Gesundheit: Wie viel Sonnenlicht ist gut für uns?
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Wie die Helmholtz-Gemeinschaft – neben der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft einer der drei großen Wissenschaftsträger Deutschlands – berichtet, sollte man darum die Sonne aber nicht ganz meiden. Vitamin D-Mangel sei nämlich seinerseits ein Risikofaktor für Herzinfarkte, Darmkrebs und Typ 2-Diabetes im Alter.
Zu wenig ist nicht gut; zu viel aber auch nicht. Was also tun? Und da befinden wir uns mitten im Dilemma eines "wissenschaftlichen Lebens". Die Antwort liegt nämlich nicht nur an individuellen Faktoren, wie etwa dem Hauttyp: Je heller die Haut, desto tiefer kann die potenziell gefährliche UV-Strahlung eindringen.
Darüber hinaus basieren solche Gesundheitsinformationen – ebenso wie bei den Sport- und Ernährungswissenschaften – oft auf großen Stichproben. Was im Mittelwert gut oder schlecht ist, muss das nicht zwangsläufig auch für mich sein.
So Verweisen beispielsweise Raucher gerne auf Ausnahmeerscheinungen wie den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt, der es als Kettenraucher fast bis zum stolzen Alter von 100 Jahren schaffte. Das gilt aber erst einmal nur für Schmidt, nicht für einen selbst. Die relevantere Frage wäre hier: Wie alt hätte er ohne Zigarettenkonsum werden können? Wir wissen es nicht – und er hatte dem Vernehmen nach am Ende auch keine Lust mehr.
Komplexe Gesundheitsforschung
Die Antwort mag so interessant sein, wie sie will; die Wahrscheinlichkeit, darauf eine wissenschaftliche Antwort zu finden, ist aber sehr gering. Das liegt nicht nur an der unüberschaubaren Anzahl von Faktoren, die für die Gesundheit eines Menschen eine Rolle spielen.
Dazu kommt, dass die meisten Ergebnisse der Gesundheitsforschung auf Beobachtungen über lange Zeiträume hinweg basieren. Die Ergebnisse sind dann zwangsläufig korrelativer, nicht kausaler Natur. Will heißen: Sie legen erst einmal nur einen Zusammenhang der Form "je mehr X, desto mehr (oder weniger) Y" nahe, erklären diesen aber nicht.
Zudem können X und Y beide durch einen weiteren Faktor Z beeinflusst werden. Oder der Zusammenhang ist rein zufällig. Zur Kontrolle hierfür gibt es zwar statistische Methoden, die im Grunde Ergebnisse nur plausibilisieren, nicht beweisen können: Ab wann halten wir Menschen (beziehungsweise: die Forscher) einen Effekt für groß genug, um den Zufall auszuschließen?
Das zeigt, dass es in letzter Konsequenz auch in der Gesundheitsforschung um menschliche Normen geht. Die Natur interessiert sich aber nicht dafür, wie wir Menschen über Statistik denken.
Wie die Wahrscheinlichkeiten auch aussehen: Am Ende bekommt jemand beispielsweise Hautkrebs – oder auch nicht. Und Medizinerinnen und Mediziner weltweit arbeiten daran, im Fall der Fälle eine gute Behandlung anbieten zu können.
Das Ergebnis der Diskussion scheint also nicht ganz zu befriedigen. Es gibt keine präzise Antwort. Das liegt auch daran, dass die Möglichkeiten experimenteller Forschung hier begrenzt sind:
Es verbietet sich, Menschen bewusst UV-Strahlung auszusetzen, um dann die Häufigkeit von Tumoren zu messen; solche Versuche haben Nazi-Ärzte in Konzentrationslagern durchgeführt.
Außerdem geht es hier um Millionen (Billionen, Trillionen?) Licht-Teilchen, die im Zeitraum von Jahren auf einer Hautstelle auftreffen. Darauf reagiert der Körper dynamisch, nach seinen Möglichkeiten.
In den allermeisten Fällen geht das gut. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zellschädigung genau dann auftritt, wenn ein Arzt oder Wissenschaftler zuschaut, tendiert gegen null. Mit dieser Unsicherheit müssen wir schlicht leben.
Auch wenn wir uns eine Erkältung oder Ähnliches einfangen, kann uns hinterher niemand genau sagen, was die Ursache war. Wir stellen uns die Welt gerne einfacher vor, als sie ist.
Empfehlung der Helmholtz-Gemeinschaft
Als gesunden Maßstab fürs Sonnenlicht empfiehlt die Helmholtz-Gemeinschaft, vom März bis Oktober fünf bis 25 Minuten in kurzärmliger Oberbekleidung und mit freien Waden spazieren zu gehen oder in der Sonne zu sitzen. Im Frühjahr oder Herbst sei die längere, im Sommer die kürzere Zeit ideal.
Ansonsten gilt: Da sich die Haut der meisten Mitteleuropäer nur bedingt selbst schützen könne – auf dem Niveau von Lichtschutzfaktor Zwei –, solle man beim längeren Aufenthalt im Freien möglichst viel Haut mit Kleidung schützen; und für die freien Stellen Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 20 verwenden.
Für intensivere Sonnenbäder im Schwimmbad oder am Strand sowie Menschen mit empfindlicher Haut darf man wohl einen höheren Schutzfaktor empfehlen. Aber hier hilft wohl auch etwas gesunder Menschenverstand: Hautrötungen und spätestens Verbrennungen sind Hinweise darauf, dass man es übertrieben hat.
Dann ist aber bereits ein Schaden eingetreten. Ein Schaden, den, wie wir gesehen haben, der Körper bis zu einem gewissen Maß selbst beheben kann.
Und so sehen wir im Ergebnis, dass uns die Wissenschaft zwar oft keine eindeutigen oder endgültigen Antworten geben kann. Wissenschaftliches Wissen hat aber trotzdem einen besonderen Status: Es ist systematisch und nach überprüfbaren Kriterien entstanden.
Jede einzelne Studie hat immer bestimmte Vor- und Nachteile, eine bestimmte Aussagekraft und Einschränkung. Es ist ein Steinchen im größeren Mosaik menschlichen Wissens. Zusammen mit anderen Quellen ergibt sich aber der Wissensschatz, mit dem wir am Ende besser – und das heißt hier: gesünder und länger – leben können.
Dabei sollten wir nicht vergessen, dass permanente Kommunikation über Risiken die Menschen auch stresst und verunsichert. Dieser Stress kann wiederum selbst ein Krankheitsfaktor sein.
Unsere Welt ist nicht vollständig kontrollier- und beherrschbar, so gerne wir das auch hätten. Darum sollten wir nicht aus den Augen verlieren, das Leben zu genießen. Dafür darf man die "seriöse" Wissenschaft auch mal beiseitelassen.
Hinweis: Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.