Griechenland: 2.000 Euro Strafe für Foto von Politiker
Strafverfolgung für Facebook-Posting, Bei Äußerungen in sozialen Netzwerken ist in der Hellenischen Republik Vorsicht geboten
Die sozialen Netzwerke geraten immer mehr ins Visier der griechischen Polizei und der Justiz. Dies musste in der letzten Januarwoche eine junge Sekretärin erfahren. Sie muss gemäß einem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts in Athen 2.000 Euro Entschädigung an den Abgeordneten der Nea Dimokratia, Constantinos Bogdanos, zahlen.
Der rechtskonservativ, islamfeindlich und betont nationalistisch auftretende Bogdanos hatte in seiner Klage eine noch höhere Summe, insgesamt 28.000 Euro, verlangt. Die junge Dame lebt noch im Elternhaus und kommt mit knapp 550 Euro Monatsgehalt kaum über die Runden. Ihre Eltern sind arbeitslos, Besitz oder Wertgegenstände sind nicht vorhanden.
Sie hatte am 7. Mai 2019, als Bogdanos noch nicht zum Abgeordneten gewählt war, auf der Facebook-Seite des satirischen Magazins Vathi Luben ein von ihr erstelltes Foto des Politikers und früheren Journalisten gepostet und dazu geschrieben:
Kinder - SOS. Der Bogdanos ist unter meinem Büro. What to do?
Kommentare rufen zu Angriffen auf Politiker auf
Unter dem Bürogebäude, in dem die junge Frau arbeitet, hatte sich der umstrittene Politiker in einem Café eingefunden. Für ihr Posting erhielt die Sekretärin 500 positive Reaktionen und 200 Kommentare.
Auf diese nimmt Bogdanos in seiner Klage Bezug. Er hebt in seiner Klageschrift die seiner Ansicht nach heftigsten Kommentare hervor. "Hol ihn raus und pinkle auf ihn", schrieb ein Nutzer, dem offensichtlich das Geschlecht der Userin nicht aufgefallen war. Ein anderer, rief, auf den Politiker zu erbrechen. Ein weiterer kommentierte, Menschen wie Bogdanos hätten "keinerlei Wert, wie menschliche Exkremente".
Es gab Aufforderungen, Gegenstände auf den Politiker fallen zu lassen. Die Sekretärin, die in den griechischen Medien als "Elena S." bekannt ist, hatte auf einige dieser Kommentare selbst positiv reagiert.
Bogdanos sieht im gesamten Vorgang nicht nur eine Herabwürdigung seiner Person und einen Verstoß gegen die Datenschutzverordnung. Er wertet den Vorgang als Aufruf, ihn körperlich anzugreifen und in Leib und Leben zu bedrohen.
Letzteres leitet Bogdanos aus der Tatsache ab, dass er am 10. Mai 2012 in Exarchia von Unbekannten krankenhausreif geschlagen wurde. Auch damals war der für polarisierende Äußerungen und Hass auf Linke bekannten Journalisten mit einem Shitstorm im Internet konfrontiert. Bogdanos sieht Parallelen.
Daraus errechnete sein Anwalt den Anspruch auf 20.000 Euro Schadensersatz für die Beleidigung und Bedrohung, sowie 8.000 Euro für den Verstoß gegen den Datenschutz. Denn seiner Ansicht nach hat Elena S. widerrechtlich Informationen über den Aufenthaltsort von Bogdanos veröffentlicht.
Ein Disput im Radio
Zunächst geschah nichts. Erst am 13. Juni 2019, mitten im Wahlkampf für die Parlamentswahlen, sprach Bogdanos während einer Radiosendung den Fall in einem Disput mit dem ebenfalls fürs Parlament kandidierenden Syriza-Abgeordneten Giorgos Kyritsis an.
C. Bogdanos: Ich gehe zur Seite von Luben und dann zu Luben auf Facebook…
G. Kyritsis: Wir reden über Steuern, wir haben Wahlen in 20 Tagen, und Du quatschst nur über Dich?
C. Bogdanos: Ich sag Dir, es gibt Wichtigeres als Steuern.
G. Kyritsis: Ist es wichtiger als die Besteuerung der Bürger, was Luben über Dich geschrieben hat? Lass es uns mal hören.
