Gerhard Schröder, Rosneft und seine Kritiker

Seite 2: Die Kritiker Schröder kritisieren genau das, was positiv an Schröders Engagement ist

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Dabei kritisieren Hickel, Özdemir und Co. an dem Schröder-Engagement bei Rosneft genau das, was eigentlich als das einzig Positive gewertet werden könnte. Lange Zeit hielt sich die Vorstellung, dass die transnationale vernetzte Wirtschaft mit den nationalbornierten Politiken in Widerspruch gerät. Schon in der Weimarer Zeit hielten politische Beobachter aus dem Bürgertum wegen der damals schon erfolgten Vernetzung der Wirtschaft einen Krieg in Europa für nicht mehr möglich.

Wir wissen heute, wie illusionär diese Vorstellungen waren. Nun, wo die Globalisierung wesentlich weiter vorangeschritten ist, wird das Argument von einer kapitalistischen Vergesellschaftung, die angeblich im Widerspruch zum Nationalismus steht, erneut vertreten. Nun müsste jemand wie Gerhard Schröder eigentlich der Prototyp eines ökonomischen Internationalisten gelten, der es sich nicht verbieten lässt, für einen Konzern zu arbeiten, der zu dem zum Feind erklärten Russland gehört.

Neue Hallstein-Doktrin an der Krim?

Dass dabei das Mantra von der "völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland" verwendet wird, zeigt, dass den Kritikern nicht viel Neues einfällt. Denn es ist klar, dass die Krim in absehbarer Zeit zu Russland gehören wird und dass es auch die Mehrheit der dort lebenden Bevölkerung genau so will. Daher müsste eine Realpolitik, die diesen Namen verdient, genau das anerkennen und vielleicht eine erneute international anerkannte Abstimmung in die Diskussion bringen.

Darauf könnte sich die russische Seite mühelos einlassen, weil sie auch dann hohe Zustimmung erreichen würde. Wenn stattdessen weiterhin von Politikern der USA und der Deutsch-EU so getan wird, als könnte die Krim wieder zur Ukraine zurückkehren, dient es nur einen Zweck: Die Polarisierung des sogenannten Westens gegen Russland soll beibehalten und verstärkt werden.

Damit aber soll eine Militarisierung in diesen Ländern vorangetrieben werden, die durchaus nicht nur von den USA ausgeht. Diese Polarisierung soll den eigenen Standort sichern und jeglichen Widerspruch im Innern verhindern. Wer da nicht im nationalen Kollektiv mitzieht, muss notfalls auch mit Repressionen rechnen. Das bekommen auch Menschen mit, die ganz ohne politische Hintergründe in diesen Tagen die Ukraine besuchen wollen.

Das musste der gefallene Sozialdemokrat und Ex-Pirat Jörg Tauss kürzlich erfahren erfahren, als er nach einer Krimreise mit einer Hausdurchsuchung und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert wurde. Selbst eine völlig unpolitische Band wie Scooter wird wegen ihres Krimauftritts angeprangert.

Das erinnert an die Hallstein-Doktrin der 1950 und 1960er Jahre, als in der BRD die Devise galt, wer die DDR anerkennt, sie besucht oder auch nur diese drei Buchstaben schreibt und spricht, sei schon ein Zonenagent. Tausende wurden damals kriminalisiert, weil sie in die DDR reisten oder Kinderfreizeiten in den Osten organisierten.

Schröder ist für fast alles, was er in seiner politischen Karriere zu verantworten hat, heftig zu kritisieren. Dass er allerdings in seiner Auszeit nicht beim von den Nazis gegründeten VW-Konzern dafür sorgt, dass dort die Abgaswerte weiterhin die Gesundheit vieler Menschen gefährden, sondern bei einen staatskapitalistischen russischen Konzern, der in seinen Machenschaften natürlich um nichts besser ist, angeheuert hat, gehört nicht zur Kritik.