Griechenland: Keine Demos, keine Intensivbetten mehr und eine heilige Leugnung

Seite 2: Krankenhäuser im Ausnahmezustand

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Die aktuellen politischen Dispute können eine wichtige Frage nicht beantworten. Wie steht es um Griechenlands Krankenhäuser? Vor allem aus Griechenlands zweitgrößte Stadt Thessaloniki häufen sich die schlechten Nachrichten. Am Dienstagmorgen meldete der Vorsitzende des Ärzteverbunds und Mitglied der Krankenhausleitung Thanassis Sioulis im Liveinterview beim Sender Open, dass im AHEPA-Krankenhaus kein einziges freies Bett für die Intensivpflege zur Verfügung stehen würde. "So, wie es jetzt aussieht, werden wir einen Patienten im Alter von 85 oder älter nicht behandeln können", meinte er. Sioulis sprach auch das Wort Triage aus.

Nur wenige Stunden später dementierte der von der Regierung eingesetzte Direktor des Krankenhauses. Es gäbe sieben freie Betten meinte er. Sechs davon wurden durch Verlegung von Herzpatienten in andere Krankenhäuser frei, eins durch den Tod eines CoVid19-Patienten.

Zunächst versuchte die Regierung in der vergangenen Woche die immer häufigeren Meldungen über fehlende Betten mit gegenteiligen Angaben zu widerlegen. Auch Gesundheitsminister Vasilis Kikilias trat vor die Kameras und gab eine Pressekonferenz. Die amtlichen Äußerungen werden jedoch von den Klinikärzten ständig mit eigenen Angaben aus der Praxis widerlegt. Sie werfen dem Gesundheitsminister in diesem Zusammenhang bewusste Lügen vor.

Zudem bleiben die Kapazitätsprobleme nicht nur auf Thessaloniki beschränkt. Im Evangelismos Krankenhaus in Athen sollen es auch Probleme mit den Intensivbetten geben. Zudem fallen viele Ärzte und Pflegepersonal durch eine eigene Covid-19-Erkrankung oder wegen angeordneter Quarantäne aus. Es gibt auch unter den Medizinern Todesfälle durch die Pandemie. Zu den Opfern zählen etwa der leitende Arzt des Parlaments und Krankenhausärzte.

Peinlich wirkt in diesem Zusammenhang, dass die staatliche ERT ihrerseits Ärzte einlädt, welche die Angaben der Krankenhausärzte widerlegen sollen, und sich wie im Fall von Frau Dr. Mina Gaga als gescheiterte Parlamentskandidaten der regierenden Nea Dimokratia erweisen.

Frau Gaga erklärte unter anderen, dass in den überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln keine Ansteckungsgefahr herrschen würde, weil ja alle Passagiere Masken tragen würden. Im Parlament hatte Premier Mitsotakis gleiches behauptet. Gegen diese Behauptungen spricht aber, dass die staatlichen Gesundheitskontrolleure in ihren Berichten in den hoffnungslos überfüllten Bussen und Bahnen eine ernste Gefahr für Superspreader-Events sehen. Zudem wurden in Thessaloniki die Fahrkartenverkaufsstellen geschlossen, nachdem 350 Angestellte in Quarantäne mussten.

Dr. Gaga meinte, dass durch die Grundschulen keine Gefahr für eine Weiterverbreitung der Pandemie bestünde. Damit entsprachen ihre Äußerungen dem damaligen Credo des Bildungsministeriums, das am Samstag darauf zur Eindämmung der Pandemie aber die Schließung der Grundschulen anordnete.

Schließlich zeigt sich an den Aktionen der Regierung, dass es entgegen der Beteuerung, dass die öffentliche medizinische Versorgung in den vergangenen acht Monaten aufgerüstet worden sein soll, erhebliche Mängel geben muss.

Das Gesundheitsministerium möchte nun mit Teleschulungen Ärzte in Crashkursen für den Dienst an Covid-19-Hospitälern ausbilden. Kikilias gab zu, dass der Staat in Privatkliniken Betten anmietet. Zudem werden nicht an Covid-19 leidende Patienten aus den staatlichen Krankenhäusern in Privatkliniken gebracht, um den staatlichen Gesundheitsdienst zu entlasten. In diesem Zusammenhang offenbarte sich ein weiteres Problem.

Nicht versicherte Patienten werden in staatlichen Krankenhäusern behandelt, wenn sie mittellos sind. Für eine Verlegung solcher Patienten in privaten Kliniken fehlt jedoch die Rechtsgrundlage, weil die Bezahlung der Behandlung nicht gewährleistet ist. Nachdem eine entsprechende Dienstanweisung, welche die Verlegung nicht Versicherter verbot, an die Öffentlichkeit gelangte, gelobte die Regierung, sie würde dies mit einer Gesetzesnovelle regeln.

Anders als in der glimpflich verlaufenen ersten Welle der Pandemie trifft Covid-19 Griechenland nun hart und unvorbereitet. Gemäß einer Dienstanweisung sollen die Wehrpflichtigen in Kasernen mit Maske schlafen, weil eine Einhaltung der Abstandsregeln unmöglich ist. Noch schlimmer sieht es in den Gefängnissen aus. In 16 von 34 Haftanstalten grassiert die Pandemie. In den massiv überbelegten Gefängnissen sind keine Pandemiemaßnahmen möglich.