C. Bogdanos: Wenn Du es nicht für wichtig hälst, dass auf Facebook im Thread von Vathi Luben ein ganzer Beitrag darüber geschrieben wird, wie man Bogdanos, mit "Pistole oder Messer tötet" und dass eine Idiotin, die auch Elena genannt wird ein Foto von mir macht und sagt:" Komm her und verprügelt ihn", wenn Du denkst, dass dies von geringerer Bedeutung ist ...
G. Kyritsis: Hast Du Anzeige erstattet?
C. Bogdanos: Natürlich!
Tatsächlich hatte Bogdanos noch keine Anzeige erstattet. Dies tat er erst nach seiner Wahl zum Parlamentarier am 1. August 2019. Die 25-jährige Elena S. erhielt ihre Post vom Gericht am 3. September 2019. Sie löschte den strittigen Post und kontaktierte sofort den Anwalt von Bogdanos.
Sie bestritt, in körperlich in der Lage zu sein, auf einen unter ihrem Büro auf der Straße stehenden Menschen zu pinkeln. Hinsichtlich des Fotos wies sie darauf hin, dass dieses nur den Politiker auf dem Trottoir zeige. Weil auch ihre Büroadresse nicht öffentlich sei, könne niemand allein mit diesem Foto die Örtlichkeit identifizieren. Es half nichts.
Bogdanos verkündete das Urteil jubelnd über soziale Netzwerke. In seinem Twitter-Post zeigt er sich gnädig. Er würde auf die 2.000 Euro verzichten, meinte er, wenn die junge Dame 500 Euro an die Kirche spenden würde. Zudem kündigte er die nächste Anzeige an. Diesmal, gestärkt durch das Urteil gegen Elena S., möchte er gegen die Herausgeber des Satiremagazins vorgehen.
Kein Einzelfall
Der Fall von Elena S. ist kein Einzelfall. Griechische Gerichte verurteilen Äußerungen auf Facebook, wenn diese gegen geltende Gesetzte verstoßen und wenn eine Anzeige eingereicht wurde. Nicht immer sind die Anklagepunkte wie bei Elena S. relativ mild.
Der Anarchist Georgos Kalaitzidis, einer der Aktivisten der anarchistischen Gruppe Rouvikonas, gab mit Anlass der Verurteilung von Elena S. sein Strafverfahren bekannt. Kalaitzidis muss sich wegen "Aufrufens zur Revolution oder Aufruf zu einer minderen oder schweren Straftat und Gefährdung der öffentlichen Ordnung", sowie einer "vagen Andeutung einer direkten Drohung oder einer illegalen Tat zu Lasten der erwähnten politischen Person [Kyriakos Mitsotakis] verantworten". Sein Prozess ist am 31. März 2021.
Kalaitzidis hatte als Reaktion auf eine neoliberale programmatische Rede von Mitsotakis am 23. Mai 2018 geschrieben:
"Mitsotakis hat im Fernsehen eine Ansprache gehalten. Wir halten keine Fernsehansprachen, wir gehen Mistotakis besuchen und zwar bald, dann sagen wir es ihm aus nächster Nähe."
Für Kalaitzidis ist der neue Prozess kein Neuland. Er wurde mit einer ähnlichen Anklage bereits im Januar 2020 zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.
Die Gruppe Rouvikonas ist in Griechenland dafür bekannt, dass ihre Mitglieder Personen öffentlichen Interesses, Inkassofirmen, wegen Brechung des Arbeitsrechts auffällige Unternehmen, korrupte Ärzte uvm. überfallartig aufsuchen. Bei diesen Anlässen filmen sich die Aktivisten, sie belehren die jeweils Besuchten in lautem Tonfall über den Grund des Besuchs und werfen Flugblätter.
Teilweise kommt es auch zu Farbbeutelwürfen. Bislang blieben diese Besuche ohne körperliche Folgen für die jeweils Aufgesuchten. Für weite Kreise der Regierungspartei stellt dieses von Kritikern auch als Selbstjustiz bezeichnete Handeln jedoch eine Form von Terrorismus dar.
Rouvikonas hatte daher als Gruppe bereits mehrere Strafverfahren. Neu unter der Regierung Mitsotakis ist, dass diese bereits auf Grund von Ankündigungen bei Facebook erfolgen.
Analoges gilt für Streikaufrufe oder Versammlungsaufrufe von Gewerkschaftlern. Für Aufrufe für von Gerichten verbotene Streiks oder wegen der Pandemie verbotenen Versammlungen in sozialen Netzwerken gibt es Besuch von der Kriminalpolizei, Bußgelder und gegebenenfalls Strafverfahren.