Griechenland: Rigoroses Vorgehen gegen Hausbesetzer, die Flüchtlinge beherbergen

Seite 2: Die Autonomen als nunmehr verstoßene, ehemalige Retter

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dass die Hausbesetzungen und sonstigen selbst organisierten Herbergen für die Flüchtlinge und Immigranten der Regierung in den Jahren 2015 und 2016, als der Staat selbst nicht über genügend Unterkünfte verfügte, mehr als recht waren, verschweigen Mouzalas und seine Kabinettskollegen heute gern. Denn lange hatte Griechenland keinen Plan, die Menschen erhielten zwar den Aufenthaltsstatus, jedoch keinen Zugang zu einer Unterkunft. Sie campierten im Freien auf Plätzen und in Parks.

Damals sprangen die Autonomen ein, indem sie schneller als der Staat für Unterkünfte sorgten. Heute befinden sich freiwillige Helfer, die nicht in einer der großen Hilfsorganisationen sind, häufig im Visier der Strafverfolger und sind seitens der Polizei peinlichen Verhören ausgesetzt.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Es gibt jedoch auch schlimmere Geschichten, als die peinlichen Verhöre, bei denen die sexuellen Vorlieben der freiwilligen Helfer von den Polizisten ausgeforscht werden. Zudem trifft der Bannstrahl des Gesetzes nicht immer nur Autonome. So steht in Nordgriechenland eine frühere Vizebürgermeisterin wegen "Schleusertätigkeit" vor Gericht. Evelina Politidou - damals noch im Amt - hatte bei Idomeni im August 2015 zwei Syrer mit ihrem PKW von Polykastro aus in ein Hotel an der Grenze gebracht.

Die beiden verfügten über (noch) gültige Aufenthaltspapiere. Die Vizebürgermeisterin wurde noch vor dem Hotel festgenommen. Die beiden Syrer ebenfalls. Gegen die Bürgermeisterin wurde Anklage erhoben, weil der Aufenthaltsstatus des einen Syrers wenige Stunden nach der Festnahme abgelaufen war.

Die Politikerin hat ihren PKW verloren, der als Tatwerkzeug beschlagnahmt und zu Gunsten der Staatskasse versteigert wurde. Das Gerichtsverfahren, bei der ihr eine empfindliche Haftstrafe droht, ist für 2018 angesetzt. Menschlichkeit, denn um nichts anderes handelte es sich bei dem Transport der Menschen von Polykastro aus zum Hotel an der Grenze, ist im heutigen Griechenland unter Umständen ein Kapitalverbrechen, was selbst die Syriza-Parteizeitung Avgi bemängelt.

Nicht strafrechtlich verfolgt wird dagegen die Blockadepolitik der Regionalverwaltung Heraklion auf Kreta. Dort wurden vor zwei Jahren für die neu geschaffene Asylbehörde auf dem Gelände der Regionalverwaltung Bürocontainer aufgestellt. Zwölf Beamte wurden vom Staat für die Behandlung der Asylanträge abgestellt. Nur haben diese zwar Büros aber keine Möglichkeit zu arbeiten. Denn ihre Computer können nicht in Betrieb genommen werden. Die Regionalverwaltung verweigert standfest, den Anschluss der Container an das Stromnetz zu genehmigen, der Aufstellung der Container hatte sie indes zugestimmt.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Zudem kommt es offensichtlich zu - nie geahndeten - Übergriffen seitens der Polizei. So griffen auf Samos fünf Polizisten zwei Algerier auf. Diese leben bis zur Bearbeitung ihres Asylantrags in einem Lager auf der Insel, haben jedoch das Recht auf Ausgang. Sie zeigten gültige Papiere vor, konnten die Beamten damit jedoch nicht besänftigen.

Diese prügelten zunächst auf ihre Opfer ein und schossen, nachdem die Algerier eine Böschung hinabgefallen waren, Warnschüsse über die zu Tode erschreckten jungen Männer hinweg. Die Anzeigen der Opfer solcher Übergriffe führen sehr selten zu Verfahren. Meist verschwinden sie, wenn die Opfer überhaupt einen Polizisten finden, der sie aufnimmt, im Gewirr der griechischen Bürokratie. Schlimmstenfalls droht den Tätern eine disziplinarische Untersuchung, die in der Regel ergebnislos beendet wird.

Die Situation bringt selbst für eingefleischte, der Regierung treu ergebene, Abgeordnete von Syriza auf die Palme. Christos Karagiannidis, der für Syriza seinen Wahlkreis im nordgriechischen Drama gewann, wirft Bürgerschutzminister Nikos Toskas vor, er würde seinen Polizeikräften nicht beibringen, Menschenrechte zu achten. Für Immigrationsminister Giannis Mouzalas hat Karagiannidis kein gutes Wort. Er findet, der Minister sei untätig und lasse sein Ministerium über "den Autopiloten lenken".