Griechenland: Wie autoritär ist Mitsotakis?

Unter Kyriakos Mitsotakis (Nea Dimokratia) werden Presse und Opposition nicht mit Samthandschuhen angefasst. Foto: Presidential Executive Office of Russia / CC-BY-4.0

Während die Aufklärung des Abhörskandals nicht vorankommt, gerät auch die Pressefreiheit unter Druck.

Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Im griechischen Parlament blockt die Regierung mit ihrer Mehrheit jeden Versuch der Aufklärung des Abhörskandals. In den Universitäten wütet die Einsatzpolizei, die von der Regierung zur "Universitätspolizei" erklärt wurde.

Die kritische Presse wird von Regierungsmitgliedern angegriffen und mit Strafanzeigen bedacht. Ein neues System der Überprüfung der Presse soll sicherstellen, dass alle Publikationen, welche die Regierung nicht als gemäß der journalistischen Ethik einstuft, keinerlei staatliche oder staatsnahe Werbegelder erhalten sollen.

Gegensätzliche Aussagen zur "Geheimhaltungspflicht"

Im Untersuchungsausschuss zum Skandal ergab sich folgendes Bild: Die geladenen früheren Direktoren des Geheimdienstes EYP, Theodoros Dravilas, Direktor unter Antonis Samaras, und Giannis Roubatis, Direktor unter der Regierung von Alexis Tsipras (Syriza), sagten aus.

Sie beriefen sich – anders als der geschasste EYP-Direktor von Kyriakos Mitsotakis – nicht auf eine "Geheimhaltungspflicht". Beide Aussagewilligen erklärten, dass es gegenüber dem Parlament, welches verfassungsmäßig die oberste Kontrolle hat, keine Geheimhaltungspflicht für sie gibt.

Roubatis gab zudem zu, dass unter seiner Direktion der frühere Treuhandchef Stergios Pitsiorlas abgehört worden sei. Als Grund nannte er eine vorliegende Verdachtssituation, dass die vom griechischen Staat auf Druck der Kreditgeber an ausländische Investoren verscherbelten Immobilien ins Visier nicht näher benannter arabischer Investoren gelangt seien.

Deren Finanzmittel hätten eine zweifelhafte Quelle, hieß es. Roubatis hatte demnach Tsipras über die Abhöraktion informiert.

Diese wurde eingestellt, als Pitsiorlas auf den Posten des stellvertretenden Wirtschaftsministers im Kabinett Tsipras wechselte. Pitsiorlas war also zum Zeitpunkt des Abhörens kein Mitglied des Parlaments, wie der von der Regierung Mitsotakis abgehörte Oppositionspolitiker Nikos Androulakis.

Trotzdem bauscht die Regierung die Causa Pitsiorlas auf, ohne aber die Gründe für das Abhören von Androulakis zu erklären. Der Regierungssprecher und zahlreiche Minister und Abgeordnete der Nea Dimokratia betonen, dass Tsipras von der Abhöraktion gewusst habe. Sie sehen aber keinen Widerspruch darin, dass Kontoleon behauptet, er habe mit Mitsotakis nie über die Abhöraktion gegen Androulakis gesprochen und sich im Übrigen keines einzigen Amtsvergehens schuldig gemacht.

Mitsotakis hat sich im Gegensatz zu Tsipras zum politischen Oberdirektor des Geheimdienstes bestimmt. Roubatis musste wegen des Abhörens ebenso zurücktreten, wie Mitsotakis Generalsekretär und Neffe, Grigoris Dimitriadis. Trotzdem soll alles mit rechten Dingen zugegangen sein.

Beweisanträge der Opposition zur Ladung von Zeugen in den Untersuchungsausschuss werden von der Regierungsmehrheit effektiv abgeblockt. Das Abhören aller Griechen sei erlaubt, wenn Gründe der staatlichen Sicherheit vorliegen würden, ist das Narrativ der Regierung.

Dann reicht auch die Unterschrift von nun zwei Staatsanwälten, denn "deren Weisung ist gleichbedeutend mit einem Richterspruch", wie der Pressesprecher der Nea Dimokratia, Tasos Gaitanis, am Freitagabend im Sender Kontra TV sagte.

Der neue Geheimdienstdirektor, Themistoklis Demiris, stellte im Parlament klar, "ich habe die letzten fünfzehn Tage die volle Kontrolle über den Dienst, a priori ist niemand vom Abhören ausgenommen ...".

Kein akademisches Asyl mehr

An den griechischen Hochschulen gab es seit dem Fall der Militärdiktatur 1974 ein akademisches Asyl. Dieses wurde wie ein heiliger Gral gehütet. Grund ist der blutig niedergeschlagene Studentenaufstand gegen die Diktatoren am 17. November 1973.

Die Nea Dimokratia möchte dagegen, wie sie betont, die Universitäten auf europäischen Standard bringen. Daher, so die Regierung, sei eine Universitätspolizei notwendig. Ein entsprechendes Gesetz wurde erlassen. Seit Beginn des neuen Studienjahres patrouillieren nun zum Unmut vieler Studenten, martialisch ausgerüstete Einsatzpolizisten über den Campus. Die Polizisten bedrängen Studentinnen und Studenten, sie kontrollieren jeden, der nicht in ihr Weltbild passt. Studentenproteste sind die Folge.

Am Freitagabend gab es in Thessaloniki an der Aristoteles Universität ein Konzert, organisiert von Studentengruppen, die gegen die ständige Polizeipräsenz auf dem Campus protestieren. Videos zeigen, wie die Einsatzpolizisten in das Publikum, eine Menge von rund 5.000 Personen massenhaft Tränengasgranaten und Blendgranaten werfen. Auch die Bühne wurde unter Beschuss genommen.

Einen Tag später dementierte die Polizei den Vorfall. Es sei keine einzige Granate ins Publikum geworfen worden, heißt es. Tatsächlich habe am Rand des Konzerts eine kleine Gruppe randaliert und sich der Festnahme widersetzt. Der in Griechenland prominente Liedermacher Thanassis Papakonstantinou stand während des Vorfalls auf der Bühne. Er kommentierte die Polizeimeldung mit einer gehörigen Portion Sarkasmus:

"Ja! Uns überkam plötzlich eine unerklärliche Emotion, eine Röte im Gesicht (vor Aufregung?) und Tränen der Trauer. Jemand rief aus, er habe Christus als Wehrpflichtigen gesehen!" Der Ausdruck "Christus als Wehrpflichtigen zu sehen" ist in Griechenland ein Idiom, um etwas Schwieriges und Plötzliches zu beschreiben.

Am Samstag protestierten in Athen Studierende gegen die Polizeigewalt. Es gab, wie üblich, massiven Einsatz von Tränengas und Blendgranaten der Polizei.