Globales Gekloppe

Kantenschläge wie ein Wirbelwind: Edmond Honda gibt alles. (Screenshots: Capcom)

"Mortal Kombat" in der Light-Version: das Beat’em-Up-Game "Street Fighter IV"

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Längst sind die Zeiten vorbei, in denen sich Programmierer von Beat’em-Up-Games ihre Köpfe darüber zerbrechen mussten, wie sie Joystickbefehle so schnell wie möglich auf die Spielcharaktere übertragen können. Heute geht es um Grafiken und Effekte – wie „Street Fighter IV“ im Xbox-360-Test beweist.

Eigentlich sollte ich mich auf meinen Gegner konzentrieren, seine Schläge abwehren oder ihn am besten innerhalb weniger Sekunden windelweich kloppen. Aber nix da. Die spielenden Kinder im Hintergrund lenken mich vom zentralen Geschehen ab; insbesondere der kleine dicke Junge, der auf dem Schrottwagen rechts außen herumtobt. Und dann auch noch die Hochgeschwindigkeitsbahn, die oben über die Brücke zischt. Lange Rede, kurzer Sinn: Edmond Honda, der tonnenschwere Sumoringer, kracht zu Boden…

Wer sich diesen Moment vor Augen führt, fühlt sich beinahe so wie der Fotograf, der versucht, die beiden Streithähne in seinen Kasten zu kriegen, während ein Radfahrer neugierig das Geschehen umkreist. Dieses Szenario findet vor der Kulisse einer chinesischen Einkaufsstraße statt, die mit so vielen Details ausgeschmückt ist, dass man auch hier Gefahr läuft, sich eher auf das Drumherum zu konzentrieren als auf den Kampf. Spätestens beim dritten Durchlauf ändert es sich. Nicht, weil die Abläufe stets dieselben sind, sondern weil die Gegner einem keine Atempause gönnen. Es sind knochenharte Charaktere, und manche scheinen nicht von dieser Welt zu sein, selbst wenn das Gekloppe weltweit stattfindet. Da wäre zum Beispiel Blanka, der seinen grünhäutigen Körper einem Igel gleich mit blitzenden Stacheln schützt und den Gegner unter Strom setzt. Kann man sich nicht dagegen wehren, erblickt man das zuckende Skelett unter der Haut seines Helden – optisch obergeil in Szene gesetzt, aber auch ein bisschen gruselig.

Klassischer Kampf vor klassischer, aber bis ins letzte Detail präsentierter Kulisse

Hätte nicht bereits „Mortal Kombat vs. DC Universe“ vor kurzem demonstriert, wie irre Figuren sein können, wie fies und mächtig, dann würde einem das gehörig imponieren. Denn gerade wegen dieses coolen Titels, in dem zwei Welten aufeinanderprallen, hinterlässt „Street Fighter IV“ beim Betrachter einen weniger betörenden Eindruck. Man kommt nicht umhin, immer wieder an den närrischen wie hinterlistigen Joker zu denken. Wer den Vergleich jetzt für an den Haaren herbeigezogen hält, der darf nicht vergessen, dass die „Mortal Kombat”-Väter Ed Boon und John Tobias einst von „Street Fighter“ inspiriert wurden. So klassisch „Street Fighter IV“ auch wirkt, die Brutalität, oder besser gesagt, die Art und Weise, wie Brutalität in diesem Game dargestellt wird, trägt Züge von „Mortal Kombat”. Sicher, Blut spritzt hier keines. Es ist eher die Vehemenz, mit der die Charaktere kämpfen, genauso wie ihr kompromissloses Auftreten und das schmerzvolle Aufschreien, mit dem sie zu Boden gehen. Und je mehr attackierende Combos gelingen, desto eher gerät der Charakter in Rage. Rage? Ja, dieses aufputschende Element gab es auch schon in „Mortal Kombat vs. DC Universe“, schlicht Rage-Modus genannt.

Der diabolische Seth mit seinen Gummiarmen passt gut zum Cel-Shading-Ambiente.

In „Street Fighter IV“ wird der Zustand als Ultra-Modus bezeichnet und im unteren Bildbereich angezeigt. Befindet sich einer der Streithähne in Rage, dann kann er den anderen mit ausgefeilten Mitteln zur Sau machen: Der Yogi Dhalsim schleudert Feuerkugeln von der Größe eines Halloween-Kürbis’ in Richtung des Gegners; bei Ryu sind es in hellblauer Farbe leuchtende Sphären; der maskierte El Fuerte springt auf den Hals seines Gegenübers und zieht ihn in drei, vier Meter in die Höhe, um ihn mit Hilfe der entstehenden Power eines Saltos auf den Boden zu schmettern; und das schwabbelige Ekelpaket Rufus flippt vollends aus.

Mein persönlicher Favorit in diesem Genre bleibt immer noch „Dead or Alive 3“. Zum einen, da ich es gut finde, seine Spielfigur nicht nur im Retrostil von links nach rechts zu steuern, sondern auch im dreidimensionalen Raum. Zum anderen, weil der Spielfluss flotter ist. Vor allem jedoch macht es immer noch am meisten Laune, Kasumi auf dem Bildschirm herumhüpfen zu lassen. Da kann Street-Fighterin Chun-Li mit ihren Backhandschuhflossen nie und nimmer mithalten. Und die kühle, gestylte Agentin Crimson Viper schon gar nicht.