Glück und Geld?
Ist man der Armut entronnen und hat einmal ein passables Konsumniveau erreicht, dann bringt mehr Geld auch nicht mehr Glück
Persönliches Glück und subjektive Zufriedenheit haben, folgt man den quasioffiziellen Medienquellen (Zeitungen, Funk, Fernsehen, Film – wie das früher so schön hieß, und natürlich der Werbung) und dem meist fatalen Peer-Group-Empfinden, viel miteinander zu tun. Aber das ist nur die grobe, halbe Wahrheit, die uns die globale kommerzielle Manipulationsmaschinerie aufzwingt.
Der moderne Mythos, den die kommerziellen Medien tagtäglich verbreiten, ist „Psychischer Kapitalismus“. Wir leben längst in einem marktgetriebenen System. Wirtschaftlicher Erfolg ist das Höchste, das ein Manager, Politiker und ebenso dann sein Angestellter oder Arbeiter anstrebt. Bild- und Fernsehkonditioniert.
Größer ist immer gleich besser. Und: Nur die Besseren, Größeren überleben. Diese Botschaften werden uns jeden Tag von den Mainstrammedien ins Gehirn geschossen.
Im Alltag
Und wir alle sind ja nicht viel anders. Der neue Jeep (SUV heißt das, „Sport Utility Vehicle“, wie das die Nordamerikaner nennen, die Straßen-Schweine des Nachbarn beeindrucken, ebenso die Urlaubsreisen von Kollegen und Bekannten nach Kuba, Australien, Hawaii oder wohin auch immer.
„Ach, die haben es schön.“ Glückliche Menschen, die sich sozusagen "mit links" die vielen lebenswerten Belohnungen leisten können. Beneidenswert. Stimmts? Alles ist käuflich...
Und im Alltag ist das entscheidend: Mehr Anstrengung, mehr Arbeit, mehr Identifikation mit dem Arbeitgeber, noch intensiverer Wettbewerb mit den Kollegen und Kolleginnen, die eher Mitbewerber geworden sind, rempeln, kämpfen – und dann wird alles irgendwie besser. Auch das lernen wir mit und von den Medien und sehen es oft am Arbeitsplatz, und zunehmend auch in der Freizeit.
... und in Wahrheit
Ganz andere Dinge aber sind für das kleine persönliche Glück in diesem unserem so eng begrenzten Leben wichtig. Etwa: Stabile Arbeitsverhältnisse, Solidarität am Arbeitsplatz, gelungene familiäre Beziehungen, einige gute Freunde, Vertrauen in die Regierung, nur langsame Veränderungen, auf die man sich problemlos einstellen kann. So Richard Layard: Die glückliche Gesellschaft. Kurswechsel für Politik und Wirtschaft. Frankfurt etc. 2005.
Was Layard in seinem Buch „Die glückliche Gesellschaft“ zusammengefaßt hat, ist natürlich nicht so neu. Von der Öffentlichkeit (also in erster Linie den Medien) relativ unbemerkt hat Ruut Veenhofen Erasmus University Rotterdam seit vielen Jahren eine weltweite Datenbank des persönlichen Glücks, der persönlichen Lebenszufriedenheit aufgebaut (World Database Of Happiness, über die auch “Die Zeit” kürzlich berichtete. Das offenbar weltweit gültige Ergebnis: Ist man ein deutliches Stück über die Armutsgrenze hinausgekommen, dann gibt es keinen besonderen Zusammenhang mehr zwischen persönlichem Zufriedenheitsgefühl und Geld, sprich: Einkommen und Konsummöglichkeiten (vgl. Geoffrey Miller: Social Policy Implications of the New Happiness Research).
Ein dritter international bekannter Forscher kommt zum gleichen Ergebnis. Roland Inglehart, der seit rund vierzig Jahren die Wertelagen der Nordamerikaner und Europäer untersucht hat und durch seine Postmaterialismus-These in Wissenschaftskreisen zeitweise recht umstritten war, weist anhand einer weltweiten Befragung von hunderttausenden Menschen nach, dass ab einer gewissen Einkommensschwelle Geld und persönliches Glück nicht mehr viel miteinander zu tun haben. Die Datensätze sind öffentlich zugänglich. und wer mag und ein bisschen über statistische Kenntnisse verfügt, kann das auch selbst überprüfen.
Recht grob zusammengefaßt stellt sich das dann so dar:
Die hässliche Seite
Die hässliche Seite ist auch markt- und mediengetrieben. Jeder siebte, achte, neunte Mitteleuropäer, Frauen betrifft es noch ein bisschen mehr, ist armutsgefährdet. Genauer: ist arm. Soziale Teilnahme, also Inklusion: „... in unserer Gesellschaft (wird durch) die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben über die Waren vermittelt, die sie anbietet“, ist Armen weitgehend verwehrt.
Das ist ein Skandal. In den wohlhabendsten Ländern der Welt wird rund ein Achtel: also jeder Achte, der an Ihnen vorübergeht, ausgegrenzt, er oder sie wird um Zufriedenheitschancen gebracht. Ein Mindestmaß an Konsummöglichkeiten gehört nämlich dazu, um an der Gesellschaft teil zu haben.
Dazu kommt, dass die Statistik hier nur einen Teil der Wahrheit ans Licht bringt. Diese statistische Armutsgefährdungsgrenze ist relativ willkürlich EU-weit bei 60 Prozent des Median-Äquivalenzeinkommens rechnerisch eingezogen worden – persönliche Umstände spielen da gar keine Rolle mehr. Realistischer wäre eine Grenzziehung bei 70 oder 80 Prozent, dann wäre es aber schon jeder Fünfte oder Vierte in diesem Land.
Und: Armut sieht man nicht, oder man will sie – Stichwort: markt- und mediengetriebener Konsumwettbewerb – oft auch gar nicht sehen.
Lösungen
Lösungen gäbe es. Unverständlicherweise hat sich hier die sozialdemokratische Seite der Parteienlandschaft darum herumgedrückt. Vielleicht weil die Lösung vor rund 30 Jahren von fortschrittlicher katholischer Seite eingeworfen wurde. Nämlich ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Menschen - und zwar in einer Höhe deutlich über der Armutsgrenze.
Das Drumherum ist längst ausdiskutiert, für die Meisten bliebe genug noch an der immer weniger werdenden Erwerbsarbeit – Konjunkturzyklen dürfen da nicht darüber hinwegtäuschen - und Berufsarbeitsbereitschaft.
Ein solches Grundeinkommen wäre die Armutsbekämpfungsmaßnahme schlechthin und ein Anreiz für eine Neuorientierung des Arbeitsmarktes. Es wäre eine erste Säule der sozialen Sicherung. Erwerbsarbeit bzw. im Alter eine erwerbsarbeitsorientierte Rente im Umlageverfahren wäre eine zweite Säule, und dann gäbe es im Alter noch betriebliche Pensionskassen als eine dritte. Da diese kapitalgedeckt sind, wären sie wohl auch eine etwas unsichere Variante. Kapitalgedeckte Vorsorge ist – wie immer schon – eine riskante Angelegenheit.