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Glyphosat und Insektensterben, Dürre durch Windräder, Lebensmittelverschwendung

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne.

Führt der Einsatz von Glyphosat zum Insektensterben?

"Im Artikel wird Glyphosat mit dem Rückgang der Insekten in Verbindung gebracht, ohne den Zusammenhang zu erläutern. Gibt es Erkenntnisse, wie die Anwendung des Herbizides auf die Insektenwelt Einfluss nimmt?" fragt ein User im Kommentar [1] zum Artikel "Glyphosat: Der schwierige Abschied vom Ackergift [2]" von Claudia Wangerin.

Und ein anderer User wendet ein [3]:

Glyphosat ist ein Herbizid, kein Insektizid und für Insekten praktisch nur schädlich, wenn man sie mit der Glyphosatbüchse erschlägt.

Eine allgemein anerkannte Folge des Einsatzes von Herbiziden ist, dass Insekten dadurch, dass Beikräuter eliminiert werden, ihre Futterpflanzen verlieren. So ist beim Umweltministerium zu lesen.

(D)ie umfangreiche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und anderen Pestiziden ist eine nicht zu unterschätzende Ursache für das Insektensterben. Dabei tötet der Einsatz von Breitbandherbiziden wie Glyphosat Insekten nicht direkt. Die negativen Auswirkungen solcher Pflanzen abtötender Mittel auf die biologische Vielfalt beruhen insbesondere auf sogenannten indirekten Effekten, also der Beeinträchtigung von Nahrungsnetzen: Dort, wo auf Äckern, aber auch im Obst- und Weinbau alle Wild- und Beikräuter durch Glyphosat oder vergleichbare Mittel abgetötet werden, fallen wichtige Nahrungsgrundlagen und Lebensräume für Insekten weg.

BMUV [4]

Das Umweltministerium erwähnt leider nicht, dass in verschiedenen Studien auch direktere Effekte von Glyphosat auf einzelne Insektenarten festgestellt wurden. In einer Studie von 2015 wurde beobachtet, dass Glyphosat die Orientierungsfähigkeit von Honigbienen beeinträchtigt [5].

Eine weitere Studie [6] zeigte eine Schädigung der Darmflora von Bienen, wenn diese mit einer glyphosathaltigen Zuckerlösung gefüttert wurden. Dadurch waren die Abwehrkräfte der Bienen geschwächt, sie waren anfälliger für Krankheitserreger [7].

Bei Hummeln wurde wiederum festgestellt, dass sie bei karger Nahrung und nach der Aufnahme von Glyphosat im Winter die Temperatur im Stock nicht aufrechterhalten konnten, was wiederum die Entwicklung der Brut beeinträchtigen kann [8]. Eine weitere Untersuchung zu den Auswirkungen von Glyphosat betrifft den Getreideplattkäfer.

Eine Studie von 2021 zeigte, dass Glyphosat Einfluss auf eine Mikrobenart hat, die dem Käfer hilft, seinen Panzer aufzubauen. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass sich ähnliche Zusammenhänge auch bei anderen Insektenarten feststellen lassen [9].

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Glyphosat Insekten nicht direkt tötet, aber ihre Gesundheit erheblich beeinträchtigt, was indirekt zu einer höheren Sterblichkeit oder geringeren Reproduktionsraten führt.

Dürre und Temperaturanstieg durch Windräder?

Mit mikroklimatischen Effekten in Windparks haben wir uns bereits im Forencheck beschäftigt [10]. Die einfache Antwort: Sie existieren, haben aber keinen Einfluss aufs globale Klima. Im Zusammenhang mit dem Artikel "Großer Sieg fürs Klima: Europäisches Parlament will fossilen Sperrvertrag" von David Goeßmann fällt im Forum die Bemerkung [11]:

Windräder scheinen Dürre in ihr direktes Umfeld zu bringen, CO2-Anstieg in der Atmosphäre hat zu einer gigantischen Zunahme an Vegetation geführt – Global. Greening.

Im weiteren Thread wird auf einen Artikel verwiesen, der sich außerdem damit beschäftigt, ob Windkraft die Erderwärmung fördert.

An dieser Stelle soll der behauptete Zusammenhang von Windrädern und lokaler Dürre betrachtet werden. Zunächst einmal: Dürre ist ein Produkt klimatischer Bedingungen. Dürre kann sowohl Folge von zu geringen Niederschlägen sein als von hoher Verdunstung; Verdunstung wiederum kann bedingt sein durch hohe Temperaturen, aber auch Wind kann Böden austrocknen.

Berechnungen zu den Effekten von Windparks wurden von Lee Miller und David Keith angestellt. In einer 2018 im Fachjournal Joule veröffentlichten Studie [12] hatten sie berechnet, wie die Auswirkungen von Windparks in den USA wären, wenn diese ihren gesamten Strombedarf auf Windkraft umstellen würde.

Dabei stellten sie fest, dass die Oberflächentemperaturen auf dem Gebiet der USA um 0,24 Grad Celsius steigen würden. Dieser Effekt sei in erster Linie auf die Verwirbelung von Luftschichten zurückzuführen und erhöhe auch die Nachttemperaturen am Boden. Diese wiederum führten laut einigen der einbezogenen Studien zu erhöhter Verdunstung. In Bezug auf Niederschläge konnten keine klaren Veränderungen festgestellt werden.

