Gier frisst Wald auf
Palmöl, Rindfleisch, Kakao und Co.: Der Verbrauch in Industriestaaten sorgt für massives Abholzen in Ländern des globalen Südens. Jetzt soll hier sogar afrikanisches Holz in alten Kohlekraftwerken verfeuert werden
Paukenschlag in Sri Lanka: Präsident Gotabaya Rajapaksa hat in dieser Woche angeordnet, Palmölplantagen schrittweise zurückzubauen. Nach Angaben des Präsidialamtes sollen jährlich jeweils zehn Prozent der aktuellen Anbaufläche verschwinden und durch Kautschuk oder andere umweltfreundlichere Pflanzungen ersetzt werden. Gotabaya Rajapaksa sagte in der Erklärung, Ziel sei es, "das Land frei von Ölpalmenplantagen und Palmölkonsum zu machen". Dafür sei auch der Import von Palmöl mit sofortiger Wirkung verboten.
Nach wie vor werden für den Anbau von Palmöl riesige Flächen Regenwald abgeholzt, um dann dort Plantagen anzulegen. Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne zeigt, dass bei der Umnutzung der Regenwaldflächen weit mehr Kohlendioxid freigesetzt wird, als in den Bäumen gespeichert ist. Wenn Tropenwälder in intensiv genutzte Palmölplantagen umgewandelt werden, setzt dies 174 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr frei. Dieser Wert sei höher als der vom Weltklimarat (IPCC) bestimmte Emissionsgrenzwert für die nachhaltige Produktion von Palmöl. Studienautor Thomas Guillaume: "Das entspricht etwa den Emissionen von 530 Personen, die in der Economy Class von Genf nach New York fliegen."
Produkte, die Palmöl enthalten
Margarine, Nutella, Babynahrung, Pizzen, Eiskonfekt: Nach einer Erhebung der Umweltorganisation WWF enthält rund der Hälfte aller Supermarktprodukte hierzulande Palmöl. Es ist neutral im Geschmack, hitzebeständig, lange haltbar und günstig in der Produktion. Lippenstift, Cremes, Waschmittel und "Biosprit": Das aus dem Fruchtfleisch der Ölpalme hergestellte Palmöl zählt heute zu den wichtigsten Rohstoffen der Welt. Mittlerweile erstreckt sich der Anbau rund um den Äquator weltweit auf einer Fläche von 19 Millionen Hektar, mehr als das Territorium von Kambodscha.
In Sri Lanka ist die Anbaufläche relativ klein, das Land bewirtschaftet etwa 11.000 Hektar Palmölplantagen - etwas mehr als ein Prozent jener Anbaufläche, die mit Tee, Kautschuk und Kokosnuss bepflanzt ist. Untersuchungen weisen allerdings nach, dass die Ölpalmplantagen nicht nur schlecht fürs Klima sind: Immer wieder werden auch in Sri Lanka Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und Wasserverschmutzung registriert. Dagegen gibt es in dem Inselstaat seit Jahren Proteste. Gotabaya Rajapaksa hatte im Wahlkampf versprochen, die Palmölkultivierung zu beenden, 2019 wurde er gewählt.
Pro-Kopf-Entwaldung durch Konsum
Doch nicht nur der Hunger nach Palmöl vernichtet weltweit die Wälder, wie jetzt eine Studie des Research Institute for Humanity and Nature in Kyoto beweist: Auch der Konsum von Kaffee, Kakao, Baumwolle, Sesam, Rindfleisch oder Holz sorgt in vielen Industrieländern dafür, dass in anderen Weltregionen Wälder verlustig gehen. Für ihre Arbeit werteten Japanische Forscher hoch aufgelöste Bilder zum weltweiten Baumbestand in den Jahren 2001 bis 2015 aus und kombinierten diese mit detaillierten Daten zu den weltweiten Handelsströmen. Ergebnis: Jeder Mensch in den G7-Ländern ist durchschnittlich für den Verlust von 3,9 Bäumen pro Jahr verantwortlich.
Dabei konnten die Forscher länderspezifisch starke Abweichungen feststellen. So ist jeder US-Bürger mit seinem Konsum für den Tod von jährlich fünf Bäumen verantwortlich, während die Japaner, Deutschen und Franzosen "nur" halb so viele auf dem Gewissen haben. Der Holzeinschlag in Vietnam wird vor allem durch die Nachfrage aus Südkorea, Japan und China getrieben, während der deutsche Kakaokonsum ein sehr hohes Risiko für die Wälder an der Elfenbeinküste und in Ghana darstellt. Die größte Pro-Kopf-Entwaldung stellten die Forscher in Kanada, Schweden und Brasilien fest - mit Werten zwischen 120 und 150 Quadratmetern pro Einwohner und Jahr.
Holz aus Namibia für deutsche Kohlekraftwerke
Besonders in den tropischen Wäldern führe der konsumgetriebene Druck zu immer mehr Abholzung, so die Forscher. Also ob dies nicht schon alarmierend genug sei, empfiehlt jetzt eine Studie deutsche Kohlekraftwerke mit Biomasse - sprich Holz - zu befeuern. Die unter anderem von der EnBW Energie Baden-Württemberg AG beauftragte Arbeit empfiehlt, dass die Bundesregierung ein Förderprogramm erarbeiten solle - Steuergeld für das alte Geschäft der Fossilkonzerne.
Tatsächlich wird derzeit im Bundeswirtschaftsministerium an einem Förderprogramm für die Umrüstung der Kohleblöcke auf Gas und Biomasse gearbeitet, es soll dem Vernehmen nach eine Milliarde Euro schwer sein. Mittlerweile ist auch bekannt, wo das Holz beispielsweise für Hamburgs Kohlekraftwerke herkommen soll: per Schiff aus Namibia. Dafür hat die bündnisgrün geführte Behörde für Umwelt und Energie in der Hansestadt mittlerweile auch die Weichen gestellt: Sie gründete eine "Biomasse-Partnerschaft Hamburg-Namibia".
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