Gentherapie erneuert die Haut - Erfolg nach langem Anlauf

Mit <x>genveränderte Hauttransplantaten aus seinen eigenen Stammzellen::http://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2017-11-08-weltweit-einzigartig-junge-erhaelt-dank-gen-therapie-neue-haut<x> haben Mediziner der Ruhr-Universität Bochum und des Center for Regenerative Medicine der Universität Modena einem Jungen das Leben gerettet. Fibrinsheet mit den darauf befindlichen genetisch modifizierten Stammzellen während der operativen Transplantation. Bild: Frank Jacobsen/Ruhr-Universität Bochum

Ein Kind verdankt sein Leben einer kaum erprobten Therapie, die viele Jahre wegen Sicherheitsbedenken auf Eis lag

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Als der siebenjährige Hassan vor gut zwei Jahren in der Universitätsklinik Bochum eintraf, war ein Großteil seines Körpers mit Entzündungen bedeckt. Er litt an der seltenen Erbkrankheit Epidermolysis bullosa, bei der die oberste Hautschicht brüchig und extrem anfällig für Verletzungen und Infektionen wird. Hassans Zustand verschlechterte sich kurz darauf dramatisch: Die Haut löste sich großflächig ab, 60 % seiner Körperoberfläche lagen bloß, Rücken und Beine waren eine einzige offene Wunde. Sein Tod schien nur noch eine Frage der Zeit.

Als letzte Hoffnung blieb nur noch ein gewagtes Experiment. Das Bochumer Ärzteteam um Tobias Hirsch kontaktierte eine kleine italienische Biotech-Firma, die an einer Gentherapie für die Erbkrankheit arbeitete. Ihr Ansatz basiert auf der Behandlung von Brandopfern, bei denen Stammzellen der eigenen Haut selbst große Wunden wieder lückenlos verschließen können. Die Behandlung der Epidermolysis bullosa erfordert einen zusätzlichen Schritt: Die Stammzellen werden mit einem Gen versehen, dass den Defekt im Erbgut ausgleicht. Doch obwohl die Therapie bereits seit 2002 für klinische Studien zugelassen ist, wurde sie bis dahin nur an zwei Patienten getestet. Für einen Großteil der Zeit lag die Entwicklung auf Eis.

Große Sicherheitsbedenken und strenge Auflagen

Ursache der Verzögerung waren grundsätzliche Sicherheitsbedenken. Ein Eingriff in das Erbgut ist nicht ohne Risiko: Im Jahr 1999 starb ein junger Mann in den USA bei einem Therapieversuch, der eine Immunreaktion mit verheerenden Folgen auslöste. Gesundheitsbehörden reagierten verschreckt und verordneten hohe Sicherheitsauflagen, die die Entwicklung von Gentherapien weit zurückwarfen.

Die Folgen bekamen auch die italienischen Forscher Graziella Pellegrini und Michele de Luca zu spüren, die etwa zu dieser Zeit an der Gentherapie für Epidermolysis bullosa arbeiteten. Sie wollten einen Defekt in dem Gen LAMB3 beheben, indem sie eine korrekte Genvariante in Hautstammzellen einschleusten. Dazu benötigten sie eine Genfähre, die auf einem gentechnisch veränderten Virus beruht - einem Gammaretrovirus, der in Mäusen Krebs erzeugen kann.

Nur drei Patienten in dreizehn Jahren

Im Juni 2002 war die Entwicklung im Labor abgeschlossen und die Forscher erhielten die Genehmigung, die Therapie am Menschen zu testen. Doch kurz darauf nahm ein französische Studie einen tragischen Verlauf: Eine vergleichbare Genfähre hatte bei mehreren Kindern Krebs ausgelöst. Die Studie für Epidermolysis bullosa wurde gestoppt, bevor sie überhaupt los ging.

