Geschlossene Gesellschaft
Über die Konstruktion des umkämpften Begriffs der "Illegalität" eines Menschen
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ steht im Art. 16. des deutschen Grundgesetzes. Die Realität sieht anders aus: Seit dem „Asylkompromiss“ von 1993, durch den Asylanträge abgelehnt werden können, wenn Antragsteller über einen so genannten „sicheren Drittstaat“ einreisen (Deutschland ist umgeben von sicheren Drittländern), hat die Anerkennungsquote von Asylanträgen hierzulande einen historischen Tiefstand erreicht.
Im Jahr 2007 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur noch 19.164 Asylanträge gestellt (30.303 Asylanträge insgesamt, davon 19.164 Erstanträge, 11.139 Folgeanträge). Die Anerkennungsquote von Erstanträgen lag unter 1 Prozent. Über ein Drittel der Antragsteller erhalten mittlerweile Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. 1992 stellten in Deutschland noch 438.191 Personen in Deutschland einen Asylantrag. Eine breite Allianz aus CDU/CSU, SPD und FDP urteilte damals, das sei nicht finanzierbar, wenngleich die Anerkennungsquote bei nur vier Prozent lag (1985 lag die Anerkennungsquote noch bei rund 30 Prozent). Viele Linke hingegen sahen das Recht auf humanitäre Hilfe durch den Asylkompromiss außer Kraft gesetzt.
Deutschland nahm eine Vorreiterrolle ein. In europäischen Ländern wie Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden oder Großbritannien wurden die Regelungen der Asylpolitik in den 1990er Jahren deutlich verschärft. Seit Mai 1999 ringen die EU-Staaten um gemeinsame asylrechtliche Mindeststandards - bis Mai 2004 sollten die EU-Mitgliedstaaten diese Mindeststandards in zentralen Feldern des Asylrechts in Form von 11 EU-Richtlinien umsetzen.
Auch stimmte das Europaparlament in Straßburg kürzlich mehrheitlich für einheitlich strenge Regeln im Umgang mit „illegalen“ Einwanderern: Vorgesehen ist die umstrittene „Rückführungsrichtlinie“, in der eine Abschiebehaft von sechs Monaten, in Ausnahmefällen von bis zu 18 Monaten, gilt. Bislang hatte jeder Mitgliedsstaat selbst über die Abschiebehaft entschieden. Die Richtlinie sieht zudem ein Wiedereinreiseverbot von fünf Jahren vor und legt Mindeststandards für die Abschiebeverfahren fest.
Menschen gelten als „illegal“, wenn sie trotzdem einreisen. Nach Angaben von Europol wandern jedes Jahr um die 500.000 Menschen in die Schattenwelt Europas ein. Über den Umgang mit „illegalen“ Migranten, die Konstruktion der „Illegalität“ eines Menschen und die Unterschiede im Diskurs um irreguläre Zuwanderung zwischen Deutschland, Europa und den USA sprach Telepolis mit Gerda Heck von der Universität Köln, Autorin des Buches „Illegale Einwanderung. Eine umkämpfte Konstruktion in Deutschland und in den USA“ (Unrast-Verlag, 2008).
In den vergangenen beiden Jahrzehnten ist die Zahl der Menschen, die ohne regulären Aufenthaltsstatus in den westlichen Industrienationen leben, angestiegen und die Diskussion um „illegalisierte Einwanderung“ hat kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Worauf führen sie diese Entwicklung zurück?
Gerda Heck: In erster Linie darauf, dass man Migration immer stärker begrenzen möchte. In der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise wurden mit dem so genannten Anwerbestopp 1973 und der Änderung des Asylgesetzes 1993 die legalen Migrationswege dermaßen verengt, dass sich seither viele Migrierende gezwungen sehen, ohne Papiere oder klandestin einzuwandern. Zugleich hat auf politischer Ebene seit Mitte der 1990er Jahre ein Paradigmenwechsel von der Abschottung hin zum „Managing Migration“ stattgefunden. Von liberaler Seite wurde das zunächst als „rationaler“ Politikstil im Umgang mit stattfindender Mobilität begrüßt, die Praxis sieht allerdings anders aus: Die Türen stehen nur noch Hochqualifizierten und gefragten Arbeitskräften offen. Es geht um eine möglichst effiziente Ausfilterung akut benötigter Arbeitskräfte.
