Fastenzeit: Zwischen spiritueller Tradition und modernem Lifestyle

Fasten vereint Tradition und Trend. Verzichtet wird nicht immer aus religiösen Gründen. Welche Rolle spielen Gesundheit, Lifestyle und Konsumkritik?

Seit Tagen wird das deutschsprachige Internet mit Artikeln über die Vorteile des Fastens nicht nur für Gläubige, sondern auch für Gesundheitsbewusste geflutet. Die Münchner Tageszeitung (tz) widmete dem Thema "Fasten macht fit & glücklich" sogar am Tag vor Aschermittwoch sogar eine Titelseite, um Unentschlossene zu motivieren.

Gesundheitliche Vorteile des Fastens

Dabei ist Fasten bereits "in" – zumindest in der Theorie: Laut Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit finden 76 Prozent der unter 30-Jährigen zumindest den zeitweiligen Verzicht auf Genussmittel und Konsum sinnvoll. Insgesamt gaben 67 Prozent aller Befragten an, das Fasten aus gesundheitlicher Sicht für sinnvoll zu halten.

Von Alkohol bis Internet: Worauf Deutsche verzichten würden

Dabei würden gut drei Viertel der Befragten (77 Prozent) am ehesten auf Alkohol verzichten, 72 Prozent auf Süßigkeiten und mehr als die Hälfte (54 Prozent) auf Fleisch.

Gefragt wurde außerdem nach Tabak, Fernsehen und Internet: 26 Prozent der Befragten würden beim Fasten am ehesten auf Internet, Smartphone, Spielekonsolen oder ähnliches verzichten. 2023 waren dies nur 19 Prozent gewesen. Als Gründe für "Digital Detox" werden vor allem der Wunsch nach weniger Stress, mehr Zeit für sich selbst und wichtige Aufgaben, die die gesamte Konzentration erfordern, genannt.

Klimafasten: Für die Umwelt verzichten

Auch Kirchenmänner ahnen, dass Religion heute für viele nicht mehr die Hauptmotivation zum Fasten ist: So warb schon im Januar Weihbischof Rolf Lohmann von Münster, der als Umwelt-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) fungiert, für ein "Klimafasten", das parallel zum traditionellen vorösterlichen Fasten stattfinden soll.

"Vielleicht ist es der Weg zum Einkaufen, der nicht mit dem Auto zurückgelegt wird, oder der Fernseher, der einen Abend ausgeschaltet bleibt. Möglichkeiten zum Klimafasten gibt es viele", sagte der Weihbischof laut einem Bericht der katholischen Nachrichtenagentur CNA.

Traditionelles Fasten neu interpretiert

Auf deren Homepage werden allerdings auch für härtere Varianten des traditionellen Fastens vorgestellt, die nur schwer mit einer Berufstätigkeit vereinbar sind, wenn sie tatsächlich mehr als 40 Tage praktiziert werden. Genannt wurden dort in dieser Woche "fünf Vorschläge, die nur für Christen gedacht sind, die dieses Jahr die Fastenzeit ernst nehmen wollen" – darunter sowohl der Verzicht auf das Schlafen im Bett als auch der Verzicht auf Kaffee.

"Wenn wir uns entscheiden, auf dem Boden zu schlafen, erinnern wir uns an die vielen Menschen, die kein Bett haben oder in Armut leben", heißt es zur Begründung. "Wir erinnern uns auch an Jesus, der in der Nacht vor seinem Tod im Garten betete und litt."

Auch hier wird allerdings die digitale Auszeit genannt, die nicht nur tiefgläubige Christen zur Stressreduktion für sinnvoll halten.

Fastenvarianten: Für jeden etwas dabei

In der Tat gibt es aber so viele Varianten des Fastens, dass fast (!) für jeden etwas dabei ist. Wer nicht gläubig ist, kann auch das ursprünglich christliche Timing – von Aschermittwoch bis Ostersonntag – zum Anlass nehmen, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, den Weihnachtsspeck loszuwerden und der Leber eine Verschnaufpause zu können.

Denn die Standard-Variante, mit der viele Katholiken aufgewachsen sind, bedeutet schlicht, auf Alkohol, Tabak, Fleisch und Süßigkeiten zu verzichten. Außerhalb der Fastenzeit heißt auch das heute umgangssprachlich Detox – die englische Kurzform von Detoxification, zu Deutsch: Entgiftung. Wer bereits vegan oder vegetarisch ist und nicht raucht, wird es dadurch bedeutend leichter haben.

Die spirituelle Dimension des Fastens

Nur an zwei strengen Fastentagen – Aschermittwoch zu Beginn der Fastenzeit und Karfreitag am Ende – sollen aus katholischer Sicht auch die meisten Mahlzeiten ausfallen: nur eine ist dann jeweils erlaubt.

Wissenschaftliche Perspektiven auf das Fasten

Der zeitweilige Verzicht auf Essen muss aber nicht zwangsläufig ungesund sein: Wissenschaftlerinnen der Universität Cambridge haben kürzlich Studienergebnisse darüber veröffentlicht, wie Fasten vor Entzündungen schützen oder sie zumindest lindern kann. Laut Clare Bryant von der University of Cambridge erhöht das Fasten im Blut den Arachidonsäure-Spiegel. Die körpereigene Chemikalie ist für ihre entzündungshemmende Wirkung bekannt.

Es sei schon seit einiger Zeit bekannt," dass unsere Ernährung – insbesondere eine kalorienreiche westliche Ernährung – unser Risiko für Krankheiten wie Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen erhöhen kann, die mit chronischen Entzündungen im Körper verbunden sind", hieß es zur Vorstellung der Studie. Das wäre noch ein Argument für die Gesundheits- und Lifestyle-Fraktion.

Sieben Wochen Ohne: Evangelischer Fasten-Pluralismus

Die Evangelische Kirche in Deutschland macht es ihren Mitgliedern und Interessierten aber so leicht wie möglich: Bei der vorösterlichen Fastenaktion "7 Wochen Ohne" geht es nicht darum, was man weglässt, sondern nur darum, überhaupt etwas wegzulassen:

"Wir laden Sie ein, sieben Wochen auf etwas zu verzichten und damit in dieser Zeit etwas freizulegen und in Bewegung zu bringen. Dafür soll Raum sein", heißt es dazu auf der eigens dafür gestalteten Homepage. "Der Verzicht macht Appetit – auf das Leben."