Greta-Beraterin: "Sie ist eine unglaublich begabte Person"

Greta Thunberg spricht beim Klimastreik vor dem Reichstag am 24.9.2021. Bild: Stefan Müller / CC BY 2.0

Janine O’Keeffe erzählt, wie sie Greta Thunberg beim Klimastreik vor drei Jahren kennenlernte. Seitdem arbeitet sie eng mit ihr und Fridays for Future zusammen. Über Gretas Fähigkeiten, Strategien und eine globale Explosion. (Teil 2 inkl. Video)

Im Interview mit David Goeßmann von Telepolis erzählt Janine O'Keeffe, wie alles begann. Die Ingenieurin und Klimaaktivistin schildert, wie sie zusammen mit Greta Thunberg Strategien entwickelte und erklärt, warum die größte Hoffnung darin besteht, dass wir noch gar nicht begonnen haben, die Welt zu verändern. Die gebürtige Australierin betont zudem, wie wichtig die Rolle von zivilem Ungehorsam ist. Sie finden unten im Text auch das Interview mit O-Keeffe als Video. Hier geht es zum ersten Teil des Interviews: "Wir sind im Krieg. Kriminell ist, wer beim Klima nicht führt."

Janine O'Keeffe ist australische Ingenieurin, Klimaaktivistin, berät Greta Thunberg und organisiert globale Klimastreiks

Wie und warum haben Sie begonnen, sich in der Umwelt- und Klimabewegung zu engagieren? Und erzählen Sie uns, wie Sie von Greta Thunbergs Streik erfahren haben und wie alles begann, Ihr Engagement bei Fridays for Future.

Janine O’Keeffe: Um 2017 herum engagierte ich mich im schwedischen Klimaparlament. Wir waren ein Haufen von acht bis zehn Ingenieuren und ein paar Wirtschaftswissenschaftler, die wöchentlich, wenn nicht sogar 20 Stunden pro Woche an politischen Empfehlungen arbeiteten. Es war harte Arbeit. Ich dachte, es ist nur eine Frage der Wissenschaft und der Technologie. Ich bin Ingenieurin und war der Meinung, dass das Problem lösbar ist.

Aber wahrscheinlich hat kein einziger Politiker unsere Empfehlungen gelesen, nicht einer von 349 Abgeordneten in Schweden. Vielleicht gibt es einen, okay. Aber wie viele Nackenhaare von Politikern haben die Empfehlungen bewegt? Wahrscheinlich nicht eines. Danach habe ich weiter auf Hochtouren gearbeitet und brannte im Grunde genommen aus.

Ich bin in Australien geboren und komme aus Melbourne, einer Stadt der Arbeiterklasse. Die ganzen 1970er Jahre hindurch haben die Leute dort immer wieder gestreikt. Sie haben gestreikt für Menschenrechte oder bessere Löhne usw. Streiks fanden einmal die Woche oder mindestens einmal im Monat statt. Es war für mich etwas ganz Normales.

Nach meiner großen Enttäuschung im Parlament fuhren wir mit dem Zug nach Kopenhagen und auf dem Weg dorthin machte ich noch eine Klima-Aktion mit jemanden in Lund, weil die schwedischen Wahlen bevorstanden. In Kopenhagen fing ich mir dann eine Erkältung ein. Auf dem Rückweg mit dem Zug war es einfach nur schrecklich. Ich lag drei Tage im Bett. Das war am 17. August 2019 und Greta fing am 20. August mit ihrem Streik an.

Am 24. August chattete ich über Facebook mit einer Klimagruppe und jemand sagte, dass ein Mädchen in Stockholm streikt, das sollte man sich ansehen. Sobald ich dazu wieder in der Lage war, ich glaube es war der Dienstag nach ihrer zweiten Woche, ging ich zu ihr und sprach mit ihr. Ich sah sehr schnell, dass sie das Klima und die Krise tatsächlich vollständig begriffen hatte. Es ist eine ziemlich komplexe Wissenschaft, aber Greta war interessiert und entschlossen. Ich sagte: "Okay, morgen komme ich mit meinem Tablet und mache ein kurzes dreiminütiges Interview mit Dir, um es nach Australien zu schicken, zu ein paar Leuten, die ich kenne." Sie sagte: "Großartig, okay."