Früher war die Rede vom „Asylanten“ oder „Wirtschaftsflüchtling“, jetzt ist es der „illegale Einwanderer“
Sie beschreiben in ihrem Buch, dass die Gestalt des Flüchtlings vom „illegalen Migranten“ abgelöst wurde. Können Sie das konkretisieren?
Gerda Heck: Die politische Lage hat sich geändert und damit auch der Diskurs um Migration. Nachdem 1973 das Konzept der „Gastarbeitermigration“ mit dem Anwerbestopp beendet wurde, war es folglich fast nur noch möglich, im Rahmen der Familienzusammenführung oder als Asylsuchende einzuwandern. Mit der Zunahme von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, der Türkei und aus afrikanischen Staaten kamen Ende der 70er Jahre die Termini “Wirtschaftsflucht” und “Asylant” in die öffentliche Diskussion. Seit den 80er Jahren bedeutete Flüchtlingspolitik in der Politik der Bundesrepublik Deutschland primär Flüchtlingsabwehr.
Es herrschte das Bild vor, Flüchtlinge würden sich „heimlich“ einschleichen. 1993 kam es mit dem so genannten Asylkompromiss dann dazu, dass immer mehr MigrantInnen illegalisiert wurden beziehungsweise klandestin einreisen mussten. Das hat auch den Diskurs verändert. Während vor der Grundgesetzänderung in den Debatten das Feindbild des „Asylanten“ oder des „Wirtschaftsflüchtlings“ vorherrschte, so ist dies seit den 1990er Jahren der „illegale Einwanderer“. Es hat eine Verlagerung und Erweiterung von einem Diskurs um die Exklusion hin zu einem Diskurs um die „Kontrolle der Grenzen“ stattgefunden.
Gleichzeitig war im Migrationsdiskurs in den letzten Jahren immer wieder die Rede von einer „Harmonisierung“. Ist das eine Schönfärbung der Verhältnisse, wenn immer weniger Menschen legal einwandern können?
Gerda Heck: Eine Harmonisierung meint zunächst, dass es einheitliche Regelungen in punkto Migration auf europäischer Ebene geben soll, so dass nicht alle ihr eigenes Süppchen kochen. Gleichwohl sind an die Harmonisierung Regelverschärfungen auf europäischer Ebene geknüpft. Seit dem Schengen-Abkommen von 1995 wurde es für viele nicht-europäische Migranten und Migrantinnen nahezu unmöglich, legal nach Europa zu migrieren. Die Personenkontrollen an den Binnengrenzen innerhalb der Schengen-Staaten wurden zwar quasi abgeschafft, die Kontrollen an den gemeinsamen Außengrenzen aber, zu denen auch die internationalen Flughäfen zählen, massiv verschärft.
Ein weiteres vorrangiges Instrument war die Vereinheitlichung der Visapolitik: Die Liste der visapflichtigen Länder wurde unter anderem nach dem Kriterium verabschiedet, ob ein Risiko der „irregulären Einwanderung“ von jenen Staaten besteht. Dadurch will man sich vor klandestiner Einwanderung „schützen“.
Die Konstruktion der Illegalität
Der Geograf Christof Parnreiter hat am Beispiel der Migration zwischen USA und Mexiko festgestellt, dass eine repressive Grenz- und Einwanderungspolitik Migration gar nicht stoppen kann, sondern nur einen Status von Migrierenden festschreibt. Wird eine restriktive Einwanderungspolitik dazu genutzt, um das zu konstruieren, was man nicht haben will: den „illegalen“ Einwanderer?
