Weniger Fleisch: Kultur des Festtagsbratens statt täglich Billig-Schnitzel?
Auch wenn der Konsum nachlässt: Bei vielen steht Fleisch ganz oben auf dem Speiseplan. Doch wie viel ist eigentlich natürlich und gesund?
Das Fest der Liebe und der Geschenke steht vor der Tür – und damit die Zeit des üppigen Festmahls. Fleisch gehört für die meisten Deutschen zu Weihnachten einfach dazu.
Zwar ist der Fleischkonsum hierzulande in den letzten Jahren gesunken, dennoch essen die Deutschen im Schnitt noch immer 52 Kilogramm Fleisch pro Person und Jahr. Viel zu viel, findet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die 22 Kilogramm pro Kopf und Jahr als gesundes verträgliches Maß einstuft.
Denn auch wenn Fleisch inzwischen teurer geworden ist: Viele konsumieren es an Sonn- und Feiertagen genauso wie an allen anderen Tagen.
Verbrauch höher als Konsum
Der deutsche Gesamtverbrauch pro Kopf – eingerechnet Tierfutter, industrielle Verwertung und Produktverluste – summiert sich sogar auf 77,5 Kilo Fleisch. Laut Statista entfällt mehr als die Hälfte der konsumierten Menge auf Schweinefleisch.
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Es folgen Geflügel mit rund dreizehn Kilo sowie Rindfleisch mit rund neun Kilogramm pro Kopf. Die tendenziell sinkende Fleischmenge sei auf die Zurückhaltung gegenüber dem Schweinefleisch zurückzuführen, wie es heißt. Hier sank der Verbrauch seit 1991 um mehr als vierzehn Kilogramm.
Weltweit nahm der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch während des letzten Jahrzehnts um rund ein Kilo zu. Im Jahr 2020 lagen die USA mit 128 Kilo an der Spitze, gefolgt von Deutschland und Frankreich, mit je rund 78 Kilo sowie China mit rund 62 Kilo.
Aßen Frühmenschen mehr Pflanzen als Fleisch?
Lange Zeit galten tierische Nahrungsmittel seit Urzeiten als zentraler Bestandteil der Ernährungsweise des Homo sapiens. Inzwischen deuten viele anatomische und physiologische Merkmale darauf hin, dass das Essen unserer Vorfahren seit je her stark pflanzlich geprägt war. So enthält menschlicher Speichel ein Enzym, das den Abbau von Stärke schon beim Kauen ermöglicht.
Damit werden im Dickdarm unverdauliche Nahrungsbestandteile abgebaut, die in der Regel bei Pflanzenfressern oder Allesfressern mit überwiegend pflanzlicher Nahrung vorkommen. Während der Körper klassischer Fleischfresser selbst Vitamin C bilden kann, ist der Mensch darauf angewiesen, dieses Vitamin über die Nahrung aufzunehmen.
In der Urzeit war der Wirkstoff in der menschlichen Kost offenbar reichlich vorhanden, dass er auf die Eigensynthese verzichten konnte, vermuten Wissenschaftler.
Lange gängige Hypothese widerlegt
Später, als der Frühmensch seine Ernährung mit Fleisch erweiterte, habe dies zu einem rasanten Wachstum des menschlichen Großhirns geführt. So jedenfalls lautete jahrzehntelang die gängige Hypothese.
Doch wird dies mittlerweile von einer jüngeren Studie widerlegt, für die Wissenschaftler archäologische Funde aus Ostafrika analysierten. Fazit: Weil von Homo erectus weit mehr Relikte gefunden wurden, ist über seine Ernährung schlicht mehr bekannt. Der vermeintlich zunehmende Anteil an tierischer Kost sei nur eine Folge ungleicher Funddichte.
Erfindung des Kochens machte Nahrung ergiebiger
Warum sich das menschliche Gehirn schließlich vergrößert habe, dafür müsse es andere Erklärungen geben, sagt Studienautor Andrew Barr von der George Washington University.
So könnte die Erfindung des Feuers und des Kochens den nötigen Energieschub geliefert haben: Weil gegarte Speisen besser verdaulich sind, liefern sie mehr Energie als Rohkost.
Weiterhin könnte die sich ändernde Sozialstruktur eine Rolle gespielt haben.
Schlechte Kombination: viel Fleisch und wenig Bewegung
Wie auch immer - erwiesen ist, dass die Menschen in der Steinzeit frei lebendes Wild jagten - und das war harte körperliche Arbeit. Seither änderte sich unsere Lebensweise jedoch grundlegend: Mit dem bewegungsarmen Durchschnittsleben von heute verträgt sich Fleisch mit seinem hohen Energie- und Fettgehalt eher schlecht.
Wir brauchen Fleisch weder, um zu überleben, noch, um lebenswichtige Nährstoffe aufzunehmen. Eine ständige Überdosis kann sogar krank machen - mit Herzkreislaufproblemen, Stoffwechselerkrankungen bis hin zu entzündeten Gelenken und Krebs.
Dem Menschen gefährlich werden können aber auch resistente Keime, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft, weil zu viel davon an Tiere in der industriellen Mast verabreicht wird.
