Griechenland: Keine Demos, keine Intensivbetten mehr und eine heilige Leugnung
- Griechenland: Keine Demos, keine Intensivbetten mehr und eine heilige Leugnung
- Krankenhäuser im Ausnahmezustand
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Kirche, Krankenhäuser und Demonstrationen, diese drei Dinge beschäftigen Griechenland im Zusammenhang mit der zweiten Welle der CoVid19-Pandemie
Bei der Umsetzung der strengen Lockdown-Bestimmungen gehen die Polizisten mit äußerster Härte und bar jeglicher Logik vor. So ist es offiziell "aus epidemiologischen Gründen" verboten, dass sich mehr als zwei Personen in einem PKW aufhalten. Warum die Polizisten aber am 14. November drei Ärzte, die nach Abarbeiten ihrer gemeinsamen Schicht vom Dromokatios-Krankenhaus aus in einem Auto nach Hause fuhren mit einem Bußgeld von jeweils 300 Euro belegten, wirkt unsinnig. Es mindert zudem die Akzeptanz der Regeln in der Bevölkerung. Denn die Alternative, dass einer der Ärzte mit einem Taxi oder gar einem der überfüllten Busse hätte fahren müssen, birgt auch für Laien eine höhere Ansteckungsgefahr.
In Karditsa entdeckten Polizisten zwei Jugendliche gemeinsam auf einer Parkbank und quittierten dies mit dem Anspringen auf eine der beiden, eine fünfzehnjährige Schülerin. Dem auf den Boden geworfenen Mädchen wurden unter lauten Buh-Rufen der Nachbarschaft Handschellen angelegt. In Thessaloniki veranstalteten die Polizisten Hetzjagden auf Skater. "Persönliche körperliche Ertüchtigung" ist offiziell nach Abschicken einer SMS und einer per SMS erteilten Erlaubnis gestattet. Wie die Polizisten das dann bewerten, das liegt in ihrer Willkür.
Erste Opfer unter den Kirchenfürsten
Mit dem Metropoliten von Langadas, Ioannis, ist am Sonntag das erste Mitglied der Ständigen Heiligen Synode an Covid-19 verstorben. Der knapp 62-jährige Kirchenfürst war bei einer wahrscheinlich zum Superspreader-Event gewordenen Messe in Thessaloniki am 26. Oktober anwesend und gehörte zu den Bischöfen, die zu Ehren des Stadtpatrons, des heiligen Dimitrios, die Messe zelebrierten. Covid-19-positiv ist auch ein weiterer damals anwesender Bischof, der Metropolit von Ierissos.
Eigentlich wollte Ioannis an seinem Todestag eine Messe gegen die Pandemie feiern. Am Freitag jedoch wurde er mit hohem Fieber in Hospital gebracht. Ioannis gehörte zu den Kirchenfürsten, die mit Vehemenz die Ansteckbarkeit mit Covid-19 beim Heiligen Abendmahl leugnen.
Mutmaßlich bei der Messe am 26. Oktober steckte sich auch der Metropolit von Veria, Panteleimonas, an. Die Geistlichen hatten seinerzeit keinerlei Abstands- und Hygieneregeln eingehalten und trugen keine Masken. Ein weiterer Leugner, der emeritierte Metropolit von Kalavryta Amvrosios, wurde positiv getestet, verließ aber gegen den Rat der Ärzte das Krankenhaus.
Gestützt wird die Leugnung einer möglichen Ansteckung in der Kirche ausgerechnet von einer der Virologinnen der staatlichen Covid-19-Kommission. Professorin Athina Linou meinte im direkt der Regierung unterstehenden Staatsfernsehen ERT am Samstag, dass es "keinerlei Studien" hinsichtlich der Ansteckung über eine Tröpfcheninfektion bei der Benutzung eines gemeinsamen Löffels und eines gemeinsamen Kelches beim Abendmahl gäbe.