Gerda Heck: Vordergründig will man den „illegalen Einwanderer“ nicht, gleichzeitig gebraucht man diesen Begriff, um Menschen erst zu „illegalisieren“. Man schafft ein Instrument, um Menschen ausweisen zu können, indem Menschen „illegalisiert“ werden. Man muss sich vergegenwärtigen, dass auch in Deutschland bis in die späten achtziger Jahre das Bild vom „illegalen Migranten“ zwar existierte, aber medial lange nicht so präsent war wie heute.
In den 1960er und 1970er Jahren war es beispielsweise gängige Praxis, dass Menschen ohne Aufenthaltspapiere nach Deutschland kamen und sich nachträglich „legalisieren“ konnten, indem sie sich eine Arbeitsstelle suchten, ohne dass dies in der Öffentlichkeit problematisiert wurde. Heute hingegen ist das ein großes Problem, da es durch einen „illegalen“ Status zu einer Entrechtung und Unterschichtung von Bevölkerungsgruppen kommt.
Neu ist das Wort „illegal“ in diesem Zusammenhang nur nicht. Bereits 1907 mussten MigrantInnen, die hierzulande ohne Lebensmittelkarte aufgegriffen wurden, damit rechnen, abgeschoben zu werden. Auch wurden Arbeitskräfte, die von ihren Arbeitgebern als Kontraktbrecher gemeldet waren, in polizeilichen Fahndungslisten wegen „illegalen Aufenthalts“ geführt. Welche historischen Unterschiede können Sie feststellen?
Gerda Heck: Durch die Nationalstaatsgründungen in Europa und den USA im 18. und 19. Jahrhundert wurden erstmals In- und AusländerInnen definiert und in dessen Folge die Figur des „illegalen Einwanderers“ erst kreiert. Vorher war man einfach Mensch oder Wanderer, man ging von einem Land zum anderen, wenngleich es auch schon immer die Vorstellungen über das „Fremde“ und „Andere“ gab.
Und auch wenn die Abwehr und Ausweisung von bestimmten Bevölkerungsgruppen historisch nicht neu ist, kam es nach dem ersten Weltkrieg zu einer elementaren Wende in der Diskussion um Einwanderung: Im Zuge der Neuzeichnung der politischen Landkarte Europas, verbunden mit der zunehmenden Bedeutung von Grenzen und Nationalstaaten und der damit verbundenen Konstruktionen von Zugehörigkeit, wurden ganze Teile der europäischen Bevölkerung entrechtet, in dem sie nämlich „staatenlos“ wurden.
Der Staat begrenzt nicht nur Migrationsströme, er ist auch die Voraussetzung dafür, dass Menschen als „illegal“ gelten?
Gerda Heck: Im Grunde ja, der Status der Illegalität eines Menschen kann nur aufrechterhalten werden, indem der Staat die Zugehörigkeit eines Menschen definiert. Der Staat entscheidet, wem der Aufenthalt erlaubt oder verwehrt wird.
„Opferlose Kriminalität“
Was sind die rechtlichen Konsequenzen für diese Menschen, wenn sie als „illegal“ gelten?
Gerda Heck: Ein „illegaler Aufenthalt“ ist hierzulande ein Straftatbestand im Ausländergesetz, der mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr geahndet werden kann und zählt wie auch die „illegale Beschäftigung“ zur so genannten „opferlosen Kriminalität“. Der Tatvorwurf, der gegen MigrantInnen ohne Papiere am häufigsten polizeilich erhoben wird, ist in 92 Prozent der Fälle der Verdacht auf Verstoß gegen das Ausländergesetz und Asylbewerberleistungsgesetz.
Schätzungen zufolge leben heute, wenn diese Zahlen auch mit Vorsicht zu genießen sind, zwischen 500.000 und 1,5 Millionen ohne gültige Aufenthaltspapiere vor allem in den Großstädten Deutschlands.
