Griechenland hat zur Abwehr von Flüchtlingen eine schwimmende Barriere ausgeschrieben
Geplant ist zunächst ein schwimmendes "Schutzsystem" vor der Küste von Lesbos, um die seit letzten Jahren wieder steigenden Flüchtlingszahlen aus der Türkei abzuhalten
Die griechische Regierung sieht sich weiterhin von der Rest-EU im Stich mit den Flüchtlingen gelassen, der Unmut in der Bevölkerung steigt. 2019 sind nach der Internationalen Migrationsbehörde (IOM) 64.000 Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei und dem östlichen Mittelmeer nach Griechenland gekommen. Bis zum 22. Januar waren es im neuen Jahr mit 1939 mehr als im selben Zeitraum 2019 (1549). 63 Flüchtlinge ertranken, was deutlich mehr waren als vergangenes Jahr.
Die Lager sind überfüllt, die Zustände dort katastrophal, allen voran in Moria auf Lesbos, wo statt der vorgesehenen 3000 Menschen nun 19000 Flüchtlinge hinter Zäunen leben, der Großteil in Zelten (Moria is a hell). Die meisten neuen Flüchtlinge kommen aus Afghanistan und Syrien, also Ländern, in denen Krieg herrscht. 80 Prozent der Flüchtlinge, die letztes Jahr nach Griechenland kamen, landeten auf Chios, Samos und Lesbos.
Das Abkommen der EU mit der Türkei hält nicht mehr, wohl auch deswegen, weil Ankara mehr Geld will, um die eigene Flüchtlingspolitik umzusetzen, nämlich syrische Flüchtlinge aus der Türkei in die grenznahen Gebiete in Syrien umzusiedeln, um von dort aus die Kurden zu vertreiben, was durch den Einmarsch der türkischen Truppen und der sie begleitenden, meist dschihadistischen Milizen vorbereitet wird. Bundeskanzlerin Merkel hat dem türkischen Präsidenten Erdogan bereits signalisiert, dass von Deutschland oder auch der EU Geld kommen könnte, um feste Flüchtlingsunterkünfte auch in Syrien zu bauen (Türkei: Merkels zivilisatorischer Tabubruch).
Die griechische Regierung will nun über praktizierte Abschreckung hinaus zu weiteren Maßnahmen greifen, um die Ankunft von Flüchtlingen auf den Inseln zu verhindern. Sie will im Ägäischen Meer eine schwimmende Barriere installieren. Gedacht ist offenbar zunächst an eine 2,7 km lange, einem Netz ähnliche Barriere nördlich von Lesbos, an der kürzesten Route von der Türkei auf die Insel.
Die Kosten werden für das schwimmende Schutzsystem auf eine halbe Million Euro festgelegt, inklusive der Wartung über einen Zeitraum von 4 Jahren. Sie soll einen halben Meter aus dem Meer ragen und nach den Vorschriften für die internationale Schifffahrt beleuchtet sein, wie aus dem staatlichen Ausschreiben an Firmen bekannt wurde. Wenn die Barriere sich als wirksam erweist, soll sie weiter ausgebaut werden und 13-15 km lang werden. In der Ausschreibung des griechischen Verteidigungsministeriums heißt es, dass die Barriere "das Vorhaben, das nationale Territorium zu betreten, beschränken und, wenn notwendig, verhindern wird, um den immer weiter wachsenden Migranten- und Flüchtlingsströmen zu begegnen".
Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos verteidigte den Plan. Die Ausschreibung für schwimmende Barrieren gehe in die richtige Richtung. Man werde sehen müssen, welchen Erfolg dies als "Abschreckung" praktisch habe werde: "Es wird eine natürliche Barriere sein. Wenn sie so funktioniert wie in Evros, kann sie wirksam sein." Am Fluss Evros hat Griechenland 2012 an der Landesgrenze zur Türkei eine 120 km lange Mauer aus Beton und Stacheldrahtzaun errichtet. Das hat die Flüchtlingsströme dort sehr reduziert, aber seitdem kommen die Flüchtlinge über die gefährlichere Meeresroute.
Allerdings wird von Kritikern der Maßnahme darauf hingewiesen, dass die Barriere mit einer Länge von 2,7 km alles andere als ein Hindernis ist, da sie leicht zu umfahren wäre und nur einen kleinen Teil der Küstenlänge "schützt". Die Frage ist, inwieweit auch der normale Schiffsverkehr dadurch behindert wird, vor allem aber auch, in welcher Entfernung von Lesbos sie angebracht werden soll. Überlegt wird, ob die griechische Regierung damit das griechische Territorialgewässer, das nach dem Seerechtsübereinkommen 6 Seemeilen von der Küste ins Meer reicht, vergrößern will, also ob die Flüchtlinge nur vorgeschoben sein könnten, um andere Ziele zu erreichen, etwa in Bezug auf die Spannungen mit der Türkei. Wahrscheinlich will die Regierung erst einmal testen, wie eine solche Mauer im Meer international ankommt.
"Die Ankündigung des griechischen Verteidigungsministers, Seebarrieren gegen Schutzsuchende um die griechischen Inseln legen zu wollen, ist ein weiteres Beispiel der rasenden Erosion der Humanität in der Europäischen Union. Der Tod von Schutzsuchenden wird offensichtlich als probates Mittel zur Abschreckung an den Grenzen der Festung Europa in Kauf genommen", kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Ulla Jelpke, die Ankündigung des griechischen Verteidigungsministers.
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