Generation Tired

Seite 2: Neue Droge – mit Folgen für die Kognition?

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Im Mai 2019 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) formal beschlossen, die Diagnose "Gaming Disorder" in die Classification of Diseases (ICD-11) aufzunehmen. Damit ist das digitale Suchtverhalten seitens der WHO als Krankheitsbild anerkannt und in den Bereich der mentalen Verhaltens- und Neuroentwicklungsstörungen eingeordnet. Offenbar setzt sich die Erkenntnis durch, dass hier ein ernstzunehmendes Problem liegt.

Der Bericht beschreibt das Krankheitsbild so: "Die Betroffenen haben zum Beispiel ihren Umgang mit Internet und Computerspielen nicht mehr unter Kontrolle, sie beschäftigen sich gedanklich übermäßig stark damit, fühlen sich unruhig oder gereizt, wenn sie diese Angebote nicht nutzen können, oder sie vernachlässigen andere wichtige Lebensaufgaben wegen des Computerspielens oder der Internetnutzung."

Möglicherweise beeinträchtigt aber – und das geht wieder alle an - die ständige digitale Mediennutzung auch unsere kognitive Leistung. Zu dem Schluss kamen jedenfalls Wissenschaftler der University of Texas. Sie untersuchten für eine Studie 800 Probanden.

Und fanden heraus: Sobald sich ein Smartphone nur in Sicht- oder Reichweite befindet, reduziert das die Konzentrationsfähigkeit eines Menschen. Der Grund dafür klingt einleuchtend: Das Gehirn, so die Forscher, ist aktiv damit beschäftigt, sich nicht vom Smartphone oder Tablet ablenken zu lassen - und bindet mit dieser Leistung bereits wertvolle Ressourcen.

Nebenbemerkung: Digitale Nachhaltigkeit?

Über digitale Nachhaltigkeit lässt sich unterdes trefflich streiten. Bewusste Auszeit als Rettung für die, die sich zunehmend gestresst und abhängig fühlen, ist die eine Sache. Aber was ist mit dem Klima, mit dem Planeten? Forscher der Universität Bristol befassten sich unlängst mit einem – freilich sehr populären - Tummelfeld der Mediennutzung. Es geht um den digitalen Musikkonsum und dessen Treibhauspotenzial, heute (so ihre Schlussfolgerung) um bis zu 100 Prozent höher als noch im Jahr 2000.

Da kommt man dann endgültig ans Grübeln. Eindrucksvolles Beispiel: Durch Auswertung öffentlich zugänglicher Daten gelangten die Wissenschaftler aus Bristol zu dem Schluss, dass das Ausspielen von Youtube-Videos jährlich ungefähr so viel Strom verbraucht wie die schottische Stadt Glasgow. Nebenbei: Eine Stadt von rund 600.000 Einwohnern. Im Interview nennt deshalb Chris Preist, Professor für nachhaltige Computersysteme in Bristol, den überflüssigen Datenverkehr schlicht "digitalen Müll".