Gleichzeitig geht die International Labour Organisation (ILO) von rund 90 Millionen ArbeitsmigrantInnen weltweit aus, die nicht in ihrem Heimatland leben. Noch nie in der Geschichte verließen so viele Menschen als Arbeitsmigranten ihr Geburtsland wie seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Welche gegenwärtigen Trends der Migration können Sie feststellen?
Gerda Heck: Zum einen beobachten wir eine zunehmende Feminisierung von Wanderungsbewegungen. Sowohl der Anteil der migrierenden Frauen ist gestiegen, als auch der Anteil von Frauen an der nicht-dokumentierten, also nicht erfassten Migration. Zum anderen stellen wir geografische Verschiebungen fest: Länder wie Italien, Griechenland oder Portugal waren bis in die frühen 1980er Jahre klassische Auswanderungsländer, heute sind sie Einwanderungsländer. Andere Staaten, wie Ukraine oder die Türkei, sind seit einigen Jahren sowohl Einwanderungs- als auch Auswanderungsländer. Zugleich wird Migration transnationaler. Menschen migrieren nicht mehr nur von A nach B, sie migrieren, halten aber beispielsweise die Verbindungen zu ihrem Herkunftsort aufrecht. So entstehen transnationale soziale Räume.
Die meisten Illegalisierten kommen mit einem Touristenvisum
Mobilität einerseits, Grenzkontrollen andererseits. Das klingt paradox. Werden die Grenzen verdichtet, weil wir mobiler und konkurrenzfähiger sind?
Gerda Heck: Im Grunde wird ein vordergründiges Paradox augenfällig: Zum einen wird die Mobilität in punkto Waren, Information, Dienstleistung und auch partiell von Menschen gefördert und forciert, zum anderen wird insbesondere die Mobilität von bestimmten Bevölkerungsgruppen zu verhindern gesucht. Transnationale soziale Räume, die durch Mobilität erst entstehen, bieten dann für viele nicht-dokumentierte MigrantInnen wiederum einen alternativen Bezugsrahmen jenseits der nationalstaatlichen Kontrolle. Im öffentlichen Diskurs wird darum häufig das Bild des „echten“ Migranten gezeichnet, der es verdient habe, herzukommen, zugleich das der „Illegalen“, die es nicht verdient haben.
Findet diese Einteilung auch statt, um den Ausschluss von bestimmten Minderheiten zu legitimieren? Man sei ja nicht gegen „alle“, nur gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen...
Gerda Heck: Ja, das ist politische Realität in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist auch Konzept des neuen deutschen Zuwanderungsgesetzes seit dem Jahre 2005 und Folge der Vorschläge für die zirkuläre Migration in Europa. In Deutschland und in Europa sind Nicht-EU-BürgerInnen mit weit weniger Rechten ausgestattet als EU-BürgerInnen, hierzulande besitzen sie beispielsweise weder aktives noch passives Wahlrecht. Dass man sich nur vor bestimmten Bevölkerungsgruppen verschließt, wird auch in den Bildern deutlich, die immerzu gezeigt werden, wenn es um Immigration geht.
Was meinen Sie?
Gerda Heck: Auf denen sind Menschen mit Booten zusehen, die regelrecht „angeschwemmt“ werden. Durch diese Bilder von überfüllten Booten werden die klandestinen MigrantInnen als bedrohliche Masse vorstellbar. Diese Bilder stimmen aber nicht. Die meisten Illegalisierten kommen mit einem Touristenvisum und bleiben anschließend.
Überhaupt finden die meisten Mobilitäts- und Flüchtlingsbewegungen in der so genannten Dritten Welt statt. Kaum fünf Prozent der weltweit erfassten Flüchtlinge und Vertriebenen kommt als Asylbewerber nach Europa und Nordamerika. Und davon dürfen nur noch 0,2 Prozent bleiben.