Versammlungsverbot
Mit einem vom Polizeipräsidenten unterschriebenen Erlass, gilt von "6 h Morgens des 15. Novembers bis 21 Uhr des 18. Novembers" in Griechenland ein absolutes Versammlungsverbot für Gruppen von vier und mehr Personen. Zuwiderhandelnden werden hohe Strafen angedroht. So müssen Parteien oder Verbände, aka juristische Personen, die zu Versammlungen aufrufen, jeweils 5000 Euro Strafe zahlen. Bei natürlichen Personen, welche den Aufruf verbreiten, sind 3000 Euro fällig. Teilnehmer an verbotenen Versammlungen müssen 300 Euro zahlen ().
Hintergrund für das Versammlungsverbot ist der Gedenktag für den 17. November 1973, dem blutig niedergeschlagenen Studentenaufstand gegen die damalige Militärregierung. Viele Parteien und Verbände, sowie Autonome, nutzen den Gedenktag, um auch an die Verantwortung der USA für die Obristendiktatur zu erinnern. Rechtskonservativen ist das Gedenken ein Dorn im Auge.
Am 1. Mai hatte die kommunistische Partei mitten in der Pandemie und während des ersten Lockdowns eindrucksvoll demonstriert, dass auch unter Beachtung sämtlicher Quarantäne- und Abstandsregeln Demonstrationen möglich sind. Damals griff die Polizei nicht ein.
Nun nimmt sie bereits im Vorfeld Personen fest oder leitet Ermittlungen ein. Personen, die öffentlich zur Teilnahme an den Demonstrationen am 17. November aufrufen, werden von der Polizei vorgeladen. Dies betrifft auch diejenigen, die über soziale Netzwerke solche Aufrufe teilen.
Yanis Varoufakis und seine MeRA25 (DiEM25), sowie die kommunistische Partei haben bereits frühzeitig angekündigt, trotz eines eventuellen Verbots zu demonstrieren. Varoufakis möchte zur Not mit den übrigen acht Parlamentariern seiner Partei den Weg vom historischen Hauptgebäude der Technischen Hochschule von Athen zur US-Botschaft allein gehen. Für diesen Fall wurde ihm von der Regierung und auch von Premier Kyriakos Mitsotakis bereits die Verhaftung angedroht. Das parlamentarische Asyl, welches Abgeordnete genießen, soll nicht gelten.
Das absolute, für das ganze Land ausgesprochene Versammlungsverbot wurde vom Verband der Richter und Staatsanwälte des Landes als verfassungswidrig eingestuft. Eine gerichtliche Entscheidung steht aus, und könnte nur im Eilverfahren erreicht werden.
Der Verfassungsrechtler Nikos Alivizatos, der auch einer von der Regierung eingesetzten Kommission zur Aufdeckung von Polizeigewalt vorsitzt, kann im Dekret des Polizeipräsidenten keinen Verfassungsverstoß entdecken. Schließlich, so meint er, wisse er von einem Gutachten der staatlichen Kommission der Virologen, welche die außerordentlichen Gründe für das Verbot stützen würde. Wieso dieses Gutachten, so es denn existiert, nicht veröffentlicht wurde, darauf ging Alevizatos nicht ein.
Das Verbot hat bislang zumindest eins bewirkt. Die kommunistische Partei, SYRIZA und DiEM25 unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung, mit der die Rücknahme des Dekrets verlangt wird. Die drei ansonsten stark zerstrittenen Parteien des linken Spektrums sind sich einig, dass es auch eine Gedenkveranstaltung mit Einhaltung sämtlicher Pandemieregeln geben kann. Sie sehen in der faktischen Aufhebung des Artikels 11 der griechischen Verfassung eine bedenkliche Entwicklung.
Die sozialdemokratische Nachfolgepartei der PASOK KinAl wollte die von der kommunistischen Partei KKE imitierte Unterschriftensammlung nicht unterstützen, kritisierte aber ebenfalls das Verbot. Für die KinAl ist es selbstverständlich, dass eine Gedenkveranstaltung stattfinden muss.
In den griechischen Medien gibt es geteilte Ansichten zum Verbot. So rief der Kommentator der Zeitung Kathimerini, Takis Theodoropoulos, die Polizei allen Ernstes dazu auf, Yanis Varoufakis zu verprügeln.