Griechenland und die Steuern

Trotz immer weiter ansteigender Steuern fehlen dem Fiskus nun Einnahmen von 682 Millionen Euro. Viele Griechen können nicht mehr zahlen

Kaum ein Thema ist in den letzten Jahren in Zusammenhang mit der Krise um den Euro so intensiv diskutiert worden, wie die Steuermoral der Griechen. In Griechenland selbst ächzen viele Bürger, Freiberufler, Selbstständige und Unternehmer im achten Jahr der Krise.

Ab dem ersten Euro müssen nicht abhängig Beschäftigte 22 Prozent ihres Einkommens als Steuern abführen, zusätzlich ist nun eine Vorauszahlung von einhundert Prozent für das Folgejahr erforderlich. Wer demnach als Freiberufler 10.000 Euro erwirtschaftet, muss allein an den Fiskus 4400 Euro abführen. Darüber hinaus sind Kranken- und Rentenversicherungen fällig, die per Gesetz nicht mehr als Betriebsausgaben gelten.

Trotz immer weiter ansteigender Steuern, fehlen dem Fiskus nun Einnahmen von 682 Millionen Euro. Viele Griechen können nicht mehr zahlen - bei den üblichen Verdächtigen, den reicheren Unternehmen bleibt die Zahlungsmoral dagegen stetig schlecht.

Der einzige Wachstumssektor des Landes glänzt dadurch, dass hier die meisten und dreistesten Steuersünder gefunden werden. Alternativ lassen die Funde der Steuerfahnder auch den Schluss zu, dass die Regierung die Wachstumsbranche besonders im Auge hat. 2016 machte der Umsatz des Tourismus 18,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Für 2017 werden 19,6 Prozent erwartet und für das nächste Jahr Werte über 20 Prozent prognostiziert.

Tabelle 1: Steuerbelastung der Griechen für 2002, das Jahr der Euroeinführung (Regierung Simitis, PASOK) - persönliche Einkommen

Mitten in der Urlaubszeit schwärmen die Steuerfahnder durch touristische Viertel auf den Inseln und im Festland. Wenn sie einen Unternehmer finden, der seinen Gästen keine Rechnung ausgestellt hat oder wenn sonst ein steuerliches Vergehen entdeckt wird, dann wird das Unternehmen je nach Straftat für mindestens zwei Tage geschlossen. An den Ladenlokalen wird für alle sichtbar ein Schild angebracht, welches Passanten auf den Steuersünder hinweist, und diesen somit öffentlich anprangert.

Tabelle 2: Steuerbelastung der Griechen für 2003/4, die Jahre des Olympia 2004 Booms (Regierung Karamanlis, Nea Dimokratia) - persönliche Einkommen

Die Betroffenen und vor allem die Ertappten reagieren nicht freundlich auf die Besuche der Fahnder. Oft lassen diese die zu Überprüfenden ihre Macht spüren, wodurch nicht selten in steuerlich vollkommen korrekten Lokalen die Gäste belästigt werden. Prügelszenen zwischen den Überprüften und den Fahndern gehören ebenso zur Tagesordnung wie komplette Inseln, auf denen die Fahnder alles andere als freundlich empfangen werden.

Tabelle 3: Steuerbelastung der Griechen für 2003/4, die Jahre des Olympia 2004 Booms (Regierung Karamanlis, Nea Dimokratia) - persönliche Einkommen

In Volos fielen vor knapp einer Woche sogar Schüsse. Der ertappte und zur Schließung seines Unternehmens verdonnerte Betriebsbesitzer zog beim Abzug der Kontrolleure eine Waffe hervor und schoss über deren Köpfe hinweg. Während der gesamten Arbeit der Fahnder hatte es Provokationen durch den Besitzer gegeben. Neben einer Verhaftung wurde aufgrund der festgestellten Vergehen eine - nach Angaben des Amtes - längere Schließung veranlasst.

Tabelle 4: Steuerbelastung der Griechen für 2012, (Regierung Papandreou, PASOK - Papademos, parteilos) - persönliche Einkommen

Die Unternehmer, auch Kleinunternehmer, im gesamten Land müssen ihren Kunden bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Selbst ein Verstoß gegen diese Regel ist bereits ein fiskalischer Straftatbestand. Allerdings versuchen vor allem Vermieter von offiziell touristisch nicht registrierten Wohnmöglichkeiten für Touristen, wie sie über Onlineplattformen angeboten werden, alle möglichen Tricks, um dem Touristen das Geld bar abzuknöpfen. Selbst große Hotels kamen auf die Idee, gegenüber dem Finanzamt niedrigere Zimmerpreise abzurechnen, als sie es in Angeboten über AirBnB, Booking.com und ähnlichen Plattformen machten. Viele private Vermieter versuchen, einer steuerlichen Anmeldung komplett aus dem Weg zu gehen, haben aber ihre Zimmer und Wohnungen auf öffentlich einsehbaren Webseiten inseriert.

