Google und die käuflichen Wissenschaftler
Nach einem Bericht des Wall Street Journal sollen Wissenschaftler, allen voran Rechtsprofessoren, schon mal 400.000 US-Dollar für einen nützlichen Wissenschaftsartikel erhalten
Ende Juni konnte sich der US-Konzern Google nicht zur Wehr setzen. Die EU-Kommission verhängte wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung eine Wettbewerbsbuße von 2,42 Milliarden gegen den Konzern, weil dessen Suchmaschine bei der Produktsuche Konkurrenten benachteilige. Wenn Google seinen Preisvergleichsdienst nach drei Monaten weiter ganz oben platziert, müsste der Konzern bis zu 5 % des durchschnittlichen täglichen weltweiten Umsatzes seiner Muttergesellschaft Alphabet zahlen. Das würde dann doch weh auf die Dauer tun. Im ersten Vierteljahr 2017 machte Alphabet einen Umsatz von mehr als 24 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von fast 5,5 Milliarden.
Gutes Geld macht Google jedoch auch in Europa weiterhin mit seinem Steuervermeidungsmodell, dem auch andere US-Konzerne folgen und dabei mittels Irland andere EU-Länder austricksen. Das europäische Google-Hauptquartier GIL ist in Irland angesiedelt, wo maximal 12,5 Prozent Körperschaftssteuer fällig sind. In den übrigen Ländern unterhält Google nur Tochterunternehmen, die nicht selbständig sind, sondern, so die Konstruktion, im Auftrag von GIL Online Werbung verkaufen, weswegen die Gewinne und Umsätze im für den Konzern günstigen Irland versteuert werden können. Gerade hat Frankreich beim Verwaltungsgericht eine Klage verloren. Die Regierung wollte vom Konzern 1,15 Milliarden Euro an Unternehmens- und Umsatzsteuern für die Jahre 2005 bis 2010 eintreiben. Aber das Pariser Verwaltungsgerichts gab Google vor allem darin recht, dass das französische Tochterunternehmen nicht selbständig sei.
Das Wall Street Journal (WSJ) hat gerade in einem Bericht herausgearbeitet, wie Google seine Interessen auch über Forschungsarbeiten zu wahren sucht. So hat der Konzern zwischen 5.000 und 400.000 US-Dollar an Wissenschaftler auch an Top-Universitäten wie der Harvard University oder der University of California, Berkeley, für ihre Studien über Themen gezahlt, die möglicherweise gesetzlich geregelt werden sollen.
Google: Alles für das "offene Internet"
Die Wissenschaftler, die eigentlich unabhängig forschen sollten, scheuten teilweise nicht davor zurück, ihre Studien vor der Veröffentlichung Google vorzulegen, so dass der Konzern noch "Vorschläge" machen konnte. Das geht aus Emails hervor, die das WSJ nach FOIA-Anforderungen von Professoren erhielt. Die Wissenschaftler hätten auch nicht immer angegeben, dass ihre Forschung von Google mitfinanziert war.
Als Beispiel nennt die Zeitung u.a. den Rechtsprofessor Paul Heald, der für eine Studie über Copyright, die er Google als nützlich angeboten hatte, immerhin 18.830 US-Dollar erhielt, die er aber nicht angab. Danach gefragt, sagte er, er habe das übersehen. Die 18.000 wohl nicht. Aber das Geld habe seine Studie nicht beeinflusst, Google habe auch keine Bedingungen gestellt. Dass man nicht selbstlos Geschenke macht, erklärte ein früherer Google-Lobbyist. Danach hätten Google-Mitarbeiter Listen von Studien mit Arbeitstiteln, Zusammenfassungen und Honoraren zusammengestellt und dann nach willigen Autoren gesucht.
Die fertigen Studien würden dann Regierungsmitarbeitern unterbreitet, mitunter wurden auch Reisekosten für Wissenschaftler übernommen, die sich mit Kongress- und Regierungsmitarbeitern treffen sollten. Gedient haben Studien, so das WSJ, etwa 2012 zur Abwehr von Kartellklagen der Federal Trade Commission. Google sagt dazu, dass man seit der Entstehung an der University of Stanford immer "enge Beziehungen mit Universitäten und Forschungsinstituten" gepflogen habe. Man sei glücklich, Wissenschaftler zu unterstützen, die "über Informatik und politische Themen wie Copyright, freie Meinungsäußerung und Überwachung forschen". Man wolle die Stimmen stärken, die die Prinzipien eines offenen Internet unterstützen. Dazu gehört die Finanzierung von Studien, die sagen, dass das Sammeln persönlicher Informationen von Kunden ein fairer Tausch für die Benutzung der kostenlosen Dienste sei. Oder dass die Suchmaschine Bücher und anderes geistiges Eigentum verlinken darf, auch wenn die Autoren und Verlage dafür bezahlt werden wollen.
Der Verleger Murdoch, dem das WSJ gehört, hatte bereits Klage gegen Google bei der EU-Kommission eingereicht. Google müsse für die Snippets zahlen, er beschwerte sich auch darüber, dass Google Artikel von Verlagen, die sie nicht kostenlos hergeben wollen, nicht listet. Schon lange kämpft hier Murdoch gegen Google. Zuletzt hat Murdochs News Corp. einen Dienst eingeführt, der sicherstellen soll, dass Online-Werbung nicht bei Fake News oder abstoßenden Videos erscheinen, was sich auch gegen Google, vor allem gegen YouTube richtet. Der Artikel im Wall Street Journal ist also selbst eine Waffe im Marktkampf, auch wenn die Informationen stimmen. So also sehen die Beeinflussungsoperationen der großen Konzerne aus.
2010 hatte Google Deven Desai von der Princeton University angestellt, um Wissenschaftler zu finden, die für den Konzern günstige Studien verfassen. Was für den reichen Konzern nur Peanuts waren, ist in der akademischen Welt schon ein Anreiz, sich mal kaufen zu lassen. In den nächsten Jahr hat Desai mehr als 2 Millionen US-Dollar für Konferenzen und Wissenschaftsartikel ausgegeben. Autoren erhielten zwischen 20.000 und 150.000 US-Dollar. Einige Autoren erhielten auch schon mal 400.000 US-Dollar, beispielsweise um Möglichkeiten zu finden, Kunden auf die Verwendung ihrer persönlichen Daten hinzuweisen, um eine Regulierung zu umgehen
Seit 2009 hat Google um die 100 Studien mit politischen Themen finanziert, weitere 100 Studien stammen von Autoren, die direkt oder indirekt von Google Geld erhielten, in der Regel dies aber nicht mitteilten. Google reiht sich damit in Unternehmen ein, die schon lange Forschung und Wissenschaftler bezahlt haben, um ihre Geschäftsinteressen zu befördern. Allerdings steht Google bei den IT-Konzernen nicht alleine da. Auch Microsoft, Qualcomm oder Verizon haben Studien finanziert, die sich aber kritisch mit Google beschäftigten. Nach der Zeitung ist allerdings Googles Rekrutierung von Wissenschaftlern besonders ausgeklügelt. Es werden auch Konferenzen und Studien von Handelsverbänden, Thinktanks oder Beratungsfirmen bezahlt.