Greta-Beraterin: "Sie ist eine unglaublich begabte Person"

Seite 2: Die Bewegung explodierte in kurzer Zeit

Die Bewegung explodierte in kurzer Zeit. Das hatte verschiedene Gründe. Ein wichtiger Faktor war die Arbeit von Greta, die jedem, der an einer streikenden Schule aktiv war, Hallo sagte, ihnen für den Streik dankte und ein positives Feedback gab. Sie sprach einfach mit jedem. Sie brachte mir bei, wie man über Twitter Menschen erreicht. Sie ist einfach großartig.

Ich habe mich schließlich um die Facebook-Seite gekümmert. Das passte sehr gut, denn Facebook wird von 50-jährigen Frauen wie mir bestimmt. So haben wir die Infrastruktur erzeugt, mit der die Klimastreikenden ein ein öffentliches Forum für den Austausch erhielten. Derjenige, der sich um die Website kümmerte, entwickelte schließlich eine Karte mit den Streiks darauf. Dort konnten Streikende einen Pin für einen lokalen Streik erstellen und einen E-Mail-Kontakt hinterlegen. So hatte plötzlich jeder zweite Streik-Pin auf der Karte eine E-Mail-Adresse, an die man schreiben konnte.

Das war für die mediale Berichterstattung enorm wichtig. Man muss verstehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Medienunternehmen und den einzelnen Journalisten. Journalisten sind eigentlich Aktivisten, sie brennen für ihr Thema. Sobald sie eines aufgegriffen haben, wollen sie daran arbeiten, sie wollen einen großen Artikel schreiben und ihn gut machen. Sie gehen zu ihrer Redaktion und sagen: "Ich habe einen Artikel über einen Streik hier um die Ecke geschrieben". Der Redakteur sagt dann vielleicht: "Das ist ja nur lokal, nicht global".

Nun hat der Journalist aber eine Karte und kann im Handumdrehen jemanden kontaktieren, der in Australien und oder in China streikt. Das wird es eine globale Geschichte. Das macht selbst den lokalen Streik zur Nachricht. Also haben wir gemeinsam mit der Karte die gläserne Decke der Medienberichterstattung durchbrochen, ohne es zu merken.

Dann kamen die großen Streiks, vom 30. November 2019 und vom 15. März im drauf folgenden Jahr. Schließlich die Streiks am 20. und 27. September 2020. Um ehrlich zu sein, musste ich ein wenig dazu gedrängt werden, mitzumachen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie wertvoll sind. 350.org oder andere Gruppen hatten solche globalen Großevents schon durchgeführt, es war gewissermaßen "Old News".

Mir geht es auch eher um den Aufbau von Gemeinschaften vor Ort, um Basisarbeit. Daran hängt mein Herz. Wie bei der katholischen Kirche, aber jetzt größer und ehrgeiziger mit dem Klima. Ich bin auch skeptisch gegenüber den riesigen Klimakonferenzen. Ich habe daher an keiner bislang teilgenommen. Sie sind für mich wie Monster, Regierungsmonster, die einen fressen und dann wieder ausspuken. So ist es uns ja beim Klimaparlament ergangen. Wir haben 50 Seiten auf Schwedisch verfasst, was sehr schwer und zeitaufwändig für mich war, und dann sagten sie einem: "Vielen Dank" und schmissen den Vorschlag in den Mülleimer.

Die großen Events sind also für mich nicht so interessant. Aber als ich involviert wurde in die globalen Streiks, wobei ich die Fridays-for-Future-Gruppen weltweit bei der Terminplanung koordinierte, änderte sich das. Wir organisierten in rund zwanzig Ländern große Demonstrationen, das war im März und September 2020.

Wir benutzten dabei Statistiken, darum habe ich mich vor allem gekümmert. Ich sorgte dafür, dass uns die Gruppen ihre Daten zukommen ließen. Man konnte daran erkennen, dass sich die wöchentlichen Streiks im Zuge der großen globalen Streiks verdoppelten. Sobald sich nun die wöchentlichen Streiks verdoppelten, verdoppelten sich wiederum auch die großen. Es war ein wechselseitiger Verstärkungsprozess. Das überzeugte mich, dass große Streiks funktionieren.

