Griechische Küstenwache gibt Warnschüsse auf türkisches Schiff ab

Küste von Rhodos. Foto: Tango7174 / GNU

Schüsse vor Rhodos belasten Verhandlungen über Zypern

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Am Montagnachmittag erschütterte eine Meldung über einen Grenzzwischenfall nahe Rhodos die Griechen. PR-technisch erwies sich der Zwischenfall als Fiasko für die griechische Regierung. Leidtragende sind die Zyprer, die in den Verhandlungen um die Einigung der Insel nun schlechtere Karten gegenüber der Besatzungsmacht des Nordteils der Insel, der Türkei, haben.

Anonymer Hinweis auf Drogenladung

Die erste amtliche Stellungnahme der Küstenwache besagte, dass ein Patrouillenboot der Küstenwache knapp 3,5 Seemeilen vor der Küste von Rhodos auf das türkische Handelsschiff ACT traf. Es habe einen anonymen Hinweis auf eine Drogenladung gegeben, erklärte die Küstenwache in ihrer ersten Verlautbarung. Daher habe die Küstenwache den Kapitän der ACT per Lautsprecher und Funk aufgefordert, mit ihr zusammen den nächsten Hafen von Rhodos anzulaufen. Dort sollte eine Kontrolle stattfinden.

Die ACT änderte jedoch ihren Kurs keineswegs. Es gab Warnschüsse der Küstenwache und schließlich Einschusslöcher an der ACT. In Medienberichten wird die Zahl der Einschusslöcher von 16 bis 38 angegeben, wobei sich alle auf Aussagen des Kapitäns der ACT berufen. Die 16 Einschüsse wurden vom staatlichen griechischen Fernsehen bestätigt.

Der Kapitän der ACT, Haluk Sami Kalkavan, schilderte in einem Interview für den Fernsehsender CNN-Turk den Fall so:

Sie forderten, dass unser Schiff sofort die Küste von Rhodos anlaufen sollte. Sie sagten, es sei zur Kontrolle. Das akzeptierten wir nicht. Sie verfolgten und bedrängten uns und drohten das Feuer zu eröffnen. Wir brachten das Schiff in türkische Gewässer aber sie eröffneten das Feuer auf uns. Da sind 16 Einschusslöcher im Schff. Das Schiff hat keinen Wasserschaden, wir sind nun in türkischen Gewässern.

Haluk Sami Kalkavan, Kapitän der ACT

Die ACT, die vom Hafen von İskenderun kommend in den Golf von Izmit unterwegs war und somit eigentlich keineswegs in griechische Gewässer musste, wurde von der griechischen Küstenwache bis zur Seegrenze der Türkei verfolgt. Die griechischen Behörden geben an, dass sie die türkischen Kollegen informiert hätten.

Türkisches Verteidigungsministerium: "Unsinnige Aktion"

Auf ihrer weiteren Fahrt wurde die mit dreizehn Mann Besatzung fahrende ACT von drei Booten der türkischen Küstenwache und einem Sturmboot eskortiert, berichtet die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Anadolu zitiert das türkische Verteidigungsministerium und bezeichnet die Aktion der Griechen als unsinnig.

Griechische Journalisten, wie der für griechische und türkische Medien aus den USA berichtende Michalis Ignatiou bewerteten den Fall vollkommen anders. Ignatiou wirft dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor, er würde den Zwischenfall für eine Eskalation der Lage in der Ägäis nutzen.

Im Laufe des Nachmittags kommentierte der griechische Außenminister Nikos Kotzias auf Nachfragen, dass er von einem Verdacht einer Ladung Drogen auf der ACT Kenntnis habe. Das türkische Außenministerium goutierte indes überhaupt nicht die Reaktion der griechischen Küstenwache, welche als menschengefährdend und überzogen verurteilt wurde.

Wir haben erfahren, dass auf dem offenen Meer vor Rhodos ein griechisches Küstenwachboot das Feuer auf das unter türkischer Flagge kreuzende Motorschiff ACT, ein Handelsschiff, welches von İskenderun nach Izmit unterwegs war. Auf keine Art und Weise lässt sich diese Handlungsweise gegen ein Schiff, welches Ladung zwischen zwei türkischen Häfen transportierte, erklären. Das Einzige, was uns beruhigt ist, dass es keine Todesopfer oder Verletzte gab. Wir verurteilen auf Äußerste eine überzogene Aktion der griechischen Behörden, welche Menschenleben, somit ein Grundrecht, missachtet und wir wollen mit der internationalen öffentlichen Meinung unser Begehr teilen, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholt.

Stellungnahme des türkischen Außenministeriums

Verhandlungen über Zuypern

Pikant am Vorfall ist, dass sich die Außenministerbeider Länder zur gleichen Zeit in Crans Montana in der Schweiz befanden und dort in Verhandlungen mit der Regierung Zyperns und dem türkisch besetzten Nordteil der Inselrepublik nach einer Lösung für die seit 43 Jahren anhaltenden Teilung der Insel suchen. Die Konferenz wird von Vertretern der UNO geleitet und moderiert.

Am Dienstag änderte sich in Griechenland die Nachrichtenlage dahingehend, dass nun "Kreise des Außenministeriums" zitiert werden, wonach der besagte anonyme Hinweis von der US-Amerikanischen Drogenbehörde DEA stammen solle. Ein amtliches Papier oder einen sonstigen Beleg liefern die zitierten, namentlich nicht genannten Kreise nicht.

Für die griechische Regierung kommt der Vorfall zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Steht sie doch selbst im eigenen Land im Fokus der Kritik für eine Affäre, bei der erneut von der griechischen Regierung mit Berufung auf die DEA ein im Juni 2014 aufgebrachtes mit knapp drei Tonnen Heroin beladenes Schiff von Ministern in Verbindung mit einem Unternehmer gebracht wird.

Die Anschuldigungen der Regierung können bislang nicht ausreichend belegt werden, weshalb Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis am Dienstag die Einberufung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragt hat.

Der türkische Verteidigungsminister Fikri Işık kann daher angesichts des zumindest ungeschickten Lavierens der griechischen Regierung vollkommen zurecht auf eine problematische innenpolitische Lage der Griechen verweisen. Işık bezeichnet den "anonymen Anruf über eine Ladung Drogen" als Vorwand und behauptet, dass in einem solchen Fall die türkische Küstenwache in einer konzertierten Aktion beider Länder hätte eingeschaltet werden müssen.

Präsenz der türkischen Armee auf Zypern

Für die Verhandlungen um Zypern nutzt die türkische Seite den Vorfall geschickt. Sie erweisen sich aus gewiefte Verhandlungspartner und erfahrene, aufeinander abgestimmte Diplomaten. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu besteht zur seiner Meinung nach erforderlichen Sicherheit der türkischstämmigen Zyprer auf eine Präsenz des türkischen Besatzungsheers auch nach einer Einigung der Insel.

Er macht keinen Hehl daraus, dass er dieses auch im Ernstfall einsetzen will. Der Vorfall um die ACT, bei dem die Griechen ihre Behauptung über eine Drogenfracht nicht beweisen können, gibt Çavuşoğlu eine Steilvorlage.