Die Studie der Harvard-Wissenschaftler stellt aber auch fest, dass der Erwärmungseffekt der Windkraft dadurch kompensiert würde, dass kein CO2 mehr bei der Stromerzeugung ausgestoßen würde und die Effekte fürs Klima langfristig positiv wären. Schließlich vergleicht die Studie die klimatischen Effekte des Szenarios mit einem Szenario der kompletten Stromerzeugung der USA aus Photovoltaik.

Festzustellen ist, dass schon alleine die Ausgangsfragestellung unrealistisch ist: Um die Stromerzeugung komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, müssen unterschiedliche Energiequellen zur Verfügung stehen, also sowohl Wind- als auch Solarenergie.

Windkraft erzeugt auch keinen Treibhauseffekt: Während heute ausgestoßenes CO2 in der Atmosphäre langfristig verbleibt und wirkt, hört der mikroklimatische Effekt von Windparks auf sobald die Windräder stillstehen. Sie tragen auch nicht zur globalen Erwärmung bei, lediglich die Temperaturschichtung in der Luft wird verändert. Von Dürre ist in der Studie von Miller und Keith nicht die Rede.

Mikroklimatische Veränderungen gibt es übrigens nicht nur in Windparks, vor allem in Städten sind starke Effekte zu beobachten, vor allem eine starke Erhöhung der Nachttemperaturen.

Welcher (essbare) Anteil der Ernte wird weggeworfen und von wem?

Unter dem Artikel "Bauernpräsident warnt: Versorgung mit Lebensmitteln nur noch wenige Monate sicher [13]" von Bernd Müller, in dem es um Befürchtungen von Ertragsverlusten aufgrund von Kunstdüngermangel geht, entspinnt sich eine Diskussion über die Lebensmittelverschwendung in Deutschland.

Im Thread "50 Prozent der Ernte wird weggeworfen" wird diskutiert, welcher essbare Anteil der Ernte denn wirklich im Müll landet, und wer dafür verantwortlich ist – der Handel oder die privaten Konsument:innen.

Antworten auf diese Fragen muss das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft regelmäßig an die EU-Kommission liefern [14]. Für das Jahr 2020 liest sich der Bericht des BMEL folgendermaßen:

Der Erhebung zufolge betrug im Jahr 2020 die Gesamtabfallmenge ca 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle (Frischmasse). Dazu gehören neben übrig gebliebenen Speiseresten und nicht verkauften Lebensmitteln auch nicht essbare Bestandteile wie Nuss- und Obstschalen, Strünke und Blätter, Kaffeesatz oder Knochen. Hinzu kommen weitere Lebensmittelverluste entlang der Produktions- und Lebensmittelkette.

Davon entfielen auf die Primärproduktion 2 Prozent, auf die Verarbeitung 15 Prozent, den Handel 7 Prozent, die Außer-Haus-Verpflegung 17 Prozent und auf die privaten Haushalte 59 Prozent.

Jeder Verbraucher und jede Verbraucherin wirft demnach etwa 78 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg, darin sind allerdings auch Unvermeidbares wie Nuss- und Obstschalen, Kaffeesatz, Knochen und Verdorbenes enthalten.

Bericht des BMEL

Welchen Anteil hat nun nicht Essbares an den Abfällen? Dies variiert natürlich von Lebensmittel zu Lebensmittel, in einer Studie der GfK von 2020 [15]) zu Lebensmittelabfällen der Haushalte entfielen 59,5 Prozent auf "nicht vermeidbare" Lebensmittelabfälle, 40,5 Prozent hingegen wären vermeidbar gewesen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7323307

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Glyphosat-Der-schwierige-Abschied-vom-Ackergift/Glyphosat-und-Insektenrueckgang/posting-41776532/show/
[2] https://www.heise.de/tp/features/Glyphosat-Der-schwierige-Abschied-vom-Ackergift-7313458.html
[3] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Glyphosat-Der-schwierige-Abschied-vom-Ackergift/Glyphosat-als-Grund-fuer-Insektensterben/posting-41776971/show/
[4] https://www.bmuv.de/faq/was-ist-der-zusammenhang-zwischen-glyphosat-und-insektensterben
[5] https://journals.biologists.com/jeb/article/218/17/2799/14136/Effects-of-sublethal-doses-of-glyphosate-on
[6] https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1803880115
[7] https://www.scinexx.de/news/biowissen/glyphosat-schaedigt-darmflora-von-bienen/
[8] https://www.sueddeutsche.de/wissen/insektensterben-hummel-biene-glyphosat-1.5596795
[9] https://www.mpg.de/16860036/0506-choe-die-achillesferse-eines-kaefers-155371-x
[10] https://www.heise.de/tp/features/Forencheck-Sterbefaelle-nach-Impfungen-Laenderfinanzausgleich-und-Mikroklima-in-Windparks-6206380.html?seite=3
[11] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Grosser-Sieg-fuers-Klima-Europaeisches-Parlament-will-fossilen-Sperrvertrag/Die-Renaissance-der-Schlichtheit/posting-41790982/show/
[12] https://www.cell.com/joule/fulltext/S2542-4351(18)30446-X
[13] https://www.heise.de/tp/features/Bauernpraesident-warnt-Versorgung-mit-Lebensmitteln-nur-noch-wenige-Monate-sicher-7317397.html
[14] https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/studie-lebensmittelabfaelle-deutschland.html
[15] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittelverschwendung/GfK-Analyse-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=