Es wird also etwas konstruiert, das es kaum gibt?
Gerda Heck: Wenn wir uns die realen Zahlen der Migration anschauen, sind diese weitaus niedriger als die medial vermittelten. Nehmen wir als Beispiel Spanien. In den letzten Jahren sind jährlich rund 700.000 Menschen eingewandert. Nur ein Bruchteil davon setzte mit dem Boot auf die Kanaren über. Dennoch sind dies die Bilder, die uns medial regelmäßig präsentiert werden und wir müssen uns fragen, warum wir diese Bilder brauchen. Auch sind die Menschen, die sich etwa aus der Sub-Sahara auf den Weg machen, meist nicht die Ärmsten der Armen, was immer behauptet wird. Es sind in der Regel Menschen aus gut gebildeten Mittelschichten aus den ärmeren Ländern, die sich eine Chance in Europa erhoffen, die man ihnen verweigern will.
Die Konstruktion des „Illegalen“ und die Abwehr von „Armutsmigration“ klingt nach einem zutiefst egoistischen Zug westlicher Industrienationen...
Gerda Heck: Nicht nur das, er ist auch rassistisch.
Inwiefern?
Gerda Heck: Auf den Bildern von Migrierenden sind in der Regel Stereotype von Menschen zu sehen. Es werden beispielsweise erschöpfte und ausgezehrte MigrantInnen mit großen Augen abgebildet, die hungrig aussehen als wollten sie einem etwas wegnehmen. Durch Symbole des Stroms und der Massen wird den Migranten und Migrantinnen der Subjektstatus aberkannt. Das schließt die Option aus, sie als ebenbürtige Verhandlungspartner mit einzubeziehen.
Im Prozess der Konstitution der europäischen Identität bilden schließlich diejenigen, die keine BürgerInnen eines EU-Staates sind, die Kategorie der „Anderen“, die beispielsweise nicht weiß oder nicht christlich sind. Der europäische Binnenraum wird heute mehrfach begrenzt und segmentiert.
Das Elend bestimmter Menschen als Beispiel für weitere Verschärfungen
Sie vergleichen in ihrem Buch das Einwanderungsland USA mit Deutschland als „Einwanderungsland wider Willen“. Welche Unterschiede können Sie in diesem Punkt feststellen, welche Parallelen existieren?
Gerda Heck: Die Unterschiede sind ganz klar: Die USA haben sich immer als Einwanderungsland verstanden, Deutschland nicht. Deutschland hat sich bis 1998 schlichtweg geweigert, ein Einwanderungsland zu sein, obwohl Menschen eingewandert sind. Das alles ist in den USA immer anders gewesen. Migration war für die USA immer bedeutend und vor allem konstitutiv. Das hat auch Konsequenzen im Umgang mit nicht-dokumentierter Migration. In den USA ist es lange nicht so schwierig wie in Deutschland, ohne Papiere zu leben. Manche Leute leben in den USA seit über 20 Jahren ohne einen regulären Status, ihre Kinder gehen zur Schule, sie arbeiten, das war lange Zeit gar kein großes Problem.
Inwiefern haben die Anschläge vom 11. September 2001 die Situation verändert?
Gerda Heck: Die Situation für Migrierende und MigrantInnen hat sich in den USA seit dem 11. September verschlechtert, wenn auch seit dem Jahre 2003 eine öffentliche Debatten um die Legalisierung nichtdokumentierter MigrantInnen stattgefunden hat, wozu in den USA 11 Millionen Menschen gehören. Gerade aber Menschen aus muslimischen Ländern sind seitdem in den Fokus geraten. Im Zuge der „special-registration“ sollten MigrantInnen auf eine vermeintliche Nähe zu terroristischen Gruppierungen überprüft werden. Die Auswahl traf hauptsächlich MigrantInnen aus muslimischen und arabischen Ländern. Fast 12.000 Menschen sind daraufhin aufgrund fehlender Aufenthaltspapiere ausgewiesen worden. Der irreguläre Einwanderer ist im Grunde zu einem gefährlichen Terroristen geworden.
