"Gläubige Jugend"

Der Jemen gewährt noch immer keinen Zugang zum Kriegsgebiet im Norden des Landes

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Während an den Küsten und im Osten des Jemen fast ausschließlich Sunniten leben, herrschen im nördlichen Hochland zaiditische Schiiten vor, die landesweit 42 Prozent der Bevölkerung stellen. Ihre Lehre verbreitete sich durch den 896 aus dem Irak gekommenen al-Hadi Yahya, der im Südwesten der arabischen Halbinsel politische Macht erlangte und eine Dynastie begründete. Zaiditen verehren als fünften Imam nicht Muhammad al-Baqir, sondern Zaid ibn Ali, der 740 im Kampf gegen die Omajaden unterlag.

Über die genauen Inhalte des 2004 ausgebrochenen Konflikts finden sich ebenso widersprüchliche Informationen wie über Anlass und Ablauf. Kriegsgegner sind in jedem Fall die Truppen der Regierung des Jemen und Anhänger der zaiditischen Religionsführer Badr al-Huthi, Hussein al-Huthi und Abdul Malik al-Huthi - vor allem die Erweckungsbewegung "Schabab al-Mumin" ("Gläubige Jugend"). Gegründet wurde sie möglicherweise als Reaktion auf mit saudischem Geld finanzierte aggressive wahabitische Missionierungsversuche, deren Symbol die Dammaj-Schule in Sada ist. Nach einem Aufenthalt in Teheran soll Hussein al-Huthi 1997 mit iranischem Geld eine schiitische Gegenreformation dazu organisiert haben, die schließlich in eine militärische Auseinandersetzung mündete. Allerdings stehen bei weitem nicht alle Zaiditen (die durchaus keine politisch oder wirtschaftlich benachteiligte Gruppe sind) hinter den Huthisten – viele stufen ihre Aktivitäten auch als "Fitna" ein, als "Glaubensspaltung".

Die jemenitische Regierung warf den Huthisten zu Kriegsbeginn vor, Regierungsposten angegriffen, eine Wasserversorgungsanlage geplündert, Straßenraub betrieben und – metaphorisch - "die Landesflagge mit jener der Hisbollah vertauscht zu haben" (deren Chef Nasrallah wiederum jede Verbindung von sich wies). Im letzten Jahr sollen sie außerdem 45 Juden aus einem Dorf vertrieben haben. Widersprüchliche Meldungen gibt es darüber, inwieweit die Huthisten die Wiedereinführung eines zaiditischen Imam als Staatsoberhaupt des Jemen anstreben, wie dies bis 1962 der Fall war. Angeblich hatte sich der im September 2004 verstorbene Hussein al-Huthi sogar selbst dazu ausgerufen. Die Rebellen verwiesen in ihren eigenen Erklärungen vor allem auf die Feindschaft zu den USA und Israel als zentrales Anliegen.

Zentrum der Rebellion ist die Provinz Sada, aber auch in den benachbarten Regionen Amran und Haddscha gab es Kämpfe. Sogar in Bani Huschaisch, in den Außenbezirken der Hauptstadt Sanaa kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Im Mai dieses Jahres verhängte die Regierung nicht nur einen Informationsstopp, sondern blockierte auch den Transport von Gütern in die besetzten oder umkämpften Gebiete – darunter Grundnahrungsmittel und Treibstoff.

Die bislang letzte der bis jetzt fünf "heißen" Phasen des Krieges endete am 17. Juli dieses Jahres. Obwohl Ali Abdullah Salih, der Präsident des Jemen, die Kampfhandlungen an diesem Tag für beendet erklärte, sind Zufahrtswege und Kommunikationsmöglichkeiten weiterhin gesperrt.

Human Rights Watch fordert nun in einem gestern veröffentlichten Bericht, dass sowohl die Rebellen als auch die Regierung den Zugang zu bedürftigen Zivilisten ermöglichen. Bis Mitte Juli 2008 waren angeblich 60.000 Menschen nach Sada-Stadt geflohen, wo sie teilweise bei Stammensangehörigen unterkamen. Der Rest soll in Lagern vor der Stadt leben. Der Bericht, für den in Ermangelung eines direkten Zugangs zum Krisengebiet Flüchtlinge in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa befragt wurden, kritisiert außerdem Festnahmen von Journalisten, die über zivile Opfer des Bürgerkrieges informierten. Bereits vorher waren Meldungen über willkürliche Verhaftungen und verschwundene Personen an die Öffentlichkeit gedrungen.