Tierwohl-Abgabe auf Fleisch: Was der Bürgerrat wollte und was Özdemir umsetzt
Mehrwertsteuer-Chaos in Sachen Grundnahrungsmittel und vorerst kein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas. Was bleibt von "gelebter Demokratie"?
Zumindest eine von neun Empfehlungen, die der "Bürgerrat Ernährung im Wandel" im Januar vorgelegt hat, scheint Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ernsthaft aufgreifen zu wollen – das kostenfreie gesunde Mittagessen für alle Kinder in Schulen und Kitas ist es allerdings nicht.
Von der Streichung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und andere gesunde pflanzliche Nahrungsmittel ist aktuell auch keine Rede – dabei hatte Özdemir im Mai 2023 in einem Interview erklärt, dass er den Vorschlag, der schon vor Jahren von der Verbraucherorganisation Foodwatch kam und nun vom Bürgerrat wieder aufgegriffen wurde, für sinnvoll hält.
Fleischkonsum im Visier der Politik: Steuerung durch Teuerung?
Stattdessen konzentrieren sich Özdemirs Pläne aber auf einen anderen Vorschlag auf der Liste des ausgelosten Gremiums, dessen Einsetzung der Bundestag im Mai 2023 beschlossen hatte: Nicht Obst und Gemüse sollen steuerlich begünstigt werden, sondern Fleisch soll durch eine Tierwohl-Abgabe verteuert werden.
Ziel ist es, die Bauern beim Umbau der Ställe zu unterstützen, damit sie "weniger Tiere besser halten" können und dafür fair entlohnt werden.
Höhe der Abgabe: Zehn Cent oder 40 Cent pro Kilo Fleisch?
Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, auch bekannt als Borchert-Kommission, hatte so etwas schon 2020 unter Özdemirs Amtsvorgängerin Julia Klöckner (CDU) ins Gespräch gebracht. Damals war von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch die Rede. Özdemir sagte im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin, für würden vorerst auch zehn Cent pro Kilogramm Fleisch genügen.
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In den Empfehlungen des Bürgerrats wird die "Verbrauchsabgabe" nicht beziffert, ist aber Teil eines Gesamtkonzepts, das unter dem Strich die Bevölkerung entlasten und gesunde Ernährung fördern könnte – vorausgesetzt, die entlastenden Vorschläge würden auch umgesetzt.
Tierische Produkte bisher bei Mehrwertsteuer im Vorteil
Nicht ohne Grund hat der Bürgerrat gefordert, die Definition von Grundnahrungsmitteln zu überarbeiten – denn was als Grundnahrungsmittel gilt, unterliegt aktuell zumindest dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Dazu zählen Fleisch, Wurstwaren, Milch und Milchprodukte, nicht aber pflanzliche Milchersatz-Drinks auf Soja- oder Haferbasis, für die 19 Prozent fällig werden, ebenso wie für Fruchtsäfte.
Eine entsprechende Liste von Produkten findet sich in Anlage 2 zu Paragraph 12 des Umsatzsteuergesetzes. Der Bürgerrat sah darin eine klare Benachteiligung von Menschen, die sich pflanzenbasiert ernähren. Allerdings wird auch zwischen Kartoffeln (sieben Prozent) und den besonders vitaminreichen Süßkartoffeln (19 Prozent) unterschieden.
Bürgerrat: Definition von Grundnahrungsmitteln veraltet
Aufgrund der Weiterentwicklung der Gesellschaft hat sich die aktuelle Definition der Grundnahrungsmittel überholt. Dies verlangt in Teilen einer neuen und vereinfachten Definition. Diese neue Definition sollte Lebensmittel berücksichtigen, die vegan, vegetarisch, klimafreundlich, nach Bio-Standard erzeugt und gesund sind. Es sollen somit die unterschiedlichen Ernährungsformen gleichgestellt werden.
Als konkrete Beispiele für neue Grundnahrungsmittel sind zu nennen:
• pflanzliche Milchersatzprodukte
• Fleischersatzprodukte
• alle nach Bio-Standard erzeugten Produkte.
Bürgerrat Ernährung im Wandel
Vorschlag: Diese Lebensmittel ganz ohne Mehrwertsteuer
Als Teil der Maßnahmen zur Verbesserung der gesunden Ernährung hat der Bürgerrat empfohlen, die Mehrwertsteuer für folgende Produkte ganz zu streichen:
• Unverarbeitetes Obst und Gemüse aus der EU in Bio-Qualität
• Tiefgefrorenes Obst und Gemüse in Bio-Qualität
• Obst und Gemüse, das der Klasse 2 angehört (nicht der optischen Norm entspricht)
• Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide
• Mineral- und Tafelwasser.
Bürgerrat ohne Macht: Die Grenzen der Demokratie
Aber: Der Bürgerrat hat zwar nach Aussage von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) "Demokratie gelebt" und sie bedankte sich bei allen Beteiligten, dass sie sich die Zeit genommen haben, sich "tief in das Thema Ernährung einzuarbeiten". Allerdings werden die Ergebnisse nur als "wichtige Impulse für unsere parlamentarische Arbeit" betrachtet, wie es Bas am 14. Januar nannte.
Verbindlich umgesetzt werden müssen sie nicht. Die Bundesregierung kann sich aussuchen, was sie davon umsetzt. Dabei wird wohl auch die Haushaltslage eine Rolle spielen. Die parlamentarische Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick sprach von einer "guten Mischung aus schnell umsetzbaren Maßnahmen und mittelfristigen Strategien".
Ideal und Wirklichkeit: Die Zukunft der Tierwohl-Abgabe
Mit der vorgeschlagenen Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls hätten sich die Bürgerinnen und Bürger in der aktuellen Debatte klar für eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik positioniert "und unterstützen eine Forderung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir", so die Staatssekretärin.
Özdemir geht davon aus, dass die Verbraucherpreise durch die Tierwohl-Abgabe nicht stark aufgerundet werden und sprach im ZDF-Interview von rund "20 Euro im Jahr" an Mehrkosten für Menschen, die regelmäßig Fleisch essen.
Das Ministerium schlägt vor, dass vor allem Schlachthöfe und Zerlegungsbetriebe die Abgabe an den Zoll abführen sollen. Der Lebensmittelhandel soll zumindest für einheimische Ware außen vor bleiben.
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