Gescheiterte Friedensmission von Außenminister Steinmeier

Bestenfalls ein ehrenwerter Versuch war es, mit einem Friedensplan den Konflikt zwischen Georgien und Abchasien und damit auch zwischen Russland und den USA zu schlichten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dass es keine leichte Reise werden wird, wusste Frank-Walter Steinmeier schon vor dem Abflug in den Kaukasus. „Eine einfache Lösung wird es nicht geben“, sagte der deutsche Außenminister noch vor seiner Ankunft in Tiflis, von wo er dann weiter nach Abchasien und Moskau reiste. Und die vor der Reise getätigte Vermutung hat ihn nicht getäuscht. Sowohl das regnerische Wetter im Kaukasus, erst recht aber die verhärteten Fronten zwischen den Konfliktparteien Georgien und Abchasien, machten die Vermittlungsreise zu nichts mehr als einem ehrenwerten Versuch ohne jegliches Ergebnis. „Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Positionen noch weit auseinander“, resümierte er noch vor seiner Rückkehr in Moskau.

Dabei ist der Sinn der Reise durchaus positiv zu bewerten. Beunruhigt durch die neuerliche Eskalation zwischen Georgien und der abtrünnigen Republik Abchasien, erarbeitete Deutschland in seiner Funktion als Koordinator der sogenannten "Freundesgruppe des UN-Generalsekretärs für Georgien", der außerdem Großbritannien, Frankreich, die USA und Russland angehören, einen mehrstufigen Friedensplan für Abchasien. Dieser sieht zuerst eine etwa ein Jahr währende Periode mit vertrauensbildenden Maßnahmen vor, zu der Erklärungen über Gewaltverzicht und die Rückkehr der ca. 250.000 Flüchtlinge in die von Georgien abtrünnige Provinz gehören. Danach sollen die Kriegsschäden behoben und der Wiederaufbau des Region beginnen – wobei Deutschland sich bereit erklärt, eine Geberkonferenz auszurichten. Erst in der dritten und letzten Phase soll die heikelste Frage des Konflikts behandelt werden: wird Abchasien unabhängig oder bleibt es ein Teil Georgiens.

Doch schon gegenüber der ersten Phase des Friedensplans, der Rückkehr der Flüchtlinge, haben die Konfliktparteien einige Bedenken. „Die Unterzeichnung eines Abkommens über die Rückkehr der Flüchtlinge nach Abchasien ist momentan unmöglich“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am vergangenen Donnerstag in Moskau. Seiner Meinung nach müsste zuerst die Situation entspannt und das Vertrauen wiederhergestellt werden. Eine Meinung, die von der Haltung der abchsischen Seite nur bestätigt wird.

Bei seinem Treffen mit dem Präsidenten der nicht anerkannten Republik Abchasien, Sergej Bagapsch, erhielt Steinmeier eine klare Absage für seinen Plan. Bagapsch forderte stattdessen die Ergänzung des Vertrags um zwei weitere Punkte: den Abzug der georgischen Truppen aus dem Kodori-Tal, dem einzigen von Georgien kontrollierten Gebiet Abchasiens und seit 2006 Sitz der pro-georgischen Exil-Regierung der Teilrepublik, sowie den Abschluss eines gegenseitigen Gewaltverzichts. Zudem müsse die georgische Seite alle früher unterschriebenen Abkommen erfüllen und sich an das Moskauer Abkommen über die Feuereinstellung halten. Ansonsten ist die Rückkehr der georgischen Flüchtlinge für die abchasische Seite undenkbar, „da dies nur zu einem neuen Krieg führen würde“, so Bagapsch gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Novosti.

Auch in Georgien stieß Steinmeier auf Ablehnung

Wie unannehmbar aber die Forderungen Abchasiens für Georgien sind, musste Steinmeier bei seinem Treffen mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili in Batumi erfahren. Saakaschwili dankte dem deutschen Außenminister zwar für sein Engagement, doch gleichzeitig wies er die abchasischen Forderungen zurück, die er und seine Regierung nur für eine weitere russische Provokation halten. Damit erneuerte Saakaschwili die Vorwürfe, die er seit Jahren gegenüber Moskau erhebt. Erst vergangene Woche warf er Russland in einem Interview vor, die Konflikte im Kaukasus zu schüren und somit einen Frieden zu verhindern. „Der Westen müsse endlich reagieren“, forderte Saakaschwili.

Dabei hat Russland noch in den letzten Monaten der Präsidentschaft Putins die ersten Schritte unternommen, um den seit Jahren andauernden Konflikt mit Georgien zu entschärfen. Erst im Frühjahr dieses Jahres wurden wieder schrittweise die Sanktionen aufgehoben, die der Kreml 2006 gegenüber Tiflis verhängte (Kalter Krieg auf postsowjetisch). Seit März gestattet Moskau wieder Direktflüge nach Georgien, im April wurde der direkte Post- und Zahlungsverkehr zwischen den beiden Staaten wieder aufgenommen. Zudem stellte der Kreml eine Erleichterung bei der Visumserteilung in Aussicht, sowie Erleichterungen beim Warenaustausch. Gleichzeitig forcierte Moskau jedoch seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Abchasien und Südossetien, was Tiflis als eine Provokation versteht.