Die Ängste der Menschen im Zuge des internationalen Terrorismus muss man dennoch verstehen. Inwiefern konstruieren die Medien in diesem Punkt aber ein Bild vom „illegalen“ Einwanderer, das nicht stimmt?
Gerda Heck: Die Medien berichten zunächst sehr unterschiedlich über Migration. Es gibt gute und auch kritische Berichte zum Schwerpunkt Migration. Trotzdem kehren in relativ sicheren Abständen immer jene Bilder wieder, auf denen arme Bootsflüchtlinge oder skrupellose Menschenhändler und Schlepper abgebildet sind. Das ist sehr publikumswirksam und produziert ein bestimmtes Bild von Migranten und dem Geschehen an Europas Grenzen. Da geht es manchmal gar nicht darum, was man berichtet, sondern wie berichtet wird.
Das Elend bestimmter Menschen wird dann als Beispiel für weitere Verschärfungen herangezogen und Verschärfungen gar unter dem Deckmantel der Menschenrechte legitimiert. Im Sinne der Menschenrechte werden auch Auffanglager vor den Grenzen Europas errichtet.
Protest und postnationale Selbstbestimmung
Regt sich dagegen Protest?
Gerda Heck: Es haben sich in den vergangenen Jahren weltweit migrantische und migrationspolitische Gruppen formiert, die sich gegen die Illegalisierung von Einwandern richten und gleiche Rechte für diese fordern. Der Protest zeigt sich auf verschiedenen Ebenen: im Alltag, an den Grenzen und auch in der Öffentlichkeit. In meiner Studie habe ich beispielsweise die deportation.class des Netzwerks „Kein Mensch ist illegal“ in der Bundesrepublik Deutschland wie auch die „National Coalition for Dignity and Amnesty“ in den USA untersucht. Hier ist auch deutlich geworden, wie die Bewegungen sich zunehmend international und transnational vernetzen und organisieren.
Wie wirksam kann dieser Protest sein?
Gerda Heck: In Bezug auf „Kein Mensch ist illegal“ und die „National Coalition for Dignity and Amnesty“ lässt sich sagen, dass beide Bewegungen ein beträchtliches Maß an Mobilisierungsfähigkeit an den Tag gelegt haben. Mit der deportation.class-Kampagne (siehe Die Lufthansa "Deportation Class") hat das Netzwerk zum einen weite Teile der Gesellschaft und vor allem auch innerhalb des Lufthansa-Unternehmens für das Thema Abschiebung sensibilisieren können.
Zum anderen haben sie das Unternehmen soweit bringen können, dass Abschiebungen gegen den erkennbaren Willen des Abschiebehäftlings nicht mehr durchgeführt werden. In den USA ist nach einer Pause von zwei Jahren nach dem 11. September im Jahr 2003 die Debatte um eine mögliche Legalisierung von Sans Papiers wieder aufgenommen worden. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst der migrationspolitischen Organisiationen und Bündnisse, wie der National Coalition for Dignity and Amnesty.
Was passiert mit denen, die nicht organisiert sind oder keine Lobby haben?
Gerda Heck: Die klandestinen MigrantInnen praktizieren ja bereits eine postnationale Selbstbestimmung, indem sie sich die Rechte nehmen, die ihnen offiziell vorenthalten werden: Sie wandern klandestin nach Europa oder in die USA ein. Durch ihre alltägliche Präsenz in den westlichen Metropolen sowie ihre permanenten Grenzüberschreitungen unterminieren sie damit die Idee des Nationalstaats und nehmen sich ihr Recht auf Mobilität. Dass sie als illegal gelten, haben sie sich nicht ausgesucht. Zu „Illegalen“ werden sie gemacht.