Geschlechterkampf in der FDP?
Droht den Liberalen das Schicksal der Piratenpartei?
In knapp zwei Wochen, am Samstag, dem 5. August, soll in Nürnberg eine Gründungsversammlung der "Liberalen Männer in der FDP" stattfinden. Ein Programmentwurf dieser FDP-Männergruppe kursiert bereits seit Juni. Er fordert unter anderem eine "kompromisslose Umsetzung des Artikels 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland" mit dem "Ziel einer tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Müttern und Vätern, Mädchen und Jungen."
Solch eine "tatsächliche Gleichberechtigung" kann es dem Programmentwurf nach "nur geben, wenn die berechtigten Anliegen beider Geschlechter berücksichtigt und Benachteiligungen beider Geschlechter thematisiert und beseitigt werden." In der Praxis sieht man hier Defizite bezüglich einer "Jungen-, Männer- und Väterfeindlichkeit", die man nicht nur thematisiert, sondern "ebenso verurteilt und beseitigt" werden soll wie "Frauenfeindlichkeit".
"Das unterrepräsentierte Geschlecht"
Konkrete Vorschläge dazu macht das Programmpapier unter anderem mit der Forderung, dass "Gleichstellungsbeauftragte […] die Interessen beider Geschlechter vertreten und von beiden Geschlechtern gewählt werden können." In diesem Zusammenhang will man in Vorschriften auf Bundes- und Länderebene den Begriff "Frauen" durch die Formulierung "das unterrepräsentierte Geschlecht" ersetzen. Gibt es keine Gleichstellungsbeauftragte, sondern lediglich eine Frauenbeauftragte, soll ihr ein "Männerbeauftragter" zur Seite gestellt werden.
Solche Beauftragten sollen unter anderem darauf achten, dass bei "Einstellungen und Beförderungen ausschließlich Qualifikation, Leistung und Erfahrung entscheidend [sind], nicht aber das Geschlecht." Wie mit diesem Anspruch eine ebenfalls geforderte "Soll-Quote von 30%" für Lehrkräfte an Grundschulen vereinbar ist, die "männliche Erziehungswerte" vermitteln und "männliche Rollenvorbilder" sein sollen, lässt der Entwurf offen.
"Recht auf Ablehnung einer Kindschaft"
Handlungsbedarf erkennt das Papier auch im Familienrecht, wo es postuliert, dass "die Folgen des Scheiterns einer Ehe […] von beiden Partnern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu gerechten Anteilen getragen werden" müssen. Das "Residenzmodell" sieht man bei Scheidungen mit Nachkommen als nicht kindswohndienlich an und möchte es durch das auch unter dem Namen "Paritätische Doppelresidenz" bekannte "Wechselmodell" ersetzen, das "Standard bei der Betreuung der Kinder getrennt lebender Eltern werden" soll.
Artikel 6 Absatz 4 des Grundgesetzes, in dem es heißt "Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft", wertet das Programmpapier trotz der biologisch vorgegebenen Ungleichheit der Situation als unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 Absatz 3 und fordert deshalb, das Wort "Mutter" durch das Wort "Elternteil" auszutauschen. Darüber hinaus möchte man auch Vätern, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet waren oder sind, ein "bedingungsloses gemeinsames Sorgerecht" zugestehen. Potenziell mindestens ebenso kontrovers ist die eher unbestimmt formulierte Forderung nach einem "Recht auf Ablehnung einer Kindschaft", das mit einer Informationspflicht der Mutter einhergehen soll.
Im Strafrecht verlangt der Programmentwurf unter anderem, dass das "rechtsstaatliche Grundprinzip der Unschuldsvermutung" auch beim "Verdacht auf häusliche oder sexuelle Gewalt […] kompromisslos Anwendung finden" müsse. Außerdem soll diese "häusliche und sexuelle Gewalt nicht länger als rein männliches, [sondern als menschliches] Problem" angegangen werden. Buben und andere männliche Opfer solcher Straftaten sollen bei Hilfsangeboten und bei der staatlich geförderten Erforschung und Bekämpfung des Phänomens genauso berücksichtigt werden wie Mädchen und andere weibliche Opfer.
"Progressive in der FDP" für "Einführung von Unisextoiletten" und die "Nutzung gendersensibler Sprache"
Inwieweit solche Positionen Aufnahme in die offiziellen Positionen der FDP finden, hängt davon ab, ob sich ihre Vertreter auf Parteitagen durchsetzen - was wiederum damit zusammenhängt, wie viele Personen es dort gibt, die damit nur schwer kompatible Positionen vertreten. Am explizitesten macht das die von Matteo Müller, Benjamin Brandstetter und René Oehler ins Leben gerufene und am Wochenende über Soziale Medien bekannt gewordene Gruppe der "Progressiven" in der FDP, die zwar angibt, die Liberalen nicht "spalten" zu wollen, aber mit Gendersternchen und einem ähnlichem Duktus operiert wie vor fünf Jahren die "progressive" Peer Group in der Piratenpartei (vgl. Den Grünen zu ähnlich geworden).
Unter "Liberalismus und Geschlecht" heißt es im Webauftritt der "Progressiven in der FDP", man sei "auch liberale Feminist*innen" [sic], denn der Liberalismus "brauch[e] Feminismus" und man müsse "Gender Studies ernst nehmen und deren Erkenntnisse nutzen". Deshalb sei man auch für die "Einführung von Unisextoiletten" und die "Nutzung gendersensibler Sprache". Damit wolle man "Wähler*innen zeigen, dass sie nicht grün wählen müssen, um fortschrittliche Ideen vertreten zu sehen."