Vom Luxusgut zum Junkfood
War es Fleisch lange Luxusgut, so dominiert heute Billigfleisch aus industrieller Haltung die Supermarktregale, kritisiert Gunther Hirschfelder, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg und Leiter des Projektes "Fleisch als Kulturgut", das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
Ernährung sei weit mehr als eine bloße Nahrungsaufnahme, sondern eine soziale, historische und auch emotionale Verortung. Deshalb sei es für den Einzelnen schwer, sich fleischlos zu ernähren. Denn je nach Kultur ist es ein traditionell empfundenes, früh eingeübtes Verhalten.
Zähe Gewohnheiten
Wer als Kind regelmäßig Mahlzeiten mit Fleisch und wenig Gemüse vorgesetzt bekam, dem fällt es als Erwachsenen schwer, sein Essverhalten zu ändern.
Fast food und Imbisskultur tun ein Übriges: Überall locken günstige, schnelle Gerichte mit Fleisch, mit hohem Fett- und Proteingehalt sowie hoher Energiedichte.
Ein Weg aus dem Fleisch-Dilemma wäre: Genießen, ohne zu verzichten. Der Foodblogger Julien Walther wirbt auf seinem Blog Trois Etoiles dafür, nur sehr selten, dafür aber sehr hochwertiges Fleisch zu essen. Würden dies alle tun, wäre die Massentierhaltung bald schon Geschichte.
Weihnachtsgans aus artgerechter Haltung
Wer zu Weihnachten auf den Festtagsbraten nicht verzichten will und wem Tierwohl wichtig ist, sollte beim Kauf zumindest auf die Herkunft achten. Eine Gans oder das Fleisch einer Gans zum Beispiel sollte aus heimischer Produktion stammen und mit dem Etikett "Freilandhaltung" (mindestens vier Quadratmeter Auslauf pro Tier) oder "bäuerliche Freilandhaltung" (mindestens zehn Quadratmeter pro Tier) versehen sein.
Gänsen aus ökologischer Erzeugung wird mindestens fünfzehn Quadratmeter Auslauf gewährt. Die Tiere müssen Zugang zu einem Gewässer oder Wasserbecken haben, in das sie eintauchen können.
Weil die Gänse hierzulande mit sechs Monaten deutlich länger heranwachsen als Gänse aus Osteuropa, sind sie in der Regel schwerer und wiegen durchschnittlich fünf Kilogramm bei der Schlachtung. Um kostendeckend wirtschaften zu können, ist der Verkaufspreis mit mindestens zehn bis fünfzehn Euro pro Kilogramm doppelt so hoch. Bio-Gänse kosten mindestens zwanzig Euro pro Kilogramm.
Wild aus dem heimischen Wald oder Gehegehaltung
Ob Keule vom Reh oder Gulasch vom Hirsch – Wildfleisch ist meistens fettarm und reich an Mineralstoffen. Die meisten Tiere leben in freier Wildbahn. Heimisches Wildfleisch ist in Fleischerfachgeschäften oder an den Fleischtheken des Lebensmitteleinzelhandels erhältlich.
Weil etwa 40 Prozent des hierzulande verzehrten Wildfleisches aus anderen Ländern importiert wird, sollte man jedoch immer nach der Herkunft fragen oder sich direkt an heimische Jäger oder Forstämter wenden.
Wild kann durch Bleimunition belastet sein
Weil Wild hierzulande – außer in NRW – mit bleihaltiger Munition geschossen wird, kann Wildfleisch allerdings mit Blei belastet sein. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) rät Kindern, Schwangeren und Frauen im gebärfähigen Alter vom Verzehr von diesem Wild ab.
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu Folge können erhöhte Bleikonzentrationen im menschlichen Körper die Blutbildung, innere Organe sowie das zentrale Nervensystem schädigen. Immer größerer Beliebtheit erfreut sich hierzulande die Haltung von Wild in Gehegen – insbesondere von Damwild.
Hirsche, Rehe und Wildschweine in deutschen Gattern leben hier in arttypischen Gruppen mit viel Platz naturnah im Freiland, wobei ein Gehege für Rot- und Schwarzwild mindestens zwei Hektar groß sein muss, für Dam-, Sika- und Muffelwild ein Hektar.
Fleischlos durch die Feiertage
Längst ist heute eine gesunde fleischlose, vegetarische, sogar vegane Ernährung möglich. Im Netz mangelt es nicht an vielfältigen kulinarischen Rezepten. Was auffällt: In veganen Rezepten werden häufiger Pilze oder Nüsse verwendet - vermutlich um einen fleischähnlichen Geschmack zu erzeugen.
Wie zum Beispiel bei diesem Menü: Linsensalat mit Orangenvinaigrette als Vorspeise, Semmelknödel mit Apfelrotkohl und Pilzragout als Hauptgang, zum Nachtisch Apfel-Spekulatius-Creme.
Grundsätzlich gibt es im Winter eine große Auswahl an saisonalem Obst und Gemüse, mit dem sich das Essen an den Feiertagen abwechslungsreich gestalten lässt – wie etwa mit Kürbis, Karotten, Kartoffeln Schwarzwurzeln, Kohl oder Feldsalat – vorzugsweise in Bio-Qualität.
Regional ist nachhaltiger
Zudem ist Gemüse aus der eignen Region nachhaltiger als das, was von weither importiert wird. Denn wo nur kurze Wege zurückgelegt werden, werden entsprechend weniger Treibhausgase verursacht.
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