Griechenland: Orbanisierung der Presse
Falschmeldungen sollen künftig als Offizialdelikte verfolgt werden. Dabei geht es nach Angaben der Regierung um die Corona-Pandemie
Die Regierung von Kyriakos Mitsotakis in Griechenland sorgt mit einer Reform des Strafrechtskodex für Kontroversen. Die größte Journalistengewerkschaft des Landes, Esiea, fordert die sofortige Streichung eines Zusatzes zum Artikel 191, weil dieser die Pressefreiheit in Gefahr bringe.
Bereits in seiner alten Form stellte Artikel 191 im ersten Paragrafen die Verbreitung von Falschnachrichten unter Strafe. Dabei sah der Gesetzgeber bereits vor, dass drei Jahre Gefängnis drohen, wenn jemand mit Falschnachrichten die Wirtschaft, den Tourismus, die Verteidigungsfähigkeit des Landes oder aber die internationalen Beziehungen durch eine Falschnachricht in Gefahr bringt.
Eine Mindeststrafe war bisher nicht vorgesehen. Strafen drohen auch denjenigen, welche solche Nachrichten fahrlässig weiterverbreiten, so zum Beispiel durch Teilen eines Artikels im Internet.
In seiner Neufassung besagt Paragraf 1 des Artikels 191 nun:
Wer öffentlich oder über das Internet Falschmeldungen veröffentlicht oder verbreitet, die geeignet sind, die Öffentlichkeit zu beunruhigen oder zu beängstigen oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Volkswirtschaft, die Verteidigungsfähigkeit oder die öffentliche Gesundheit des Landes zu erschüttern, wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monate und einer Geldstrafe bestraft. Wurde die Tat wiederholt durch die Presse oder das Internet begangen, wird der Täter mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und einer Geldstrafe bestraft. Der tatsächliche Eigentümer oder Herausgebers des Mediums, mit dem die Handlungen der vorherigen Absätze vorgenommen wurden, wird mit derselben Strafe bestraft.
Die Esiea moniert die schwammige Formulierung des Paragrafen, der nach Angaben der Regierung vornehmlich auf die Verbreitung von Falschnachrichten bezüglich der Corona-Pandemie und Impfungen abzielen soll.
Diese kann und wurde jedoch bereits mit dem geltenden Paragrafen verfolgt und bestraft, wie einschlägige Urteile aus der Vor-Corona-Zeit, aus 2016 belegen.
Damals wurde ein Medium bestraft, weil in Artikeln Impfungen allgemein mit einer Krebsgefahr verbunden wurden.
Es handelt sich bei der Straftat nicht mehr um ein Antragsdelikt, wie es bislang war. Vielmehr wird mit dem neuen Paragrafen die Verbreitung einer Falschmeldung als Offizialdelikt eingestuft. Die Staatsanwaltschaft muss in solchen Fällen von Amts wegen eingreifen.
Was genau eine Falschmeldung ausmacht, und inwiefern nun bereits kritische Meinungen oder Kommentare Journalistinnen und Journalisten vor den Kadi bringen können, ist nach Ansicht der Rechtsabteilung der Esiea nicht definiert. Somit erhält eine Regierung, die das möchte, mit dem neuen Artikel 191 ein Instrument für die Gängelung der freien Presse.
Historisch erinnert die neue Gesetzgebung an frühere Zeiten in Griechenland. Als nach dem Strafrechtskodex von 1951 und den entsprechenden Ergänzungen 1953 Zensurparagrafen ins Presserecht eingeführt wurden.
1953 gab es mit dem Artikel 5 des Gesetzeserlasses 2493/1953 die Einführung von Mindeststrafen für Falschmeldungen, respektive das, was die Regierungen als Falschmeldungen einstuften.
Darunter fielen in der Folgezeit, besonders während der Militärdiktatur von 1967 bis 1974, auch Interviews, in denen regierungskritische Meinungen enthalten waren.
Während der Militärdiktatur wurde auch die entsprechende Formulierung "…die Öffentlichkeit zu beunruhigen oder zu beängstigen oder das Vertrauen…" mit dem Gesetzeserlass 361/1969 - Staatsanzeiger A-244/28-11-1969 zum ersten Mal ins griechische Strafrecht eingeführt.
1975, nach der Wiederherstellung der demokratischen Verfassung in Griechenland, wurden die nun wieder eingeführten Verschärfungen ersatzlos gestrichen.
Das Vorgehen der nominell liberalen Regierung Mitsotakis erinnert die Opposition im Land an die ähnlichen Gesetze, die von Viktor Orban in Ungarn erlassen wurden.
Der Form halber existiert in Ungarn ein von der Regierung kontrollierter Medienrat, der einstufen soll, was eine Falschnachricht ist und was nicht.
In Griechenland müssen die Richter dagegen die Aufgabe übernehmen, zu beurteilen, ob eine von Journalisten verbreitete Meldung oder Meinung, die zum Beispiel von der Regierung dementiert wird, das Vertrauen in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes erschüttern könne.
Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit rutsche Griechenland bereits um fünf Plätze auf Platz 70 ab. Es droht ein weiterer Abstieg.