Gender-Wirrwarr in Bayern: Liebe Söderinnen und Söder...

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (rechts) im Fastnachtskostüm mit Gattin. Foto: Stefan Brending / CC-BY-SA-3.0 DE

Nicht nur das Gendern ist umstritten – sondern offensichtlich auch, was damit gemeint ist. Was bleibt an bayerischen Schulen erlaubt?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kann sich durch bundesweite Umfragen, Redaktionsentscheidungen in Berlin und ein Volksbegehren in Baden-Württemberg bestätigt fühlen – das Gendern, zumindest das mit Sonderzeichen, wird sich wohl in nächster Zeit nicht durchsetzen.

Selbst wenn er in bayerischen Schulen und Behörden nicht verbieten würde – dass er dies trotzdem plant, wird von Bildungsverbänden und SPD-Frauen kritisiert. Allerdings scheint hier teilweise auch gründlich aneinander vorbeigeredet zu werden.

"Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen", sagte Söder in seiner ersten Regierungserklärung der neuen Legislaturperiode.

Er machte allerdings keine näheren Angaben, welche Formen geschlechtergerechter Sprache dieses Verbot umfassen soll. In der 76-minütigen Rede ging es noch um zahlreiche andere Themen als das Gendern. Ziemlich sicher meinte er damit – auch oder vor allem – die Verwendung von Sonderzeichen wie Genderstern, Gap oder Doppelpunkt in Gruppenbezeichnungen, die alle Geschlechter mit einschließen sollen.

Denn auf die Frage, ob die CSU nun die neue Verbotspartei sei, entgegnete Söder laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung: "Im Gegenteil, wir verhindern, dass es Verbote gibt, nämlich das Verbot zu reden, wie man es bislang gemacht hat."

Auch Söder spricht von "Mitbürgerinnen und Mitbürgern"

Bislang hat die CSU zumindest nicht ausschließlich das generische Maskulinum verwendet, wenn sie Männer und Frauen ansprechen wollte. Auch Söder spricht durchaus von "Mitbürgerinnen und Mitbürgern" – eine Lösung, die von queerfeministischer Seite kritisiert wird, weil sie nichtbinäre und intergeschlechtliche Menschen außen vor lasse.

Ein Teil der kritischen Stimmen erweckte aber den Eindruck, dass Söder auch die Verwendung von Gruppenbezeichnungen mit weiblicher Endung verbieten und Lehrkräften die Anrede "Liebe Schülerinnen und Schüler" verbieten will.

Laut einem Bericht der Abendzeitung hat die Bundesvorsitzende der SPD-Frauen, Maria Noichl am Mittwoch "aufgedeckt", dass im Wahlprogramm der CSU für die Landtagswahl 2023 wie selbstverständlich von "Bürgerinnen und Bürgern", Lehrerinnen und Lehrern", "Pflegerinnen und Pflegern" die Rede war.

"Ich habe den dringenden Verdacht, dass Herr Söder nicht weiß, dass er selbst und seine CSU jeden Tag gendern, was das Zeug hält", so die SPD-Politikerin. Versteht er das tatsächlich darunter?

Auf Anfrage des Senders BR24, wie das Verbot konkret aussehen könnte und welche Sanktionen denkbar wären, teilte ein Sprecher am Mittwoch lediglich mit: "Gestern in der Regierungserklärung ist alles gesagt worden, Details werden nun erarbeitet."

Bei einem Schulbesuch m Donnerstag in München sagte Söder laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa, dass es um einen "alltagsnahen, pragmatischen Umgang mit dem Thema Gendern" gehe. Gemeinsam mit den Schulen sollen demnach Lösungen entsprechend der Linie des Rats für deutsche Rechtschreibung gefunden werden.

Das Empfinden, dass Sonderzeichen wie Genderstern oder Doppelpunkt den Lesefluss stören, scheint allerdings keine bayerische Spezialität zu sein: Auch der besagte Rat der deutschen Rechtschreibung hat sie bisher nicht ins amtliche Regelwerk aufgenommen.

Der Berliner Tagesspiegel hat unterdessen das Gendern mit Sonderzeichen in der Printausgabe nach knapp drei Jahren weitgehend wieder aufgegeben, weil es nach Angaben der Redaktion zu viele Beschwerden und Abo-Kündigungen mit dieser Begründung gab. Im Plural soll es nun in der Regel "Politikerinnen und Politiker" statt "Politiker:innen" heißen. Dies bestätigte eine Sprecherin des Verlags vergangene Woche dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Lediglich "Experimente" mit neuen Formen des Plurals betroffen

Anfang 2021 hatte sich die Tagesspiegel-Redaktion Leitlinien für den Umgang mit geschlechtergerechter Sprache bekanntgegeben. Die hatte es seitdem den Autorinnen und Autoren für die meisten Texte freigestellt, auch mit Sonderzeichen zu gendern. Das kam offenbar nicht gut an. Einen "Anti-Gender-Befehl", wie die Bild berichtet hatte, gibt es beim Tagesspiegel aber nach Angaben der Redaktion nicht.

Lediglich "Experimente" mit den neuen Formen des Plurals gelten wohl als gescheitert. Die Redaktion verzichte nun "bis auf Weiteres und weitgehend auf die Verwendung von Gendersternen und Doppelpunkten zum Gendern in der gedruckten Zeitung und dem E-Paper", heißt es in einem Statement der Chefredaktion laut dem Branchenportal kress.de. Ausnahmen seien Gastbeiträge sowie Interview-Antworten von Personen, die dies wünschten.

Es stimme aber nicht, dass ansonsten geschlechtsneutrale oder gendergerechte Sprache im Tagesspiegel abgeschafft werde, stellt die Chefredaktion klar. Wo angebracht oder nötig, sollen demnach die männliche und die weibliche Form ("Künstlerinnen und Künstler") und geschlechtsneutrale Beschreibungen ("Studierende") verwendet werden.

Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für das Nachrichtenportal von t-online lehnen rund 80 Prozent der Bevölkerung ab 18 Jahren das Gendern ab – die entsprechende Frage wurde allerdings ungenau gestellt.

Sie lautete: "Finden Sie geschlechtergerechte Sprachformulierungen ("gendern") persönlich eher gut oder schlecht?" Die Antwortmöglichkeiten waren "eindeutig gut", "gut", "unentschieden", "eher schlecht" und "eindeutig schlecht".

Ob sich die meisten Befragten darunter vor allem das Gendern mit Sonderzeichen vorstellten, blieb also auch hier unklar.