Es dauerte über drei Jahre, bis im September 2005 erstmals ein 36-jähriger Mann behandelt werden konnte - mit ermutigenden Resultaten. Doch kurz darauf setzten die EU-Behörden neue Richtlinien in Kraft, die die Qualität und Sicherheit von neuartigen Zelltherapien sichern sollten. Deren Umsetzung verursachte große Probleme, und de Luca und Pellegrini gründeten die Firma Holostem, um für deren Lösung ein größeres Pharmaunternehmen mit an Bord holen zu können. Die Ressourcen der kleinen Firma waren jedoch begrenzt, und die Forscher mussten sich anfangs auf ein anderes Projekt konzentrieren: Das Ergebnis war Holoclar, die erste kommerzielle Stammzelltherapie der Welt (Adulte Stammzellen heilen Bline).

Erst im September 2014 wurde auch die Studie mit der Gentherapie für Epidermolysis bullosa wieder aufgenommen. Der Test bei einer 49-jährigen Frau verlief erfolgreich, verbesserte aber deren Lebensqualität nur unwesentlich: Wie beim ersten Patienten wurden nur relativ kleine Hautflächen auf den Oberschenkeln behandelt.

Als die Ärzte aus Bochum bei Holostem wegen einer Therapie nachfragten, gingen sie dabei ein gewisses Risiko ein: Die Gentherapie war kaum erprobt und wurde zuvor nur bei leichteren Fällen eingesetzt. Der hoffnungslose Zustand des Jungen ließ ihnen jedoch keine Wahl, und so schickten sie etwa vier Quadratzentimeter von Hassans verbliebener Haut nach Italien. Wenige Wochen später erhielten sie 8500 Quadratzentimeter gentherapeutisch behandelter Haut zurück, mit der die Ärzte in mehreren Operationen 80 % der Hautoberfläche ersetzen konnten. Die Therapie war ein großer Erfolg: Hassan hat sich fast vollständig erholt und führt nun ein weitgehend normales Leben.

Weiterhin eine langwierige Entwicklung

Knapp zwei Jahre nach der Operation zeigten die Nachuntersuchungen, dass die gefürchteten Nebenwirkungen ausblieben, wie die Klinik berichtet: Hassans erneuerte Haut zeigt keinerlei Anzeichen von Krebs oder anderen Störungen. Auch bei den anderen beiden Patienten, deren Behandlung nun schon bis zu zwölf Jahre zurückliegt, hatte die Gentherapie keine nachteiligen Folgen. Die Zweifel an deren Sicherheit scheinen zumindest vorerst ausgeräumt.

Diese Tendenz zeigt sich auch bei anderen Gentherapien: Todesfälle und Krebserkrankungen sind in den letzten Jahren sehr selten geworden. Neue Genfähren, die kaum noch Immunreaktionen auslösen und das Erbgut weniger gefährden, haben einen großen Anteil an dieser Entwicklung. Das Restrisiko ist damit nicht vollständig ausgeräumt, aber es bewegt sich meist in einem Rahmen, der zumindest bei schweren Erkrankungen vertretbar ist.

Die Gentherapie für Epidermolysis bullosa steht dennoch weiterhin fast am Anfang. Die Erfahrungen mit nur drei Patienten ist für eine Zulassung viel zu wenig, und dazu kommt, dass mindestens 18 weitere Gendefekte als Ursache bekannt sind. Erst in diesem Jahr konnte Holostem zwei weitere Studien starten, die sich mit häufigeren Formen der Epidermolysis bullosa beschäftigen. Ergebnisse sind nicht vor Ende 2019 zu erwarten, und selbst bei einem Erfolg werden wohl noch weitere Studien erforderlich sein.

Die Sicherheit der Patienten verlangt eine Sorgfalt, die mit der Hoffnung auf schnellen Fortschritt kaum zu vereinbaren ist. Dieses Dilemma wird auch die Entwicklung aller kommenden Gentherapien zu einer langwierigen Angelegenheit machen. Ein Aufsehen erregender Erfolg in einem Einzelfall bedeutet leider noch nicht, dass eine Therapie kurz vor dem Durchbruch steht.