Tabelle 5: Einkommensteuerbelastung der Griechen für 2014, (Regierung Samaras, Nea Dimokratia)

Die touristischen Unternehmen sind nicht die einzigen Kandidaten für Eigentore der Steuerhinterzieher. Ein Tankstellenbesitzer in Piräus ließ sich vom Installationsunternehmen eine Abschalteinrichtung für das Durchflusskontrollsystem einbauen. Mit dem System überwacht der Fiskus wieviel Sprit in die Tanks herein fließt und wie viel in die Tanks der Kunden kommt.

Die Abschalteinrichtung erschien dem Tankstellenbesitzer genial. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass das System auch seine Betriebszeiten archiviert. Als der Trick Kontrolleuren im März auffiel, konnten sie zwar nicht nachweisen, wie viel Steuern der Betreiber genau hinterzogen hat. Es wurde geschätzt und eine Strafzahlung von 200.000 Euro eingefordert.

Tabelle 6: Einkommensteuerbelastung der Griechen für 2016, (Regierung Tsipras, SYRIZA)

Im Großen und Ganzen entdeckt ein Tankstellenkunde, dass das System der Kontrolle die überwiegende Mehrheit der Tankstellenbetreiber zur fiskalischen Disziplin gebracht hat. Allerdings wird nun von Kunden mehr Geld verlangt. Auf Urlaubsinseln ist Sprit schon mal 40 Eurocent teurer als auf dem Festland. Allein aus den Transportkosten lässt sich solch eine Preisdifferenz nicht erklären. Ebenso wenig erklärt ein auf den betreffenden Inseln durchaus vorhandener Wettbewerb die Tatsache, dass keiner der Konkurrenten erheblich billigeren Sprit anbietet.

Tabelle 7: Steuerbelastung der Griechen für 2014, (Regierung Samaras) - Mieteinahmen

Tabelle 8: Steuerbelastung der Griechen für 2016, (Regierung Tsipras) - Mieteinahmen

Um Fehlbeträge im Etat auszugleichen, kann die Regierung kaum weiter die Einkommenssteuern für die einfachen Griechen erhöhen. Die Finanzminister haben während der Krise stetig an der Schraube gedreht. Der Staatssekretär im Finanzministerium Stergios Pitsiorlas schloss Senkungen der Steuerlast für Bürger kategorisch aus. Statt dessen müsste der Staat bei sich selbst sparen, meint Pitsiorlas und reagiert damit auf die ständigen Forderungen und Wahlversprechen der Nea Dimokratia.

Bei der in der kommenden Woche beginnenden Internationalen Messe von Thessaloniki, die traditionell die politische Saison eröffnet, wird erwartet, dass Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis wieder über Steuersenkungen referieren wird. Im Zweifel wird er dies den Bürgern kaum gewähren können. Allerdings pocht Mitsotakis auf eine Senkung der Unternehmenssteuern. Nur so, meint er, könne der Aufschwung kommen.

Eine Betrachtung der Jahre seit der Euroeinführung zeigt, dass vor allem unter der konservativen Regierung Karamanlis massiv Einkommenssteuern gesenkt wurden. Allen Regierungen, auch in der Krise, ist eines gemeinsam: Sie hielten die Steuerlast für Unternehmen gering. Vor der Einführung des Euros lag der Steuersatz für große Unternehmen zwischen 35 und 40 Prozent. Mit Ausbruch der Krise sank er sogar zwischenzeitlich - vorgeblich zur Belebung der Wettbewerbsfähigkeit - auf 20 Prozent.

Gleichzeitig sanken die Löhne und Gehälter. Freiberufler und Kleinunternehmer müssen wegen des Kostendrucks erhebliche Einnahmeverluste hinnehmen.

Tabelle 9: Unternehmenssteuern

In einer vollkommen anderen Welt lebt dagegen der Generalsekretär von SYRIZA, Panagiotis Rigas. Rigas verkündete am Freitag allen Ernstes, dass die griechischen Bürger nun unter der Regierung Tsipras mehr Geld zur Verfügung hätten als vorher. Etwas anderes mussten sich die Abgeordneten der Partei anhören, die ihre Ferien in der Provinz verbrachten. Sie wurden überall von den Bürgen auf die enorme Abgabenlast angesprochen .