Geplatzer Traum
Der Inselstaat Tuvalu ging bislang mit seiner wertvollsten Ressource, dem Verkauf des Domainnamens .tv, im kalten Kanada baden
Es gab einmal eine kleine Südseeinsel im Pazifik und einen kanadischen Geschäftsmann. Sie versuchten, schnell mit den Möglichkeiten, die das Internet bietet, reich zu werden. Die Regierung der abgelegenen kleinen Insel Tuvalu, deren Einwohner vornehmlich vom Fischfang leben, schien eine neue Ressource entdeckt zu haben, mit der sich endlich ein ansehnlicher Devisenstrom ins Land holen lassen könnte und deren Erschließung man an den Meistbietenden outsourcte. Die neue virtuelle Ressource, der symbolträchtige Domainname .tv, bot optimale Bedingungen an: Man mußte nichts tun, aber der Verkauf des Rechts zur Nutzung des Namens an Fernsegesellschaften Studios oder Werbeagenturen ließ Millionen an Dollar erwarten, wirklich ein virtuelles Geschäft. Schließlich sah die Sommer letzten Jahres getroffene Absprache mit Jason Chapnick, ebenfalls einem virtuellen Träumer, vor, daß eine Art Anzahlung auf den künftigen Reichtum in Höhe von 50 Millionen Dollar an den Inselstaat gehen sollte.
Jason Chapnick, voller Enthusiasmus über dieses Schnäppchen, meinte damals, daß der potentielle Markt unbegrenzt sei. Mit einer neu gegründeten Registrierungsfirma TV Corp wollte er ein Monopol auf die Benutzung des vielversprechenden Domainnamens einrichten. Für die Reservierung eines Namens mit der Endung .tv war eine einmalige Zahlung von 1000 Dollar und eine jährliche Gebühr von 500 Dollar vorgesehen. Diese Einkünfte wollte man sich dann teilen.
Aber dann stellte sich Ernüchterung bei der Tuvalu-Regierung ein, denn die versprochene Summe von 50 Millionen Dollar, möglicherweise schon im Haushalt freudig verplant, traf nicht ein. Eine Delegation reiste Ende des letzten Jahres nach Kanada und vereinbarte mit dem bis dahin glücklosen Domainhändler eine Zahlung zwischen 10 und 12 Millionen Dollar bis Ende Februar. Aber auch dieser Termin verstrich: "Sie versäumten die Zahlung zwei Mal", beklagt sich Saufatu Sopoaga, ein Staatssekretär, wie die South China Morning Post schreibt, "daher werden wir jetzt Vorbereitungen treffen, um die Vereinbarung mit der kanadischen Firma aufzulösen."
Die Regierung hofft allerdings weiterhin, den Domainnamen der Insel lizensieren und so aus der wertvollsten Ressource Kapital schlagen zu können. Der Minister für Arbeit und Kommunikation sei bereits nach Los Angeles gereist, um mit einer anderen interessierten Firma zu sprechen, deren Name man aber noch nicht preigeben wollte. Vielleicht ist der Erfolg dieses Mal größer für den Staat, dessen Haushalt mit wenigen Millionen Dollar jährlich auskommen muß.