Kosovo als Vorbild

Wie der diplomatische Vorstoß von Frank-Walter Steinmeier zeigt, versucht der Westen, wie von Saakaschwili gefordert, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Doch ob der Westen ein geeigneter Vermittler in diesem Konflikt ist, ist eher fraglich. Denn ausgerechnet mit der Unabhängigkeit des Kosovo hat der Westen einen Präzedenzfall geschaffen, der sowohl Abchasien als auch Südossetien als Vorbild für die eigene Souveränität dient.

Dabei wären die Chancen, wenn man sich die momentane Lage genauer anschaut, gar nicht so schlecht für eine langfristige Lösung in dem Konflikt. Vor allem auch deshalb, weil Russland selber an einem langfristigen Frieden im Kaukasus interessiert zu scheint. Dies zeigte sich schon am Freitag bei den Gesprächen zwischen Frank-Walter Steinmeier und der russischen Führung. Sergej Lawrow, wie schon erwähnt, kritisierte zwar die Flüchtlingsfrage, doch größtenteils sprach sich der oberste russische Diplomat für den von Deutschland ausgearbeiteten Friedensplan aus, ebenso wie der russische Präsident Dimitrij Medwedew.

Und wie es scheint, lässt Russland diesen Worten nun auch Taten folgen zu lassen. Wie der russische Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow am Montag bekannt gab, zieht Russland seine seit Juni in Abchasien stationierten Eisenbahntruppen ab, dessen Stationierung Georgien als eine militärische Aggression verurteilte.

Dass Russland ein Interesse an einer Konfliktlösung hat, ist nicht überraschend. 2014 finden in Sotschi die Olympischen Winterspiele statt. Bis dahin sind es zwar noch sechs Jahre, doch ein Waffenkonflikt im nur wenige Kilometer entfernten Abchasien würde schon jetzt ein schlechtes Licht auf die Spiele werfen, die auch eine Werbeveranstaltung für das heutige Russland gedacht sind. Zudem sind mit den Olympischen Spielen auch viele Investitionen verbunden, auf die auch Abchasien hofft. So rechnet die abtrünnige Republik selber mit Investitionen in einer Höhe von 350 Mio. Dollar, die vorwiegend im Bereich der Baustoffindustrie getätigt werden sollen.

Gleichzeitig müsste aber auch der Westen, und damit indirekt auch Georgien, in dem Konflikt umdenken, wenn eine langfristige friedliche Lösung erreichen werden soll. „Der Status unserer Republik ist nicht Gegenstand unserer Verhandlungen“, sagte der abschasiche Außenminister Sergej Schamba nach dem Besuch Steinmeiers in Abchasien. Und damit dürfte Schamba Recht haben. Abchasien ist international zwar nicht anerkannt, doch de facto ist die abtrünnige Provinz schon längst eine unabhängige Republik, auf die Georgien nicht nur wegen des verlorenen Krieges von 1992 keinen Einfluss mehr hat. Durch die Vergabe von russischen Pässen an die Abchasen hat Russland schon längst vollendete Tatsachen geschaffen, die es mehr oder weniger zu akzeptieren gilt.

Im Gegenzug hätte dieser Schritt dann für den Westen und Georgien möglicherweise aber einen anderen Vorteil. Bei einer Anerkennung Abchasiens und Südossetiens würde es Moskau vielleicht leichter fallen, den von Washington und Tiflis forcierten NATO-Beitritt Georgiens hinzunehmen. Ein Beitritt, der aufgrund der nicht unbedingt vorbildhaft funktionierenden Demokratie in Georgien zu Recht umstritten ist. So könnte dem Westen erspart werden, mit dem Beitritt Georgiens gleich in einen Waffenkonflikt verwickelt zu werden. Und wie tief der Westen, in erster Linie aber die USA, schon in diesen Konflikt verwickelt sind, zeigte sich vergangene Woche. Wenige Tage, bevor Steinmeier zwischen Tiflis, dem abchasischen Gali, Batumi und Moskau pendelte, um seinen Friedensplan vorzustellen, nahmen 1.000 US-Soldaten an einem Manöver in Georgien teil. Eine Militärübung, die Russland selber als Provokation empfand und mit einem Großmanöver im Nordkaukasus beantwortete.

Und noch einen entscheidenden Fehler darf der Westen nicht machen. Bei seinen Friedensbemühungen darf er sich nicht nur auf den Konflikt zwischen Georgien und Abchasien konzentrieren. Auch zwischen Georgien und dem abtrünnigen Südossetien gibt es immer heftigere Spannungen, die jederzeit zu einem neuen bewaffneten Konflikt zwischen Georgien und Südossetien führen können.