Griechenland: Showdown für die Rentenkassen

Finanzminister Euklides Tsakalotos; Foto: Wassilis Aswestopoulos

Die Einschnitte in das ohnehin bereits angegriffene soziale Netz des Landes sind immens

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Während die Rechtsanwälte bereits seit mehr als fünf Monaten den Ausstand üben, beginnen morgen die übrigen Griechen den Streik. Für vier Tage wird kein Schiff einen griechischen Hafen anlaufen oder von dort ablegen. Erst am Dienstag soll es wieder Fährverkehr zu den Inseln geben. Freitag und Samstag streiken die Medien. Am Samstag eilen die Bauern aller Wahrscheinlichkeit mit ihren Traktoren nach Athen.

Die öffentlichen Verkehrsmittel streiken ebenso wie die Ingenieure und Steuerberater. Letztere Berufsgruppen befinden sich bereits seit Wochen im Ausstand und verweigern jeglichen Dienst, der mit dem Staat zusammenhängt.

Im Eilverfahren gibt es neue soziale Einschnitte

Zusätzlich dazu hat die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes einen achtundvierzigstündigen Streik ausgerufen, die kommunistische PAME schließt sich ebenso an wie die allgemeine Angestelltengewerkschaft. Das Land steht still, weil Premierminister Alexis Tsipras noch am Sonntag das kombinierte Paket aus Steuerreform und Rentenreform im Eilverfahren durch das Parlament bekommen möchte. Die Eile ist vonnöten, weil Tsipras bei der Eurogruppe am Montag ein fertiges, komplett abgestimmtes Reformpaket vorweisen möchte.

Davon erhofft er sich, zumindest in einigen Punkten der übrigen Forderungen der Kreditgeber Gnade. Zudem verbreitet die griechische Regierung die Gewissheit, dass sie im Gegenzug zu ihrem vorauseilenden Gehorsam von den übrigen Eurogruppenpartnern schriftlich die Zusicherung für einen neuen Schuldenschnitt erhält. Offenbar ist jedoch bei dieser "Erfolgsmeldung" der Wunsch der Vater des Gedankens.

Gleichzeitig versucht die Regierung die Gemüter mit Durchhalteparolen zu beschwichtigen. Parlamentspräsident Nikos Voutsis meint "es ist nicht das, was ihr alle denkt", und behauptet, dass ein schon bei den Wahlen im September 2015 versprochenes, paralleles Programm die massiven Einschnitte auffangen würde.

Vize-Verteidigungsminister Dimitris Vitsas betont, dass die Regierung zudem ausschließen würde, nach der Eurogruppe noch die bereits verlangten zusätzlichen Maßnahmen auf Vorrat zu verabschieden.

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Das fragliche Zusatzpaket wurde ohne nähere Spezifizierung der künftig darin enthaltenen Regelungen in "automatische Maßnahmen zur Etatanpassung" umgetauft.

Massive Kürzungen für Rentner

Die Einschnitte in das ohnehin bereits löchrige soziale Netz des Landes sind immens. Dass die Beamten des öffentlichen Dienstes bei ihren Abschlagzahlungen zur Pensionierung zum wiederholten Mal eine massive Kürzung von bis zu 27 Prozent hinnehmen müssen, gehört noch zu den geringeren Problemen. Sozialminister Georgios Katrougalos jubelt.

Insgesamt möchte die Regierung bis 2019 mehr als 8,2 Milliarden Euro Rentenzahlungen einsparen. Wie die Kürzungen aussehen, geht aus folgender Tabelle hervor:

Alles in Eile und ohne genaue Aufklärung

Die Eile der Regierung ist so groß, dass allein am Freitag 261 Änderungen der Gesetzesnovelle für die Sozialversicherungen vorgelegt wurden, als diese in den Ausschüssen des Parlaments diskutiert wurden. Es ist kaum zu erwarten, dass die Mehrzahl der Volksvertreter in der Lage ist, die knapp 100 einzelnen Artikel allein des Rentenreformpakets zu studieren und in ihrer Gänze zu begreifen.

Bislang wurde diese Arbeit vor allem von dem Internetmagazin The Press Project in durchaus vorbildlicher Form erfüllt. Das Magazin hatte bisher alle Gesetze der Sparmemoranden einzeln seziert und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies ist im aktuellen Fall nicht möglich, weil die Journalistengewerkschaft POESY eine Sondergenehmigung für eine Veröffentlichung während der Streiktage verweigerte. Nicht nur der Herausgeber von The Press Project sieht in dem erneuten Streikaufruf der Pressegewerkschaft eine Hilfestellung für die Regierung.

Bereits zum zweiten Mal in nur zwei Wochen, werden die griechischen Bürger für die Dauer von für sie wichtigen Entscheidungen komplett im Dunkeln gelassen. Die Streiks werden nicht per Urabstimmung oder sonstiger Mitgliederbefragung beschlossen. Die jeweiligen Präsidien der Gewerkschaften rufen sie je nach Gusto aus.

Den Streik zu brechen, ist allerding vor allem für Journalisten ein Problem. Die Strafe, die darauf steht, ist ein temporärer oder dauerhafter Ausschluss aus der als Kammer fungierenden Gewerkschaft. Weil an die Mitgliedschaft jedoch die Sozialversicherung gekoppelt ist, kann ein Ausschluss für die jeweiligen Betroffenen weitreichende Folgen haben. Ähnliche Regelungen gelten auch in anderen Kammern.

Streikauftakt bereits am Donnerstag

Mit den Streikaktionen begann die kommunistische Gewerkschaft PAME jedenfalls bereits am Donnerstag. 200 Mitglieder starteten eine Art Kommandoaktion. Sie schafften es, den seit einigen Monaten errichteten, hermetisch abgeriegelten Sperrbezirk um den Amtssitz des Premierministers in der Herodes Attikus Straße zu durchbrechen und machten Tsipras aus unmittelbarer Nähe die Aufwartung.