Griechenland: Die Angst vor Erdogan und den Flüchtlingen
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Menschenrechte bleiben auf der Strecke: Von einer Politik der Toleranz gegenüber Flüchtlingen hin zu einer restriktiven Durchsetzung der Gesetze
Die EU-Kommission äußert sich besorgt über die jüngste Entwicklung bei der Anwendung des Asylrechts in Griechenland. Dieses Mal geht es nicht um Syrer, Afghanen, Pakistani oder Iraker. Vielmehr bemängelt der EU-Kommissar Nils Muižnieks, dass die Menschenrechte von Türken verletzt werden. Türken, die aus dem von der EU weiterhin als sicheren Drittstaat angesehenen Nachbarland über den Evros oder das Meer nach Griechenland kommen, werden von griechischen Behörden mittels des international geächteten push-back Verfahrens kurzerhand zurück über die Grenze befördert.
Das Paradoxon des Flüchtlingspakts
Seitens der EU ist an der Einstufung der Türkei als sicherer Drittstand nichts geändert worden, obwohl der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach den Beamten, Militärs, Richtern und Staatsanwälten und Journalisten mittlerweile auch Vorsitzende von Menschenrechtsorganisationen mit fadenscheinigen Beschuldigungen in Haft befördert. Seit dem Putsch vom 15. Juli sind mehr als 50.000 Personen der Opposition gegen Erdogan in türkischen Gefängnissen gelandet. Aktuell bemüht sich Erdogan, den oppositionellen die Staatsbürgerschaft und somit die Bürgerrechte zu entziehen.
Für die Griechen ergibt sich in diesem Zusammenhang ein mehrfaches Problem. Einerseits werden sie von der Türkei beschimpft und bedroht, weil acht Hubschrauberflüchtlingen, die während des Scheiterns des Putsches mit ihrem Fluggerät über die Grenze flüchteten, Asyl gewährt wurde. Griechenland liegt als erster Anrainerstaat direkt im Fokus der Vereinbarung der EU mit der Türkei bezüglich der Flüchtlinge. Scheitert der Pakt, so muss das weiterhin von den Kreditgebern im künstlichen wirtschaftlichen Koma gehaltene Land mitten in der Tourismussaison mit einem neuen Ansturm von Flüchtlingen fertig werden.
Bei dem aktuellen, durch den Terrorismus verschärften antiislamischen Klima in Europa kann die griechische Regierung nicht auf eine ähnliche Solidarität der offenen Grenzen wie 2015 hoffen. Daran ändern die stetigen Appelle des griechischen EU-Immigrationskommissars Dimitris Avramopoulos nichts. Avramopoulos erinnert die EU-Mitgliedstaaten bei jeder Gelegenheit daran, dass die in Italien und Griechenland ankommenden Schutzsuchenden auf die übrigen Länder verteilt werden sollten, wie es die EU beschlossen hatte. Er versucht, die panische Angst vor islamistischem Terrorismus zu relativieren und verweist darauf, dass keineswegs jeder Moslem als potentieller Terrorist anzusehen ist.
Flüchtlingspolitik ist für die Regierung nicht mehr lieb sondern nur teuer
Allerdings ist das Klima auch in der Regierung selbst vergiftet. Der Abgeordnete der Unabhängigen Griechen, des Koalitionspartners von Syriza, Kostas Katsikis ließ es sich nicht nehmen, im Parlament Stellung gegen Flüchtlinge und Immigranten zu beziehen. In einem Schlagabtausch in einer Ausschusssitzung wollte Katsikis dem Vertreter des Forums der Immigranten, Samsitin Intrisou, mit einer derart üblen Verbalattacke das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu erwähnen, entziehen, dass die Goldene Morgenröte Katsikis als natürlichen Verbündeten ansah.
Syriza hat jedoch keine Handhabe gegen den bereits mehrfach als rassistischen, homophoben und Kommunisten- und Sozialistenhasser auftretenden Katsikis. Die nominell linke Partei ist für ihre Wirtschaftspolitik und die Fortsetzung der Regierungsfähigkeit im Ganzen auf das Votum Katsikis angewiesen.
Die wirtschaftliche Realität ist ebenfalls ein Grund für den Schwenk der Regierung von einer Politik der Toleranz gegenüber Flüchtlingen hin zu einer restriktiven Durchsetzung der Gesetze. So wurde mehr als ein Jahr nach der Räumung des Lagers an der Grenze bei Idomeni pünktlich zu Beginn des Monats Juni das Lager am ehemaligen internationalen Flughafen von Athen, Ellinikon, in einer Nacht- und Nebelaktion mit dem Einsatz massiver Polizeikräfte und unter Ausschluss sämtlicher Journalisten geräumt.
Die Insassen wurden in weiteren Lagern des Landes interniert. Sie können sich nun nicht mehr, wie von Ellinikon aus, frei in ihrer Umgebung bewegen. Somit wurde der Weg frei, für eine Milliardeninvestition von Thomas Cook und Investoren aus Abu Dhabi und China. Sie wollen den zum Flüchtlingslager gewordenen Flughafen in ein touristisches Luxusressort verwandeln.
Was die übrigen nichtstaatlichen Unterkünfte der Flüchtlinge in Athen angeht, versucht die Regierung mit staatsanwaltschaftlichen Anordnungen die Hausbesetzungen räumen zu lassen, in denen Flüchtlinge beherbergt werden. Diese Praxis der Schaffung von Obdach war 2015 und 2016 noch von den gleichen Politikern der Regierung, die nun die Anwendung des Gesetzes begrüßen, als beispielhafte humane Aktion gelobt worden.
Allerdings gibt es auch hier ein Paradoxon. Die für ihre gegenüber Flüchtlingen übliche Haltung nicht unbedingt als freundlich eingestufte griechische Polizei verweigert durch Nichtstun die angeordneten Räumungen, so dass die staatsanwaltschaftlichen Anordnungen bislang folgenlos verfallen.