Gibt es noch Hoffnung für die Grünen in Italien?

Die grüne Partei scheint die Wahlberechtigten nicht im selben Maße anzusprechen, wie manche Regionen Italiens auszutrocknen drohen. Foto: Urban38 / CC-BY-SA-4.0

Das Parteiprogramm scheint auf der Höhe der Zeit. Aber mit dem Versprechen, die wachsenden Umweltprobleme anzugehen, war in letzter Zeit in Italien kein Blumentopf zu gewinnen. Woran hakt es?

Anders als in Deutschland, Frankreich, Belgien und Finnland ist die grüne Partei Italiens aus der politischen Szene so gut wie verschwunden. Umweltprobleme scheinen in Italien keine Priorität zu haben, trotz erheblicher Schäden in der Landwirtschaft durch die Dürre im letzten Jahr – und ob die neue Regierung auch ein "grünes" Gesicht zeigen wird, ist noch nicht abzusehen.

Was ist mit den italienischen Grünen passiert? Alles begann vor rund 30 Jahren mit dem Widerstand zahlreicher Bürgerinnen und Bürger gegen Kernenergie. Zu der Zeit schlossen sich auch einige Mitglieder der Umweltorganisation Lega per l'Ambiente (Umweltverein) diesem Kampf an. Massimo Scalia und Gianni Francesco Mattioli, beide Physiker, waren Mitgründer von Lega per l’Ambiente und erklärten in Italien im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen, warum Kernkraft schädlich sei. Bereits damals sprachen sie über erneuerbare Energien.

Einige Vertreter der extremen Linken gesellten sich zu den "Grünen", die gerade am Entstehen waren, denn sie waren der Meinung, dass zu linken Themen auch die Umweltpolitik gehören sollte. Offiziell gegründet wurde die grüne Partei Italiens am 16. November 1986 in dem kleinen ligurischen Ort Finale Ligure.

Am 8. November 1987 sprachen sich die Italiener in einem von den Grünen unterstützten Referendum gegen Kernenergie aus, woraufhin in Italien die Kernkraftwerke stillgelegt wurden. In den darauffolgenden Jahren gelang es den Grünen aus Italien eine Nation mit "sauberer" Energie zu machen und ein Vorbild für Europa zu sein.

Die aktuelle grüne Partei Italiens heißt Europa Verde (grünes Europa) und Sinistra Italiana (Italienische Linke). Gianfranco Mascia, Pressesprecher der italienischen Grünen erklärt mit zwei Gründen, wieso die Grünen in Italien aus der politischen Szene so gut wie verschwunden sind, während in den letzten Jahren, in anderen Ländern Europas, die Grünen immer mehr Zuspruch fanden. Zuerst erwähnt er als Grund die Vier-Prozent-Hürde, an der die Grünen gescheitert sind und somit nicht ins Parlament einziehen konnten.

Ab 2005 gab es in Italien drei verschiedenen Hürden für die Abgeordnetenkammer: die Vier-Prozent-Hürde für Parteien, die keiner Koalition angehören, die Zwei-Prozent-Hürde für Parteien, die einer Koalition angehören und die Zehn-Prozent-Hürde für Koalitionen. Für den Senat galten Hürden von acht Prozent für die Parteien ohne Koalition, drei Prozent für Parteien mit einer Koalition und 20 Prozent für Koalitionen.

Dieses Gesetz wurde 2017 geändert und vereinfacht: Für die einzelnen Parteien gilt seither die Drei-Prozent-Hürde und für Koalitionen die Zehn-Prozent-Hürde.

Die Folge für die Grünen war, dass einige Mitglieder zu anderen Parteien abwanderten und die Grünen so immer weiter ausdünnten. Den Grünen ist es nicht gelungen, den italienischen Wählern eine klare und glaubwürdige Botschaft zu vermitteln, so Mascia. Dazu kamen einige Skandale, in die Alfonso Pecoraro Scanio verwickelt war, auf di mehrere Freisprüche folgten.

Scanio war von 2001 bis 2008 Parteivorsitzender der Grünen und zweimal Umweltminister, einmal unter Ministerpräsident Giuliano Amato und später in der Regierung von Romano Prodi. Danach zog er sich aus der aktiven Politik zurück und widmete sich Umweltthemen, indem er sich in kleinen Vereinen engagierte.

Chiara Braga, Abgeordnete der PD – Demokratische Partei – und für Umweltfragen zuständig, ist der Meinung, dass sich die italienischen Grünen von den deutschen Grünen unterscheiden. Sie seien weniger daran gewöhnt, sich an der Prüfung der Regierung messen zu lassen. Dies treibe sie oft in Minderheitenpositionen, die Entscheidungen wirklich beeinflussen könnten.

Kein Generationenwechsel

Auch habe bei der Führung der italienischen Grünen kein Generationenwechsel stattgefunden. Ja, die Drei-Prozent-Hürde möge eine Rolle gespielt haben, aber sie glaube nicht, dass dies das eigentliche Problem gewesen sei. Obwohl sie grundsätzlich eine Koalition mit den Grünen nicht ablehne, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, wünsche sie sich, dass die Demokratische Partei Italiens sich verstärkt in Umweltfragen engagiere – und daher auch im Fall einer erneuten Koalition mit den Grünen die Umweltthemen nicht komplett der anderen politischen Kraft überlassen wolle.

Braga ist überzeugt, dass eine links orientiere Partei, wie die PD in der Lage sein muss, Umweltthemen anzugehen und dafür konkrete Lösungen zu bieten. Sollte dies nicht der Fall sein, sei man als Partei nicht ausreichend aufgestellt, die Themen, die heutzutage wichtig seien, richtig zu interpretieren.

Braga zufolge gehe im Wesentlichen um zwei Dinge: Erstens müsse man die Menschen dazu bringen, zu erkennen, wie sehr die Klimakrise unser Leben bereits beeinträchtige – und dass wir daher nicht mehr darauf warten können, dass sich andere in der Zukunft damit befassen. Das Problem existiert und wir alle müssen uns dringend damit befassen und uns den Fakten stellen.

Zweitens gäbe es viele Menschen, die noch nicht begriffen hätten, wie wichtig es sei, in die Umwelt zu investieren und entsprechende Innovationen zu schaffen. Diese Art von Wirtschaft könne neue Werte und, neue Arbeitsplätze schaffen und neue Entwicklungen hervorbringen. Die Umwelt müsse als unser Verbündeter gesehen werden. Nur so würde uns eine wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklung gelingen.

Guter Vorsatz: Energiewende trotz Energiekrise

Das Programm der Grünen sieht sehr vielversprechend aus: Die Energiekrise soll bewältigt werden, ohne die Energiewende zu beeinträchtigen. Sie sagen "Ja" zu erneuerbaren Energien und natürlich "Nein" zu Atomkraft. Es gibt einen Investitionsplan für eine vernünftige und angemessene Wassernutzung. Die Öffentlichen Verkehrsmittel sollen besser und effizienter werden.

Der Verbrauch von Plastik soll drastisch reduziert werden: Italien ist der zweitgrößte Kunststoffverbraucher in Europa: Im Jahr 2020 wurden 5,9 Millionen Tonnen fossile Polymere verbraucht. Das entspricht fast 100 Kilogramm pro Person Das derzeitige Produktions- und Konsummodell hat zu einem exponentiellen Anstieg der Verschmutzung in vielen Meeres- und Landökosystemen geführt. Doch eine grüne Hoffnung für Italien?