Gendern im ÖRR: Vertragsbruch gegenüber den zahlenden Zuschauern?

Seite 2: Leitfaden mit Appellcharakter

Das behauptet zumindest Payr angesichts des ZDF-internen "Leitfadens für gendersensiblen Sprachgebrauch", den der Sender auf seine Nachfrage hin nicht habe zusenden oder veröffentlichen wollen. In jenem Leitfaden, auf den sich die Geschäftsleitung in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten Marita Lewening geeinigt hat, heißt es:

Die sprachliche Gleichbehandlung ist für eine erfolgreiche Gleichstellung unerlässlich, denn Sprache schafft Bewusstsein. Weder Frauen noch queere Menschen wollen [lediglich] mitgemeint sein. Unser Ziel ist es, diskriminierungsfrei zu kommunizieren. Dazu gehört, dass wir eindeutig formulieren und deutlich machen, wer genau gemeint ist. Alle sollen sich angesprochen und durch die Ansprache wertschätzend behandelt fühlen. Geschlechterhierarchien und Stereotype sollen vermieden werden.

Leitfaden für gendersensiblen Sprachgebrauch

Eingeführt wird der Leitfaden als "Hilfestellung […] auf freiwilliger Basis zur Unterstützung aller Kolleg*innen, die vermehrt auf gendergerechte Sprache achten wollen". Neben Tipps zur Vermeidung sprachlicher Ungleichbehandlung finden sich darin auch eine Checkliste zur Abarbeitung empfohlener Maßnahmen sowie zu einem "ausgewogenen Geschlechterverhältnis" in Video- und Bildbeiträgen (will heißen: männliche und weibliche Gesprächspartner).

Auch der Genderstern wird im Leitfaden ausdrücklich empfohlen, obwohl der Rat für Deutsche Rechtschreibung davon abrät, wie Payr in seinem Artikel ebenfalls bemängelt. Neben dem ZDF-Leitfaden hat Payr auf seiner Website weitere Diversity-Richtlinien von Rundfunkmedien veröffentlicht, darunter etwa auch die des Deutschlandfunks (DLF).

Der Mitinitiator des Linguisten-Aufrufs beendet seinen Artikel mit einem erneuten Appell an die im Medienstaatsvertrag geforderte "politische Unparteilichkeit" der Sender und einem unmissverständlichen (negativen) Urteil über das Gendern als "ideologisch begründeter […] akademischer Soziolekt".

Lagerbildung verhindert sachliche Debatte

Wie auch immer man zur Gender-Sprache steht: Niemandem dürfte verborgen geblieben sein, dass sich an der Frage nicht nur die Geister, sondern auch die (partei-)politischen Sympathien (ent-)scheiden.

So wird Kritik am Gendern öffentlich mehrheitlich von konservativen und rechten Parteien vorgebracht, während die als links geltenden Parteien den Gebrauch der Gender-Sprache generell begrüßen.

Darüber hinaus beschreiben Umfragen eine generationenspezifische Tendenz, welcher zufolge 18 bis 39-Jährige eher positiv, ältere eher negativ gegenüber dem Gendern eingestellt sind.

Dies wiederum führt – wie in anderen Themenbereichen auch – dazu, dass Kritik oder Befürwortung als solche einem spezifischen "Lager" zugeschrieben werden. Aufgrund dieses gleichsam selbstverstärkenden Systems der Zuschreibungen wird ein sachlicher Dialog über die gendergerechte Sprache zusätzlich erschwert. Eine inhaltlich ausgewogene Medienberichterstattung kann diesem Phänomen entgegenwirken.