Aufmerksamkeit, die man auch benötigt, um das Projekt bekannt zu machen und möglichst viele Mitwirkende zu finden.
Ursprünglich ist das "Drug Design and Optimization Lab" (D20L) vom Rothberg Institute For Childhood Diseases mit der Unterstützung von Sun Microsystems eingerichtet worden, um kostengünstig und effizient nach möglichen Heilmitteln gegen Kinderkrankheiten zu suchen. Nach dem 11.9., dem Anschlag mit Milzbrandpulver in Briefen und der wachsenden Angst vor biologischen Waffen hat man sich dann der Suche nach Mitteln gegen diese zugewandt.
Die von Sengent entwickelte Software können sich Interessiere herunterladen. An die Teilnehmer wird die Molekülstruktur eines Pathogens wie Milzbrand, Ebola, Pest, Pocken, Botulinus oder eben neuerdings Sars über das Internet zusammen mit möglichen Kandidaten für ein Heilmittel geschickt. Das Programm sucht in der Zeit, in der am Computer nicht gearbeitet wird, bei den jeweiligen dreidimensionalen Strukturen nach Andockmöglichkeiten, also gewissermaßen nach den Schlüsseln, die in das Schloss passen. Besonders aufwendig ist diese Suche, weswegen verteiltes Rechnen hier den Prozess sehr schleunigen kann, dass es verschiedene räumliche Anordnungen der Moleküle, sogenannte Konformationen, gibt. Das Programm erzeugte eine Reihe dieser Konformationen und probiert sie durch, in dem mit genetischen Algorithmen die jeweils niedrigsten Andockenergie gesucht wird. Die Ergebnisse werden nach 10-30 verschiedenen Konformationen wieder an die Server zurückgesendet und neue Schlüssel geschickt.
Bislang haben bereits 15.000 Menschen die D2OL-Software heruntergeladen, um bei der Bekämpfung der Lungenkrankheit zu helfen, ohne dass dafür bislang Werbung gemacht worden ist. "Die Website ist bislang recht langsam gegangen", sagte Bonnie Rothberg vom Rothberg Institute gegenüber Wired, "aber zu unserer großen Freude hat sie sich jetzt viral verbreitet. Wir verbessern sie, so schnell wir können."
Das Rothberg Institute arbeitet mit der Fudan Universität in Shanghai zusammen. Entstehen aus dem Projekt interessante Hinweise, werden die Informationen an die chinesischen Wissenschaftler weiter gegeben, die dann die entsprechenden Moleküle an Kulturen des SARS-Virus testen. Bislang hat man aber noch keine wirkliche Spur für ein Medikament gefunden.