Es ist ein enormer Arbeitsaufwand. Ich habe großen Respekt vor den Leuten, die jetzt weiter die Termine dafür aushandeln. Das ist wochenlange Arbeit mit viel Stress und Kopfschmerz. Wenn man aus der Arbeit herauskommt, sagen einem dann Leute, dass man es aus irgendeinem Grund falsch gemacht hat. Deshalb habe ich enormen Respekt vor jedem, der sich die Planung antut. Doch die großen Streiks haben der Bewegung viel Schub verliehen.

Greta ist zudem eine tolle Rednerin. Sie hat die Fähigkeit und das Talent, das Thema voran und ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, im Einklang mit ihrem Publikum und der Bevölkerung insgesamt. Zudem hat sie die Menschen herausgefordert. Das ist eine Gabe. Ihre Mutter ist Opernsängerin, es gibt also ein paar Leute um sie herum, die verstehen, wie das funktioniert.

Greta ist eine unglaublich begabte Person. Sie saugt jede Information, jeden Tipp auf und benutzt das, um Dinge in Zukunft besser zu machen. Ich habe genauso viel von ihr gelernt wie sie von mir. Sie korrigiert mich manchmal in einigen Klimafragen und der Klimawissenschaft. Wenn ich mit einer Statistik komme, sagt sie: "Nein, das ist falsch, das ist nicht das Neueste, es ist das hier". Ich mache das wahrscheinlich seltener mit ihr.

Dann kam die Covid-Pandemie und da haben wir den "Ball fallengelassen". Wir dachten, okay, die Leute werden erkennen, dass der Geist aus der Flasche ist, dass wir uns ändern können. Wenn einem nämlich jetzt gesagt wurde, Mensch, das erfordert einen enormen sozialen Wandel, das dauert Jahre, das dauert Monate, konnten wir nun antworten: Nein, es dauerte eigentlich nur drei Wochen. Die Mythen von 60 Jahren Klimakrisen-Leugnung waren widerlegt.

Was gibt Ihnen Hoffnung, Janine?

Janine O’Keeffe: Menschen, die für das Klima brennen, die ihre eigene Form an Aktivismus und ihre eigene Stimme finden und nutzen. Hoffnung geben mir die Begegnungen in den Bewegungen. Menschen, die zivilen Ungehorsam ausüben, geben mir Hoffnung. Physische Aktionen auf der Straße lehren mich, das ich für etwas einstehe, woran ich glaube. Ich finde dabei meine eigene Stimme, das gibt mir Energie.

Hoffnung gibt mir, wenn ich die Solar- und Windindustrie in Deutschland sehe, die Mobilisierungen im Ahrtal beobachte. Mich inspirieren Leute, die sich in Gemeinschaften, kleinen und großen, zusammenschließen und für Veränderungen kämpfen. Die sagen, dass sie wichtiger sind als große Unternehmen.

Wir brauchen die Industrie, aber wir brauchen keine fossile Brennstoffindustrie, wir brauchen keine multinationalen Konzerne, die größer sind als unsere Regierungen, die unsere Demokratie untergraben. Wir brauchen das nicht und wir müssen lernen, uns dagegen zu wehren.

Deshalb sollten wir, wenn Gesetze, auch die der EU, schwedische Klimareformen blockieren, sagen: "Sorry, da machen wir nicht mit. Wir fügen uns dem EU-Recht, aber nicht an diesem Punkt. Hier geht der Klimanotstand vor." Wir müssen lernen, nein zu sagen. Wir sind weiter Teil der EU-Gemeinschaft, aber wir sind nicht bereit, das Klima zu schädigen.

Was mir besonders große Hoffnung macht, ist, dass wir bisher noch gar nicht wirklich begonnen haben. Wir haben wahrscheinlich nur ein Prozent von dem gemacht, was verändert werden muss. Wenn wir erst einmal anfangen mit der Natur zu arbeiten, dann haben wir den größten und großartigsten Partner an unserer Seite. Wenn wir mit der Natur zusammenarbeiten, können wir Dinge erreichen, von denen wir nicht einmal zu träumen wagten. Die größte Aufgabe ist nun, anzufangen. Wenn wir das tun, werden wir davon massiv profitieren.