Ich kam und wir machten drei dreiminütige Interviews, die ich dann auch auf Youtube stellte. Ich fragte sie: "Wenn jetzt Politiker aus dem Parlament kämen und Dich fragten: ‚Was wollt ihr?‘, was würdest Du, Greta, Ihnen sagen?" Sie sagte: "Ich will, dass sie die Klimakrise als Klimakrise bezeichnen und dem entsprechend handeln müssen." Ihre Worte waren: Handeln! Das machte mir klar, dass Greta unbedingt ein Forum bekommen musste, ihre Stimme sollte von möglichst vielen gehört werden.

Interview mit Janine O'Keeffe, Beraterin von Greta Thunberg und Fridays for Future.

Sie hat dann mit dem Schulstreik für das Klima angefangen. Ich habe mit einem norwegischen Team zu der Zeit noch gearbeitet. Norwegische Schüler planten einen Streik für den 7. September. Es gab noch eine weitere Gruppe von sehr jungen Leuten, die um die neun Jahre alt waren, mit denen ich kooperierte. Zudem engagierten sich bereits auch viele ältere Menschen, die sich den Jungen anschlossen, 50-jährige Leute wie ich.

Ich schickte das Interview nach Australien und mobilisierte dort, was dazu führte, dass in Australien erste Streiks stattfanden. Sie kulminierten am 30. November in einem Streik, bei dem 15.000 Kinder die Schule verließen und ihre Regierung energisch aufforderten, etwas zu tun. Greta wurde schließlich zum Klimagipfel eingeladen und sollte dort auf der der COP 24 in Polen eine fünfminütige Rede halten. Sie machte das bravourös.

Am 8. September bei einem 350.org- und Rise-Up-for-Climate-Treffen wurde Greta die Möglichkeit gegeben zu sprechen. Sie sagte, ich werde jetzt streiken, nicht jeden Tag. Ich werde jeden Freitag die Woche streiken. Ich sagte, dass das genau das ist, was wir brauchen. Denn ich bin katholisch, und bis zum Alter von 21 Jahren bin ich jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Das Treffen in kleinen Gruppen als Gemeinschaft verändert die Kultur. Und Kultur ist ein zentraler Bestandteil für Strategiebildung. Das lag mir daher sehr am Herzen.

Greta sagte zudem: Jeder ist willkommen, jeder wird gebraucht. Da dachte ich: Das ist kein Schulstreik mehr. Ich arbeitete also nicht mehr nur daran, die Streiks voranzubringen. Es ging mir darum, eine viel breitere Bewegung aufzubauen. Zwei Wochen später schlug Greta drei Hashtags vor. Einer war "Fridays for Future", einer war "FFF" und der dritte war "Climate Strike".

FFF war bereits der Name einer Finanz-Webseite, also strich ich das. Climate Strike war bereits von einem 15-jährigen Mexikaner im Jahr 2015 besetzt worden. Fridays for Future gab es, was das Internet angeht, jedoch noch nicht. Also wurde das der Name. Ich baute den Twitter-, Facebook- und Instagram-Account auf. Jemand anderes, mit dem ich in Kontakt stand, entwickelte für mich die Webseite. Wir begannen gemeinsam, die Grundlage für die Bewegung aufzubauen. Dabei kooperierten wir mit den streikenden Schülern. Aber wir hatten zugleich das Gefühl, dass wir sie nicht nur unterstützten, sondern parallel selbst aktiv wurden und etwas darüber Hinausgehendes aufbauten.