Gesundheit auf der Steuerwaage: Wie Steuersätze unser Essen formen könnten

Ist es Zeit, gesunde Lebensmittel steuerfrei zu machen? Ein Umdenken könnte unser Essen revolutionieren. Gesund leben – Krankenkassen müssen weniger zahlen.

Dass die Umsatzsteuer-Einstufung von Lebensmitteln in erster Linie historisch zu erklären ist und zudem als Erfolg einzelner Lobbygruppen vermerkt werden kann, ist in Deutschland so gut wie kein Thema.

Jedoch ächzt das Gesundheitssystem unter den Folgen falscher Ernährung und die Trinkwasserversorgung muss ins Grundwasser eingeleitete Medikamentenrückstände verkraften.

Wenn die Kuh den Steuersatz bestimmt

Ein Becher Kaffee, mit einem Schuss Milch, wird mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet. Überwiegt die Milch wie bei einem Latte macchiato mit 75 Prozent, reduziert sich der Steuersatz auf 7 Prozent.

Wählt man anstatt von Kuhmilch ein Milchersatzprodukt, werden wiederum 19 Prozent fällig. Relevant für den Steuersatz ist auch der Ort des Verzehrs. Wird die Brezel mitgenommen, liegt der Steuersatz bei 7 Prozent, verzehrt man sie vor Ort, werden 19 Prozent fällig.

Seit 2022 haben die Mitgliedstaaten deutlich mehr Freiheit bei der Umsatzsteuer. Sie dürfen sogar ganz streichen, wie das Beispiel kleiner PV-Anlagen zeigt.

Zuckersteuer in Großbritannien erfolgreich

Seit April 2018 gibt es in Großbritannien unter dem Namen "Soft Drinks Industry Levy" eine Steuer auf stark zuckerhaltige Getränke wie Cola oder andere Limonaden.

Seitdem müssen Hersteller von Getränken mit extra Zuckerzusatz 18 Pence pro Liter zahlen, wenn der Zuckergehalt zwischen 5 und 8 g/100 ml liegt. Enthält die Limonade mehr als 8 g Zucker pro 100 ml, sind sogar 24 Pence pro Liter fällig. Das hat dazu geführt, dass der Zuckergehalt der Getränke in Großbritannien drastisch gesenkt wurde und infolgedessen auch die Fettleibigkeit bei Kindern teilweise rückläufig ist.

In Deutschland gab es seit 1841 schon eine Zuckersteuer. Sie wurde auf Rohrzucker erhoben, um den Zuckerrüben-Anbau in Deutschland im Wettbewerb gegen Rohrzucker aus Übersee zu schützen. Im Jahr 1993 wurde sie abgeschafft, weil der Rübenzucker gesiegt hatte.

Zucker findet sich heute nicht nur in Marmeladen aus Zitrusfrüchten und Konfitüren, die im Gegensatz zu Fruchtaufstrichen einen Gesamtzuckergehalt von mindestens 55 Prozent aufweisen müssen. Dieser stammt einerseits direkt aus Früchten und wird ergänzt durch den Zusatz von klassischem Haushaltszucker, braunen Zucker oder auch Honig.

Fruchtaufstriche enthalten mehr Früchte als Marmeladen, Gelees oder Konfitüren. Ihr Fruchtanteil liegt bei 50–65 Prozent. Da somit auch weniger Zucker drinsteckt, darf sich der Fruchtaufstrich nicht Konfitüre nennen. So will es die deutsche Konfitüren-Verordnung, welche die entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt hat.

Die von den Briten durchgesetzte Richtlinie 2001/113/EC, welche Marmeladen auf Zitrusfrüchte beschränkt, bleibt der EU auch nach dem Brexit zur Erinnerung an das Inselvolk erhalten.

Zucker gefährdet die Gesundheit

Zucker findet sich heute auch in vielen anderen Lebensmitteln, von der Fischkonserve bis zur Wurst und verdirbt dabei das Geschmacksempfinden, das auf den Zucker konditioniert wird.

Gegen ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel, die speziell für Kinder angeboten werden, stemmt sich in Deutschland hauptsächlich die Werbewirtschaft.

Dabei ist Zucker nicht der einzige Stoff, welcher gerade Kinder in ihrem Essverhalten konditioniert. Auch Alkohol versteckt sich in vielen Produkten aus dem Supermarkt. Ob in Grillsauce, im Fertigkuchen oder teilweise auch in Gummibärchen, ein eindeutiger Hinweis ist auf der Verpackung oft nicht zu finden. Wird er als Trägerstoff für Geschmack verwendet, muss er gar nicht im Zutatenverzeichnis aufgeführt werden.

Gesundes Obst und Gemüse könnte Umsatzsteuer-frei sein

Dass die deutschen Bauern jetzt nicht für eine Steuerfreiheit von Obst und Gemüse auf die Straße gehen, ist leicht nachzuvollziehen. Sie bieten nur noch 20 bis 30 Prozent der hierzulande verzehrten Früchte an. Die große Mehrheit wird importiert.

Mit steigenden Lebensmittelpreisen nimmt der Ruf nach Steuersenkungen für Obst- und Gemüse zu. Über höhere Steuern auf Fleisch könnte man diese Kosten leicht gegenfinanzieren, bietet der EU-Werkzeugkasten auch höhere Steuersätze als 19 Prozent an.

Gesundheitliche Folgen der Fehlernährung geht zulasten des Gesundheitssystems

Dass die Gesellschaft von einer geringeren Steuerbelastung von Obst und Gemüse letztlich profitieren könnte, ist nicht von der Hand zu weisen.

Denn ungesunde Ernährung kostet das Gesundheitssystem jährlich knapp 17 Milliarden Euro, wie eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gezeigt hat.

Die Folgen der überzuckerten Kinderlebensmittel werden sich dabei in ihrem vollen Umfang erst in der Zukunft zeigen. Steigende Kosten für die Krankenkassen werden dann nicht zu vermeiden sein.

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