Griechenland: IWF fordert Besteuerung der Einkommen unter der Armutsgrenze

Seite 2: Berlin als Entscheidungszentrum

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Der von allen als Hauptakteur des Dramas identifizierte Politiker sitzt diesmal nicht in Athen, sondern in Berlin. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble besteht darauf, dass es ohne eine aktive Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) keine Fortsetzung des dritten Kreditprogramms gibt. Der IWF dagegen sieht in den Forderungen aus Berlin, vor allem in Punkto Primärüberschuss des Bruttoinlandsprodukts, aber auch hinsichtlich der Tragfähigkeit der Schulden einen Grund, neue einschneidende Maßnahmen zu fordern.

Seit 2014 hat der IWF keinerlei Zahlungen an Griechenland geleistet. Die vorher mehrfach gebrochenen Statuten des Währungsfonds verbieten die Finanzierung eines Landes, dessen Schulden untragbar sind, was in einem groben Vergleich den für Unternehmen und deren Gläubiger geltenden Regeln zur Vermeidung einer Insolvenzverschleppung entspricht.

Dass die griechischen Staatsschulden untragbar sind und dass die immer wieder gleichen "Sparmaßnahmen" bislang nicht viel gebracht haben, ist Tenor nahezu aller Analysten des griechischen Schuldendramas. Ein Schuldenschnitt passt dem Bundesfinanzminister jedoch nicht ins Konzept, vor allem nicht vor den Bundestagswahlen. Zudem dürfte sich nicht nur Schäuble daran stören, dass die Forderungen des Schuldenschnitts seitens des IWF nur die europäischen Kredite betreffen, der Währungsfonds selbst jedoch seine Gelder vollständig zurückerhalten will.

Schäuble betont immer wieder, dass es ohne den IWF im Programm im Bundestag die Notwendigkeit einer neuen Abstimmung zum griechischen Rettungskredit geben müsse. Obwohl es Zweifel an den juristischen Begründungen der harten Linie des Bundesfinanzministers gibt, erscheint ein Einlenken Schäubles eher unwahrscheinlich.

Schäubles starre Haltung brachte den früheren Finanzminister Griechenlands Yanis Varoufakis dazu, seinem einstigen Freund Alexis Tsipras einen Rat zu geben. Wenn Schäuble den Griechen mit dem Grexit droht, so Varoufakis, solle Tsipras dieses Mal anders als 2015 mit einem lapidaren: "Dann wirf uns doch raus" antworten. Varoufakis meint, dass die Griechen keine Angst zeigen sollten.

Varoufakis Amtsvorgänger, Gikas Hardouvelis, warnt dagegen. Hardouvelis, der Stournaras in der Regierung von Antonis Samaras als Finanzminister folgte, betont, dass jede weitere Verzögerung des Abschlusses der zweiten Troikainspektion das Land einen Schritt weiter zum Grexit bringen würde.

Tatsächlich hätte dem Zeitplan des dritten Rettungskreditpakets gemäß, die aktuelle Inspektion bereits im Februar 2016 ein Ende finden müssen. Damals lief jedoch noch die erste, ebenfalls über mehrere Monate verzögerte erste Inspektion. Dies alles führt maßgeblich dazu, dass der laut Programm für 2017 geplante versuchsweise Gang Griechenlands an die internationalen Märkte zur Kreditaufnahme alles andere als wahrscheinlich ist. Die fiktiven Zinsen für griechische Staatsanleihen werden auf den internationalen Börsen in der Größenordnung von mehr als zehn Prozent gehandelt. Damit würde Griechenland fast mehr zahlen als europäische Bürger für einen Überziehungskredit oder eine Bargeldabhebung per Kreditkarte.